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Niemand könnte ernsthaft behaupten, bei den Anliegen, um die soziale Bewegungen sich kümmern, sei in der momentanen Lage weniger Dringlichkeit angesagt als zu früheren Zeiten.
Im Gegenteil: die sichtbaren Folgen des Klimawandels bestimmen die Nachrichten. Krieg als Mittel der Politik wird als Selbstverständlichkeit präsentiert. Im Wettkampf um den miesesten Vorschlag überbieten sich die Parteien, mit welchen Mitteln rassis-tische Abschottung am effizientesten zu organisieren ist. Zunehmend steht ungeheurem Reichtum, konzentriert in den Händen von einigen wenigen, Armut in krassem Ausmaß bei einer übergroßen Mehrheit gegenüber; patriarchale Strukturen weiten brutale Unterdrückung aus. Immer mehr Menschen sehen sich gezwungen, ihr bisheriges Lebensumfeld zu verlassen. Das Ziel, Klimagerechtigkeit zu erreichen, rückt mit atemberaubendem Tempo in unerreichbare Ferne. Statt die Gefahr eines finalen Atomkriegs zu bannen scheint die Menschheit zielstrebig darauf zuzusteuern. Und beim Versuch, sich bei der Bereitstellung von Energie von fossil-nuklearen Abhängigkeiten zu lösen, gehen die Schritte eher zurück als nach vorn; die Frage der Hinterlassenschaften ist ungeklärt wie eh und je.
In all diesen Themenfeldern - die im Übrigen so eng miteinander verknüpft sind, dass sich gar nicht unterscheiden lässt, wo das eine beginnt und das andere endet - zeigt ein Blick auf zurückliegende Jahrzehnte, dass neue soziale Bewegungen durchaus in der Lage waren, Veränderungen anzustoßen. Aber gerade jetzt, wo immenser Handlungsbedarf besteht, macht sich allenthalben ein Gefühl breit, auf verlorenem Posten zu stehen. Von der Wahrnehmung, im Moment gesellschaftlich tatsächlich etwas bewegen zu können, sind die meisten deutlich entfernt.
Natürlich bleiben die Bewegungskerne: es gibt noch immer Leute, die die Probleme auf dem Schirm haben. Wer sich jahrelang eingearbeitet hat, wird selbstverständlich nicht plötzlich damit aufhören. So verfolgen aufmerksame Leute auch weiterhin die Entwicklungen in vielen Bereichen; sie können fachkundig Sachverhalte erörtern, Zusammenhänge herstellen, Einordnungen vornehmen, Warnungen aussprechen, Vorschläge machen. Dazu sehen sie sich in der Lage, und sie tun das auch. Netzwerke setzen ihre Arbeit fort, Strukturen der Kommunikation werden aufrecht erhalten, Bewegungsereignisse finden statt.
Was allerdings häufig genug fehlt ist das Echo. Es fällt schwer, die Resonanz zu spüren, die eigentlich angemessen wäre. Das zermürbt auf Dauer. In diesem Heft wollen wir darüber nicht einfach hinweggehen, sondern gestatten uns anzuerkennen, dass solche Ohnmachtserfahrungen unsere Bemühungen permanent begleiten. Beziehungsweise überlassen wir das den Autor*innen des Themenschwerpunkts. "Wie kann es gelingen, aus diesem Dauerzustand gefühlter Wirkungslosigkeit herauszukommen?" Darauf geben sie ganz unterschiedliche Antworten. Sie scheinen uns alle lesenswert, sonst hätten wir sie ja nicht ausgesucht.