aaa- uftakt

„Dieser Fortschritt schreitet über Leichen fort, Profitgier bewegt sein Hirn.
Sein Maul frisst Deine Arbeitskraft, seine Scheisse sollst Du konsumiern.“

Vielleicht erinnern sich noch einige unserer Leser*innen an diese Strophe aus dem KKW-Nein-Rag von Walter Mossmann. Geschrieben hat er das Lied in einer Situation, als Staaten wie Frankreich oder die BRD sich daran machten, der Krise mit einer Modernisierungsphase des Kapitalismus zu begegnen. Die energetische Basis – und damit das Kernstück – dieser Erneuerung sollte die breite Einführung der Atomtechnologie sein, verbunden mit einem Wohlfahrtsversprechen der ganz besonderen Art: „Es braucht jeder Mensch, sagt das Badenwerk, den Strom fürn Swimmingpool, fürn elektrischen Tisch, fürs elektrische Bett und fürn elektrischen Stuhl.“ griff der Sänger die Werbeslogans der damaligen Zeit mit nur geringfügiger Überspitzung auf. Warum nur kommen uns diese Zeilen gerade jetzt wieder in den Kopf?

Zur Bewältigung der aktuellen Krisen klammern sich Staatsoberhäupter an Rezepte, die denen der frühen 70er Jahre erschreckend ähnlich sehen. Ihre Verheißungen (und möglicherweise tatsächlich auch ihre Hoffnungen) knüpfen sie an Fortschrittserwartungen. Ihre grundsätzliche Skepsis gegenüber dieser Herangehensweise formuliert die Naturwissenschaftler*innen-Initiative in einem Eingangsbeitrag; eine Einordnung als Technikentwicklung im neoliberal radikalisierten Kapitalismus schließt sich dem an.

Mit Amory Lovins meldet sich ein Autor zu Wort, der ebenso wie Walter Mossmann zu den frühen Impulsgebern der anti-Atom-Bewegung zählt. Aktuell warnt er davor, den Boom einer KI-Industrie als Rechtfertigung für eine Renaisance der Atomenergie zu akzeptieren. Die drei folgenden Beiträge befassen sich detailiert mit den Regierungsabsichten, den erhofften Erneuerungsschub der Wirtschaft mit energiepolitischen Konzepten zu flankieren, die statt auf Erneuerbare auf Gas setzen und auf Fusions-Flausen.

Es sind keineswegs nur Regierungen, die (vergeblich, wie ein Kulturredakteur in seinem Beitrag anmerkt) auf technologische Rettung hoffen. Was von Künstlicher Intelligenz zu erwarten beziehungsweise mit Blick auf die Klimakatastrophe eben nicht zu erwarten ist, das beschreibt eine Untersuchung zum (Über-)Leben im schleichenden Zusammenbruch. Der Autor hat für eine der kommenden Ausgaben bereits angemeldet, dass er zu den KI-Dystopien der neurechten Tech-Oligarichie schreiben wird und zu der statt dessen notwendigen Gemeinwohlorientierung in einem linken Zukunftsentwurf. Wir freuen uns darauf. Mit einer Buchbesprechung zu „Systemsturz“ runden wir den Themenschwerpunkt ab. „Vertrauen und gegenseitige Hilfe“ sind dort die Stichworte.

Was wir aus der Fülle der Ereignisse und Berichte für die Rubriken ausgewählt haben, liest sich wie eine Ansammlung praktischer Beispiele dafür, wie technische Errungenschaften dem „Guten Leben für alle“ eher entgegenstehen, als dass sie ihm dienen würden.