"Sitaki nuclear!"
Kenia: Anhaltende Proteste der Bevölkerung gegen das von der Regierung geplante AKW in Uyombo- Bezirk Kilifi
von aaaRed
Die kenianische Regierung hat am 19. September24 mit den Vereinigten Staaten eine Absichtserklärung zur Entwicklung ihres zivilen Atomprogramms unterzeichnet. "Phase II des kenianischen Atomprogramms ist im Gange", schrieb die Kenyan Nuclear Energy Agency (Knra) begeistert. Diese Phase umfasst den Bau eines AKWs in Uyombo im Küstenbezirk Kilifi bis 2027. Der Netzanschluss ist für 2034 geplant. Die Kosten betragen 500 Milliarden kenianische Schilling (3,8 Milliarden Dollar). Das betroffene Dorf Uyombo wurde in keiner Phase des Planungsprozesses informiert oder konsultiert.
Der im vergangenen Jahr bekannt gewordene Plan der Regierung, ihr erstes AKW im Dorfgebiet von Uyombo im Bezirk Kilifi zu bauen, etwa 522 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Nairobi, beunruhigt viele der Bewohner*Innen. Kilifi County ist eines der bedeutendsten Touristenzentren an der Küste des Landes und bekannt für seine unberührten Sandstrände.
Das Gebiet umfasst das von der UNESCO zum Meeresbiosphärenreservat erklärte Malindi-Watamu und den Arabuko-Sokoke-Wald, die beide ökologisch und biologisch bedeutsam sind. Der ausgewählte Standort für den AKW-Bau, der Wald Arabuko Sokoke, der als Zufluchtsort für Vögel aus dem Ausland bekannt ist, wird verloren gehen. Er gehört zu einem von der UNESCO klassifizierten Naturschutzgebiet. Das Reservat ist nach Angaben der Vereinten Nationen ein bedeutender natürlicher Lebensraum für die Erhaltung seltener und gefährdeter Arten.
Widerstand der Bevölkerung
Die lokale Bevölkerung, insbesondere von Uyombo, kritisiert die mangelnde öffentliche Beteiligung an der Entscheidung für den AKW-Bau in ihrer Gemeinde und die Bedrohung des Ökosystems in ihrem Lebensraum durch das AKW-Projekt. Die Pläne sehen keine Konsultationen mit der örtlichen Bevölkerung vor, die befürchtet, dass die Reaktoren das einzigartige Meeresökosystem und die Lebensgrundlage der Gemeinde, die Fischerei, zerstören werden. Die Bevölkerung ist auch besorgt über mögliche Zwangsräumungen aus dem Gebiet. Sie weisen darauf hin, dass das Gebiet viele Fischarten und Korallen beherbergt, die nirgendwo sonst zu finden sind, und als Lebensraum und Schutzgebiet für Schildkröten, Delfine und Zugvögel dient. Die Küstenstädte im Osten Kenias sind außerdem vom Ökotourismus als Haupteinnahmequelle abhängig und ein AKW würde ihre Existenzgrundlage bedrohen.
Polizeigewalt gegen Demonstrierende
Seit Bekanntwerden der Regierungspläne haben die Bewohner*Innen in zahlreichen Demonstrationen ihren Protest öffentlich gemacht. Immer wieder ging die Polizei gewaltsam gegen die friedlich Demonstrierenden vor, mit exzessiver Gewalt, Schlägen, Verhaftungen und Einschüchterungen. Bereits im April und Mai 24 gab es im Dorf Uyombo einen brutalen Polizeieinsatz gegen die Bevölkerung und Umweltaktivist*Innen. Trotz friedlichen Protests reagierte die Polizei mit exzessiver Gewalt, verletzte mehrere Menschen und schoss in die Luft. Die Polizei feuerte fast 140 Schüsse und 70 Tränengasgranaten ab, um die Menge zu zerstreuen.
Zwei CJGEA-Aktivisten wurden von der Polizei verprügelt und verhaftet. Zwei von CJGEA ausgebildete Gemeindeaktivist*Innen wurden angegriffen und verhaftet, als sie zur Polizeistation gingen, um die Situation zu klären. Nach ihrer Verhaftung besuchte CJGEA-Programmmanager Gordian Kimbio die Polizeistation, um sich nach dem Wohlergehen der Häftlinge zu erkundigen und sich nach der Möglichkeit zu erkundigen, eine Kaution für ihre Freilassung zu stellen. Er wurde jedoch willkürlich festgenommen. Er verbrachte die Nacht im Gefängnis und wurde am nächsten Morgen freigelassen. Ihm wurde befohlen, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden, da ihm während der Ermittlungen eine erneute Verhaftung drohen würde.
"Die Polizei drang in die Häuser ein und warf Tränengas auf Frauen und Kinder", sagt Phyllis Omido. Sie selbst war zu der Zeit im Ausland und erfuhr, dass sie zur Verhaftung ausgeschrieben ist. Der Vorwurf: Sie habe die Gewalt in der Gemeinde angezettelt. Inzwischen ist die Aktivistin zurück in Kenia. Ihre Anwälte fordern Beweise. Bis jetzt wurden diese nicht geliefert und auch noch keine Anklage erhoben. "Die kenianische Verfassung gibt den Bürgern das Recht, an der Entscheidungsfindung teilzunehmen", sagt Omido. "Und sie erkennt auch das Recht auf eine saubere und gesunde Umwelt an. Leider haben sich die meisten Verantwortungsträger noch nicht an die neue Verfassung gehalten. Sie stecken noch in den alten Zeiten fest, als Kenia eine Diktatur war."
