Grafik aaa - Zeitung für die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen
2005-08-15

Betroffen sind wenige – gemeint sind wir alle. Wie alt ist diese Feststellung? Und wie aktuell? Die Haussuchung bei der AAA-Redaktion ist kein „Ausrutscher“ der Staatsanwaltschaft.

Der nächste CASTOR-Transport steht vor der Tür. Wozu dient also diese Aktion der Polizei? Hier im Landkreis Lüchow-Dannenberg gehört der Staatsschutz zu den Dauergästen als Demo-Beobachter jedes noch so kleinen Protests. Und daß dieser nur zu gerne an das Datenmaterial gelangen möchte, was sich im Umfeld der Anti-Atom-Aktivisten angesammelt hat, ist doch nachvollziehbar! Unmengen von Texten, Fotos der letzen Castor-Transporte, Adressmaterial... YOMANGO des Staatsapparates.

Daß die lächerliche Begründung für einen Durchsuchungsbefehl von einem „unabhängigen“ Richter so locker ohne eigene Recherche unterschrieben wird, zeigt, wie „unabhängig“ unsere Justiz arbeitet. Wie viele richterliche Abhöraufträge dieser Qualität sind bereits durchgezogen worden? Wer wacht über die Justiz? Nachgerade peinlich ist die Aussage des Dannenberger Amtsrichtes Stärk gegenüber der „taz“, er habe ja nicht gewußt, daß es sich um Redaktionsräume handele. Und daß der zuständige Staatsanwalt Wernecke, der sich bestens mit den Gegebenheiten im „Gorlebener“ umfeld auskennt, und über dessen Tisch mittlerweile wohl Hunderte von Ermittlungsverfahren gegen Atomkraftgegner gelaufen sind, nicht gewußt haben will, daß es sich um die Redaktionsräume der AAA handelt, und ansonsten „wahrscheinlich zurückhaltender“ vorgegangen wäre. Die Lachmuskeln erstarren beim Hohnlachen.

Absurd sind die Vorwürfe allemal. Mehr als 400 Treffer findet allein die Suchmaschine „Google“ zum Stichwort „Yomango“ auf deutschen Webservern. Von entsprechenden Durchsuchungsbefehlen etwa gegen die Redaktion von „Deutschlandradio Berlin“, die am 1. 6. 2005 in einem Rundfunkbeitrag Aktivisten von YOMANGO zitiert: „Wenn, dann ist Yomango Alltagskunst. Und Gebrauchskunst. Eine Kunstform, die gratis von Generation zu Generation weitergegeben wird. Wie eine Art Volksweisheit, die zwar uralt ist, aber immer wieder an die kapitalistische Gegenwart angepasst wird: Wo kann man im System noch Lücken finden?“ http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kompass/381967/

Auch gegen das „Schauspielfrankfurt“ sind nach bisheriger Kenntnis keine Ermittlungen aufgenommen worden, als im Februar 2005 unter dem Motto „Schöner wär’s, wenn’s schöner wär – der Kongreß / Kunst, Theorie und Praxis des Widerstands“ eingeladen wurde. Auf der Website wurde die Aktionsform dargestellt: „Gäste aus aller Welt verraten Ihnen die besten Strategien, bringen Ihnen die besten Tricks bei. Sie können basteln, mittanzen oder einfach nur zuhören. Auf jeden Fall wird es dabei schöner werden. Und Spaß machen. Denn Widerstand ist nicht nur nötig, sondern auch möglich und manchmal sogar lustig.“ Man werde „verschiedene widerständige Workshops anbieten. Reverend Billy wird in die Praktiken der Church of Stop Shopping einführen, YoMango aus Barcelona in die Techniken der Befreiung von Glück aus Produkten und erfahrene Aktivisten aus Deutschland in die Methoden des gewaltfreien Widerstands.“ Und: „YOMANGO [Mango ist eine beliebte spanische Ladenkette für Bekleidung. YO MANGO bedeutet in der spanischen Umgangssprache: Ich stehle.] ist ein Markenname. Wie bei allen wichtigen Marken ist auch das Hauptziel von Yomango nicht der Verkauf von Dingen, sondern die Massenwerbung für einen Lebensstil. In diesem Falle ein Lebensstil der sich die Befreiung des Glücks aus den Produkten zum Ziel gesetzt hat. Ein Markenname, der allen gehört, geboren aus dem Gemeineigentum und für das Gemeineigentum. Denk dran: YOMANGO, nur in deinem nächsten Konzern.“ http://www.schauspielfrankfurt.de/spielplan/stueckinhaltzusatz.asp?InhaltID=2539&ZusatzInhaltID=3262

