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Klimaleugnung im Rechtspopulismus

Im Rechtspopulismus offenbaren sich die Grundzüge des autoritären Charakters



Finstere Zeiten sind das! Mit Bestürzung müssen wir zur Kenntnis nehmen, wie mühsam erkämpfte Errungenschaften sozialer Bewegung Gefahr laufen, abgeräumt zu werden. Der Angriff auf den bisher erreichten (Teil-)Ausstieg aus der Atomtechnologie ist keineswegs der einzige Bereich, in dem ein roll-back zu beklagen wäre. Im Rahmen des aaa-Themenschwerpunkts fokusiert dieser Artikel aber auf Energiepolitik. Im Mittelpunkt steht die Leugnung des menschengemachten Klimawandels. Sie ist Kernbestandteil eines umweltpolitisch regressiven Populismus.

„Gegen die vielerorts am Horizont qualmenden Kohlekraftwerke ist so ein Windrad recht harmlos. Die Ablehnung reicht also weitaus tiefer. In vielen Köpfen ist es Rechtspopulist*innen scheinbar gelungen, folgende Assoziation zu manifestieren: Das Windrad steht für die Grünen. Und die wiederum stehen für Klima-hysterie, für „von oben“-Regieren und überhaupt für alles, was in diesem Land angeblich schief läuft.“ (aus einer taz-Reportage aus der Lausitz vom 15.1.24)

Merkmale des Populismus

Erstes Merkmal ist eine grundlegende Elitenkritik. Hier wird die Gesellschaft in zwei Gruppen unterteilt, die einander antagonistisch gegenüberstehen: „das reine Volk“ und „die korrupte Elite“. Ob bei den Querdenker*innen, den Klimawandelleugner*innen, bei der AfD oder Trump – überall findet sich diese populistische Grundannahme.

Das zweite Merkmal ist der anti-Pluralismus. Er umfasst die Vorstellung von einem homogenen Volk mit einem einheitlichen Ziel und Interesse, dem des allgemeinen „Volkswillens“. Der populistische anti-Pluralismus ist umfassend und greift nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche an: Er charakterisiert sich durch die Ablehnung von Pluralität in Politik, Medien, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Unterschiede und Diversität werden in der Unterstellung einer homogenen Gesellschaft negiert. Ebenso wird die Vielfalt von Werten, Lebensstilen und Weltanschauungen (Klassenunterschiede gibt’s natürlich auch nicht) angezweifelt und abgewertet. Der anti-Pluralismus ist also wesentlicher Bestandteil einer unterstellten homogenen Volksidentität. Diese ethnisch- und völkisch-nationalistische Identität ist ein Kern des Rechtspopulismus.

Die populistische Erzählung von Volk versus Elite wird darüber hinaus mit dem rechtsideologischen Kern des Nationalismus und Autoritarismus aufgeladen. Die Offenheit für extrem-rechte Positionen kommt durch eine Mischung verschiedener Faktoren zustande: Misstrauen in die etablierten Eliten, Angst vor „kultureller Überfremdung“, soziale Abgrenzung und Nationalismus, Gefühl der Entwertung der eigenen Identität (Männlichkeit!) und die Abwertung sozialer Gruppen, die als „anders“ wahrgenommen werden.

Die Angst vor kultureller Überfremdung geht einher mit einem Cultural-Backlash, einer Ablehnung gegen die (teils nie akzeptierten) modernen Werte und Entwicklungen (wie Gender und Diversität, Feminismus), welche zu einer Befürwortung rechtspopulistischer Parolen oder Parteien führt.

Rechtspopulisten betreiben zudem eine „Fetischisierung“ der Hochphase des fossilen Zeitalters; glorifizierend orientieren sie zurück in die Bergbauära der Nachkriegszeit mit dem hart malochenden Kohlekumpel der ‚Wirtschaftswunderjahre, wie Simon Schaupp in seinem Buch „Stoffwechsel“ schreibt; mit der alten Arbeitsteilung in der Familie, dem hart arbeitenden deutschen Mann als Alleinernährer und der Frau am Herd. Dies entspricht genau dem Familienmodell, das die AfD sich nicht scheut, offen hochzuhalten.