Phyllis Omido ist Preisträgerin des Right Livelihood Awards 2023, und Exekutivdirektorin der Organisation "CJGEA" ("Center for Justice Governance and Environmental Action" - Zentrum für Gerechtigkeit und Umweltmaßnahmen) Sie wollen den Bau des AKWs verhindern und unterstützen den Protest dagegen. "Wir haben den einzigen Küstenwald Ostafrikas, wir haben den Watamu-Meerespark, wir haben die größte Mangrovenplantage Kenias. Wir wollen nicht, dass Atomenergie unser Ökosystem zerstört", so Phyllis Omido.
Darum klären wir die betroffenen Gemeinden über die ökologischen und sozialen Gefahren der Atomkraft auf. Bislang ist die überwältigende Mehrheit sehr deutlich gegen den Bau des AKW.
Das Leitbild von CJGEA
Integration eines menschenrechtsbasierten Ansatzes in den Umweltschutz der marginalisierten und ignorierten Gemeinschaften im Umfeld von Rohstoffindustrien und hochgiftigen/gefährlichen Standorten. Wir unterstützen die betroffene Bevöllkerung und schaffen Möglichkeiten für sie, um die Verantwortung staatlicher und nichtstaatlicher Akteure für den Umweltschutz und den Zugang zu sozioökonomischen Rechten einzufordern und so die Armut, Ungerechtigkeit und Ungleichheit abzuschaffen, worunter die Bevölkerung rund um die Rohstoffindustrie leidet. Das haben wir bisher umgesetzt durch
die Entwicklung von Sach- und Handlungskompetenzen und einer Sensibilisierung für die Anliegen der Gemeinden durch die Organisation von öffentlichen Mahnwachen und Medienkampagnen;
durch Aufklärung der Gemeinden über lokale und internationale Instrumente, die für die Interessenvertretung zur Verfügung stehen, z.B. durch die Verbreitung von Informationen, Veröffentlichungen, Medienarbeit, Kampagnen und die Organisation von Veranstaltungen usw.,
Teilnahme an internationalen Netzwerken und Unterstützung von Gemeinden, dies ebenfalls zu tun.
Beeinflussung der politischen Entscheidungsprozesse, um eine bessere Gesetzgebung und Beschlussfassung in Umweltfragen zu erreichen.
www.centerforjgea
CIGEA hat verschiedene Anstrengungen unternommen habe, um in Dialog mit den Regierungsbehörden zu treten, ihre Initiativen seien jedoch, so Phyllis Omido, ignoriert worden. Omido betont, dass es kaum Raum für die Durchsetzung von Rechten gebe, wenn der Gemeinschaft der Zugang zu Informationen und partizipative Entscheidungsfindung verwehrt werde. Auch das Büro des kenianischen Ombudsmannes hat die mangelnde Informationsbereitschaft der Nuclear Power and Energy Agency und die mangelnde Einbindung der örtlichen Bevölkerung hinsichtlich der Pläne für das AKW kritisiert und forderte die Agentur auf, diese Mängel zu beheben.
Die Rechte der Gemeinschaft müssen respektiert werden.
Es ist besorgniserregend, so der Ombudsmann, dass die Bedenken der Bevölkerung bei der Planung des AKW nicht berücksichtigt wurden. Friedliche Proteste mit Gewalt und willkürlichen Verhaftungen zu beantworten, stellt eine Menschenrechtsverletzung dar. Anstatt sie einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen, sollten die kenianischen Behörden die Aktivitäten von Aktivist*Innen und Organisationen schützen, die die Rechte der Bevölkerung verteidigen. Auch die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte, Mary Lawlor, hat den Ernst der Lage hervorgehoben.
Petition und Klage
CJGEA reichte im November 2023 eine Petition im Parlament ein, die von über 3000 Menschen unterschrieben wurde. In der Petition wird eine unabhängige Untersuchung gefordert, warum ausgerechnet dieser unberührte Naturraum als Standort ausgewählt wurde. Zudem wird Kritik daran geäußert, dass die Bevölkerung nur begrenzte Informationen über das geplante AKW und die Kriterien für die Auswahl bevorzugter Standorte erhalten hat. Es werden die Bedenken hinsichtlich der Risiken für Gesundheit, Umwelt und Tourismus dargestellt. Kritisiert wird auch, dass das Land ein "Hochrisikounternehmen" plane, ohne dass angemessene rechtliche und Katastrophenschutzmaßnahmen vorhanden seien.
Die Petition drückt auch das Unbehagen der Bevölkerung über die Sicherheit und den Umgang mit radioaktivem Abfall in einem Land aus, das anfällig für Überschwemmungen und Dürren ist. "Es gibt noch nicht einmal einen realistischen Plan für die Entsorgung des Atommülls - die verantwortlichen Ministerien schlagen vor, den Atommüll ins All zu schießen!", so Phyllis Omido.
Der Senat setzte die Untersuchung aus, bis eine von zwei Anwälten im Juli eingereichte Klage verhandelt wurde. Die Klage zielt darauf ab, den Bau des AKWs zu stoppen, da die öffentlichen Versammlungen übereilt durchgeführt worden seien. Sie fordert die Nuclear Power and Energy Agency (Nupea) auf, das Projekt nicht zu starten.
Demonstration und Übergabe einer Petition an den Bezirksgouverneur
Die Gruppe "Muslime für Menschenrechte" (MUHURI) nahm am 12. Oktober 24 in Uyombo an einer Demo zum Büro des Bezirksgouverneurs teil, wo Demonstrierende ihm eine Petition gegen den Bau des AKW überreichten. Einige skandierten Anti-Atomkraft-Parolen, andere trugen Plakate mit der Aufschrift "Sitaki nuclear", was auf Swahili "Ich will keine Atomkraft" bedeutet.@
Quellen:
https://kios.fi/ 31.5.24
www.agenzianova.com 19.9.24
www.voanews.com 12.4.24
https://apnews.com 14.10.24