Die „großen“ sind für die Staatsgewalt nicht relevant. Geschlagen, zerschlagen werden sollen die Menschen wie Du und ich. Ist es daher Zufall, daß einen Tag nach der Hausdurchsuchung von der Polizei massiv gegen eine Protestdemonstration vorgegangen wurde? Festnahmen mit hanebüchenen Anschuldigungen erfolgten, wegen „schweren Raubes“, bei dem angeblich ein Demo-Teilnehmer, während die Polizei um sich schlug, ein Funkgerät „ärmeln“ wollte? Ein anderer gestoßen und umgeschubst wurde, so daß er mit dem Hinterkopf auf das Pflaster aufschlug und vom Rettungswagen zur stationären Behandlung ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte? Wahre Hetzjagden nach Abschluß der Veranstaltung auf einzelne übriggebliebene Teilnehmer zwecks vorläufiger Festnahme erfolgten? Ein Mensch in die Polizeiwache geschleppt und mit Kabelbindern so gefesselt wurde, daß seine Schreie minutenlang aus der abgeriegelten Wache auf die Straße drangen?

Just an dem Tag, in dem in der örtlichen Zeitung ein Interview mit „Transparency International“-Vorstandsmitglied Anke Matiny abgedruckt war, in dem es um allgegenwärtige Korruption ging, mit Schadenssummen von 25 Milliarden Euro allein im Gesundheitswesen. Sie auf ein Buch des Harard-Professors Dr. Malcom K. Sparrow verweist, das den entlarvenden Titel trägt „License to Steal“. Und als SPD-Politikerin abschließend feststellt, daß bislang allein die „Grünen“ den Punkt Korruptionsbekämpfung in ihr Wahlprogramm aufgenommen haben?

Es wird langsam Zeit, daß sich ein paar mehr Menschen Gedanken darüber machen, wie weit sich Robert Jungks befürchteter „Atomstaat“ bereits entwickelt hat. Ein „demokratischer Staat“, in dem erst das Bundesverfassungsgericht Landesinnenminister in die Schranken verweisen muß, im Grundgesetz gegen willkürliche polizeiliche Überwachungsmaßnahmen gesetzt sind? Wenn offen einem rechtswidrigen Einsatz der Bundeswehr nicht nur im Ausland, sondern auch im Inneren das Wort geredet wird? Wenn ein Energiekonzernchef sich schamlos darüber freut, demnächst vielleicht seine Atomkraftwerke unkontrolliert auf altem technischen Stand weiterlaufen lassen zu dürfen, und es für absolut selbstverständlich hält, immer weitere Milliardengewinne abzukassieren,denn: „Welches Interesse sollten wirtschaftlich agierende Firmen an längeren Laufzeiten haben, wenn wir dadurch keinen Gewinn machen? Der Strompreis bildet sich am Markt. Und so sollte es bleiben“ (EON-Chef und Atomforumspräsident Hohlefelder in einem Zeitungsinterview v. 9. August).

Wir müssen aufpassen, endlich wieder aktiv werden. Die „Richtlinien der Politik“ bestimmt schon lange nicht mehr „der Kanzler“. Wir müssen unsere Rechte wahrnehmen. Bürgerrechte. Grundrechte. Das Recht auf zivilen Ungehorsam. Verhindern, daß die Wirtschaft nicht auch noch Geist und Text des Grundgesetz nach ihren Befürfnissen maßschneidert.

Dieter Metk / Mitglied der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg

- zurück