Autoritarismus und Verschwörungsglaube

Dabei spielen antisemitische, rassistische und queerfeindliche Verschwörungsideologien eine wichtige Rolle. Dazu stellt Samuel Salzborn am Beispiel des Glaubens an die Existenz einer jüdischen Verschwörung zur Erlangung der Weltherrschaft beziehungsweise der mörderischen Konsequenzen dieses Wahns im nationalsozialistischen Deutschland fest, „dass das, was den Anderen im Verschwörungsmythos vorgeworfen und vorgehalten wird, eigentlich das Eigene ist – die verdrängten und verleugneten Anteile des Selbst, die eigenen Wünsche, die zugleich als so monströs erfasst […] werden, dass sie, zunächst, nur in ihrer projektiven Form formuliert werden.“

Der Verschwörungsglaube als „scheinbare Angst vor Verfolgung und Unterdrückung“ sei letztendlich „Ausdruck wie zugleich Drohung derer, die nichts anderes wollen als zu verfolgen und zu unterdrücken.“ Gegenüber Migrant*innen und den Klimaflüchtlingen vor den Toren Europas funktioniert genau das. Die völlig fehlende soziale, menschliche Empathie führt zu einer enthemmten und brutalen Abschottung und Zurückweisung.

Die globale Klimakrise zeigt: Die Allermeisten in den entwickelten Ländern des Nordens leben auf Kosten der Verletzlichsten in den Ländern des Südens. Das wird jedoch von Rechtspopulisten bewusst verdrängt. Stattdessen wird den Migrant*innen die Schuld für die Gegenwart der Unsicherheit und Zukunftsängste in die Schuhe geschoben.

Anschlussfähig

Im Bereich der Umweltpolitik geht die populistische Erzählung über die grüne Elite nahtlos über zu völkischen oder autoritären Ideologien. Diese finden sich vereinzelt auch in marktradikalen, rechtslibertären Milieus wieder und wirken bis in die sogenannte „gesellschaftliche Mitte“ hinein. Im Mittelpunkt steht die Leugnung des menschengemachten Klimawandels. Sie ist Kernbestandteil des umweltpolitisch regressiven Populismus.

Die Verschwörungserzählungen rund um die Klimakrise gehen grundsätzlich von einer korrupten Wissenschaft mit manipulierten Untersuchungen und falschen Annahmen aus. So wird den unabhängigen Institutionen, dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) unterstellt, sie würden als Teil einer globalen Elite unter dem Deckmantel des Klimaschutzes auf eine vermeintliche „neue Weltordnung“ hinarbeiten. Des weiteren finden sich Behauptungen, dass die globalen Eliten mit Hilfe der Wissenschaft Wetter und Atmosphäre manipulieren, bis dahin, dass Überschwemmungen oder Waldbrände als „Komplott“ der Regierungen eingestuft werden, inszeniert, um dem Volk Angst einzujagen und es gefügig zu machen für verschärfte Klimaschutzmaßnahmen.

Dazu gesellt sich ein populistisch aufgeladener Gegensatz zwischen dem „guten Volk“, das die nationale Souveränität verteidigt, und den „bösen transnationalen Eliten“, die die nationale Unabhängigkeit zugunsten des globalen Klimaschutz untergraben.

Simplifizierung

Ein Kernelement der Verschwörungstheoretiker ist eine Komplexitätsreduktion, um den Erhalt eines bipolaren Weltbildes zu gewährleisten und der Gefolgschaft Sicherheit zu vorzugaukeln. Ihre Methoden dabei sind zudem die Verdrehung, Verfälschung von Tatsachen nebst schlichten Lügen und Verleugnungen. Auffällig ist darüber hinaus, dass nie vom kapitalistischen System die Rede ist, sondern nur von machtgierigen Konzernen und Wirtschaftsbossen – also auch hier wieder die Personalisierung. Die AfD verbindet die Ablehnung erneuerbarer Energien mit dem Vorwurf der ideologischen Technikfeindlichkeit der grünen Elite und spricht sich für die Nutzung von Atomkraft und Fracking aus. Nicht nur an dieser Stelle setzen die Faschisten eine ambivalente Wissenschafts- und Technikgläubigkeit ein.

Neben den dominanten Verschwörungsideologien (zum Beispiel QAnon, Great Reset, Chemtrails) findet sich die Behauptung einer inszenierten Klimakrise auch bei anderen Gruppen hier in Deutschland. Das Europäische Institut für Klima und Energie (EIKE) bezeichnet den Klimawandel als „Schwindel“ und das IPCC als „Klima-Gaukler“. Klimaleugner*innen treffen wir auch auf parteipolitischer Ebene, zum Beispiel bei führenden Politiker*innen der AfD und in den Wahlprogrammen der faschistischen Partei. Aber auch in der CDU und FDP finden sich zuhauf Klimaleugner*innen. So warnte der ehemalige Gesundheitsminister und Trump-Fan Jens Spahn (CDU) vor einer „Klimadiktatur“, ebenso wie der frühere FDP-Vizefraktionschef Michael Theurer vor einer „Öko-Diktatur“.

Dem Verein EIKE stehen sowohl Politiker*innen der AfD als auch von FDP und Union nahe. EIKE wiederum unterhält enge Beziehungen zum Heartland Institute. Diese US-Denkfabrik spielt eine zentrale Rolle in der Klimawandelleugnungsszene und wird von diversen Mineralölkonzernen mitfinanziert, darunter Exxon Mobil.

Sozial ungerecht

Das Narrativ einer drohenden Deindustrialisierung ist auch die Begründung für die Ablehnung von Klima- und Umweltschutzmaßnahmen für den Industriestandort Deutschland, der dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit verliere. Außerdem seien diese Maßnahmen immer sozial ungerecht und unausgewogen. Eine Politik, die auf Nachhaltigkeit setzt, erfolgt immer auf Kosten des Volkes und des „kleinen Mannes“, so die populistische Erzählung.

Auch dies folgt der bewährten Methode rechter Agitation: das angekündigte, aber nie ausgezahlte Klimageld zum Beispiel dürfte vielen präsent sein. Selbstredend ist Kritik an der Klimapolitik der Ampelregierung erforderlich! In seiner populistischen Aufladung aber wird der „grünen Elite“ und den umweltpolitischen Akteur*innen eine geplante Deindustrialisierung und eine mutwillige Zerstörung des deutschen Wirtschaftssystems unterstellt. Insbesondere die Transformation der Automobilindustrie und das Ende des Verbrennermotors wird dabei als Angriff auf das Herzstück der deutschen Wirtschaft stilisiert. Dass die massive Förderung der Elektromobilität nun in keiner Weise eine Transformation des kapitalistischen Wirtschaftssytems einläutet, könnten die Rechtspopulisten eigentlich sehr schön am chinesischen Kapitalismus ablesen.

Bevormundung

Die Erzählung von einer „freiheitsberaubenden Öko-Diktatur“ dient der pauschalen Ablehnung insbesondere im Bereich individueller Konsummuster und Verhaltensweisen. Umweltpolitische Regulierungen werden als autoritäre und antidemokratische Eingriffe in die persönlichen Freiheitsrechte verzerrt – ein Agitationsmuster, bei dem sich die populistische und neoliberale Rhetorik überschneiden. Hingegen wird die Wirkungsmacht des kapitalistischen Marktes mit seinen alltäglichen Zwängen und Zumutungen als naturgegeben hingenommen und gar nicht erörtert – dann wäre ja auch eine Auseinandersetzung mit dem kapitalistischen Wachstumsregime notwendig.

Dabei knüpft die Erzählung von der Ökodiktatur und einem drohenden Klimalockdown an Verschwörungsideologien während der Coronapandemie als eine Art Vorstufe auf dem Weg in die Klimadiktatur beziehungsweise eines “Great Resets“ an. Gegen die drohenden Freiheitseinschränkungen wird ein regelrechter Kulturkampf um die traditionelle Lebensweise (Fleischkonsum, Urlaubsflüge, Autofahren) geführt.

Heimat – Spargel

Auch die populistische Erzählung der Natur- und Heimatzerstörung durch die Energiewende dient der pauschalen Kritik eines „hysterischen Klimaalarmismus“. Dieses Narrativ lässt sich vor allem völkischen und rechtsextremen Kreisen zuordnen, jedoch findet die Argumentationsweise auch bei rechtspopulistischen Akteur*innen Anklang, beispielsweise, wenn von „grünen urbanen Eliten“ und Energiewende-Unternehmen die Rede ist, die sich auf Kosten einer heimatlichen Umwelt bereichern, so auch die von der AfD beeinflusste Bundesinitiative „Vernunftkraft e. V.“, die vor allem den Ausbau der Windenergie bekämpft.

Dabei ist die Argumentation der negativen Ästhetik von Windkraftanlagen auf das Landschaftsbild immer anzutreffen. Häufig wird von einer „Verspargelung“ der heimatlichen Umwelt gesprochen. Der Ausbau erneuerbarer Energien komme einer „Vernichtung“ der Kulturlandschaften gleich, so die AfD. Ähnlich auch der Kanzlerkandidat Merz, der sein Sauerland spargelfrei halten möchte. Auffällig ist hier ebenfalls die selektive Anwendung der Argumentationslogik: Während Windräder vermeintlich schöne Landschaftsbilder zerstören, gilt dieses Argument nicht für den Braunkohletagebau.

„Nicht ich, nicht jetzt, nicht so“

Seit einigen Jahren zeigt sich in Teilen der rechten Parteien weltweit, so auch unter den rechten Parteien im Europaparlament, eine neue Strategie: der Klimawandel wird nicht mehr geleugnet, sondern nur der „menschengemachte“. Die vorgesehene Maßnahmen seien alle „übereilt“, wir hätten noch viel Zeit (so auch Kanzlerkandidat Merz), außerdem seien sie zu teuer oder schlicht nicht umsetzbar oder schädigten unsere Natur, wie die Windkraft im deutschen Wald – und überhaupt: die anderen wie China oder Indien sollen erst einmal anfangen.

Ein Zwischenresumee: alle rechtspopulistischen Weltbilder arbeiten mit negativen Zukunftsbildern. Die ökologische Transformation wird mittels Emotionalisierung und Verschwörungserzählungen über die globale Elite zu einem die deutsche Volkssouvernität und den hart erarbeiteten Wohlstand bedrohenden schreckensbehafteten Zukunftsprojekt umgedeutet, welches die Sorgen und Ängste des gemeine Volkes vor der Klimakrise verstärken und in die Arme der Rechtspopulisten treibt. Das homogene Volk ist der ideologische Anker. Die AfD „verkauft nicht Frust oder Protest, sondern Befreiung und Erfüllung. Die Politik der Enthemmung entfaltet enorme Bindewirkung“, schreibt dazu Tadzio Müller.

Wahr ist, was Klicks bringt

Wie mensch mittlerweile weiß, hat das Internet eine erhebliche Verstärkungsfunktion für rechte, rechtsextreme Erzählungen erlangt, was eben auch von der AfD gespeist wird. Enthemmung, Hass und Lügen sind tagtäglich. Aber nicht nur durch Rechtspopulisten: denn Algorhitmen und Bots spielen eine erhebliche Rolle. Vor fünf Jahren erschienen Recherchen über das Verhalten von Internetnutzerinnen und Nutzern. Diese ergaben, dass in Sozialen Netzwerken vor allem diejenigen Meldungen als wahr angesehen werden, die oft geteilt und gelikt werden.

Die Social-Media-Konversation über die Klimakrise wird maßgeblich von einer Armee von automatischen Twitter-Bots geprägt. Laut einem Studienentwurf der US-amerikanischen Brown-Universität stammen rund ein Viertel aller Meldungen, die das Klima behandeln und jeden Tag auf Twitter verbreitet werden, von sogenannten Bots.

Ein Bot ist ein Computerprogramm, das automatisch sich wiederholende Botschaften absetzt, ohne dabei auf die Interaktion von Benutzerinnen oder Benutzer angewiesen zu sein. Wie der «Guardian» berichtet, zeigt die neue Analyse, dass die automatischen Computerprogramme einen erheblichen Einfluss auf die Verbreitung von Fake-News haben. Die erstaunlich hohe Aktivität der Twitter-Bots zu Themen im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung und der Klimakrise verzerre den Online-Diskurs, der damit weit mehr klimawissenschaftliche Lügen enthalte, als dies üblicherweise der Fall wäre.

Der spektakuläre Kniefall namhafter US-Techmilliadäre wie Zuckerberg oder Musk vor dem derzeit mächtigsten Faschisten der westlichen Welt verheißt nichts Gutes in Sachen Meinungsmanipulation in den sozialen Medien, nicht nur in der Frage des Klimawandels. @

Hauke Benner

 

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