Rückbau des AKW Hamm-Uentrop:
Weiteres Milliarden-Euro schweres Atomdesaster?
von Dirk Seifert
Droht möglicherweise ein nächstes Milliarden Euro schweres Atommülldesaster in Sachen Atomenergie? Verantwortlich für den Rückbau der stillgelegten Atomkraftwerke sind die ehemaligen Betreiber. Für den nun anstehenden Rückbau des ehemaligen Atommeilers in Hamm wollen die Unternehmen RWE und einige Stadtwerke die Kosten nicht übernehmen. Nachdem sie vor Gericht mit einer Klage gescheitert sind, die Kosten auf den Staat zu übertragen, könnten sie jetzt möglicherweise einen Konkurs erklären und damit am Ende die Rückbaukosten auf die Steuerzahler*innen übertragen. Das könnte auch bei anderen Rückbauprojekten drohen.
Um die Lasten der Atomkonzerne zu reduzieren, hatte die damalige Bundesregierung 2017 mit Unterstützung der Grünen eine "Neuordnung" beim Atomausstieg vorgenommen. Der gesamte Bereich der Atomabfälle wurde verstaatlicht und gegen eine Einmalzahlung von rund 24 Mrd. Euro wurden RWE, Vattenfall, PreußenElektra und Eon sowie weitere kleiner beteiligte Unternehmen von der weiteren Kostenverantwortung endgültig befreit.
Um die Kosten für die Atommülllagerung zu finanzieren, wurde mit der Einlage der Atomkonzerne ein staatlicher Entsorgungsfonds (KENFO) gebildet, der über eine entsprechende Geldanlage und Verzinsung sicherstellen soll, dass die anfallenden Kosten über die nächsten Jahrzehnte auf Basis dieser Kapitaleinlage gesichert werden können. Angesichts der Unsicherheiten im Kapitalgeschäft und der vor wenigen Monaten verkündeten deutlichen Verlängerung bei der Endlagersuche um mehrere Jahrzehnte, könnte es zu schon in diesem Bereich zu erheblichen Problemen kommen, für die am Ende die Steuerzahler*innen gerade stehen müssten.
Für den Rückbau der Atomkraftwerke aber sollten die Betreiber weiterhin allein verantwortlich bleiben. Die dafür erforderlichen Summen sollten weiterhin über sogenannten Rückstellungen in den Konzernen bereitgestellt werden. Diese Rückstellungen bedeuteten obendrein großen Vorteile für die Unternehmen, denn sie waren bzw. sind steuerfrei, helfen den Unternehmen immer wieder auch bei der Finanzierung von anderen Projekten.
Auf eine Sicherung dieser Rückstellungen für den Abbau der Atommeiler in einem ebenfalls staatlich kontrollierten Fonds hat die Bundesregierung damals aber komplett verzichtet. Nicht einmal verbindlichen Vorschriften zum Umgang mit den Rückstellungen und deren Sicherung hatte die Bundesregierung erlassen oder gesetzlich geregelt. So hatten und haben die Konzerne weiterhin komplett freie Hand. Das war vielfach als naiv und kurzsichtig kritisiert worden, - oder aber Kalkül.
Im Verfahren zum Rückbau des Atomkraftwerks in Hamm, welches in den 1990er Jahren nach einer Reihe Störfälle stillgelegt werden musste, hatten die Betreiber, angeführt durch RWE versucht, die Kosten an den Bund zu übertragen. Eine entsprechende Klage ist vor Gericht zwar zunächst gescheitert, aber ein Schlupfloch blieb. Wären die Betreiber zahlungsunfähig, müssten die Steuerzahler*innen doch die finanzielle Verantwortung übernehmen.
Staatliche bzw. gesetzliche Sicherungen, dass die ehemaligen Atomkonzerne möglicherweise in laufenden Rückbauprojekten, die noch über Jahrzehnte laufen werden, ebenfalls in Zahlungsschwierigkeiten geraten könnten, gibt es nicht.@
//umweltfairaendern.de/ 16.9.24
von aaaRed
Der THTR Hamm-Uentrop ist ein Prototyp-AKW im nordrhein-westfälischen Hamm. Die eingesetzte Technik schaffte wegen erheblicher technischer Schwierigkeiten und fehlender Wirtschaftlichkeit aber nie die Marktreife. Der THTR wurde nach nur vier Jahren Betrieb 1988 stillgelegt.
Im Jahre 1967 wurde der AVR, der erste Prototyp eines "Kugelhaufenreaktors", am Forschungszentrum in Jülich mit einer Nennleistung von 15 Megawatt, in Betrieb genommen. Die Bauarbeiten am THTR-300 in Hamm/Uentrop begannen 1970 und sollten eigentlich 5 Jahre später beendet sein, es wurden aber 15 Jahre. Der THTR wurde als Prototyp für die kommerzielle Nutzung von Hochtemperaturreaktoren (HTR) gebaut.
Als die vorläufige Betriebsgenehmigung 1985 erteilt wurde, waren die Baukosten von den geplanten 0,69 Milliarden DM auf rund 4 Milliarden DM gestiegen. Die Kosten für Erhaltungsbetrieb und den temporären Einschluss des THTR belaufen sich auf 5,1 Millionen Euro jährlich, die zu je 50% von Bund und Land getragen werden.
Bei nur 423 Tagen Volllastbetriebsdauer ereigneten sich 125 meldepflichtige Störfälle Es gab häufig Bruchschäden an Brennelementen, Graphitdübel versagten, Brennelementekugeln verklemmten sich und so weiter. Der vermutlich schwerste Störfall ereignete sich am 04.05.1986: Bei einer manuellen Beschickung des Reaktors mit 41 Brennelementkugeln verklemmte die Anlage. Ergebnis waren 41 zerbrochene Brennelementkugeln und eine offene Gasschleuse. Der kontaminierte Staub der zerbrochenen Kugeln und jede Menge kontaminiertes Helium gelangten über den Abluftkamin in die Umgebungsluft. Gleichzeitig war ein wichtiges Messinstrument abgeschaltet, so dass nachher niemand sagen konnte, wie viel Strahlung wirklich freigesetzt wurde. Der Betreiber meldete den Unfall nicht und ging davon aus, die Radioaktivität aus Tschernobyl würde die Freisetzung kaschieren.
Protest
Schon früh formierte sich der Protest gegen den Reaktor. 1970 gab es erste Einsprüche. 1976 gründete sich die Bürgerinitiative Hamm. 1983 beteiligten sich 3.000 Menschen an einer ersten Groß-Demo. Im Zusammenanhang mit dem Störfall im THTR und in Tschernobyl 1986 protestierten Tausende in Hamm, das AKW wurde blockiert.
Stilllegung
November 1988: "vorsorgliches Stilllegungsbegehren" wegen gebrochener Haltebolzen in der Heißgasleitung.
01.09.1989: Endgültige Stilllegung beschlossen.
Auch nach seiner Stilllegung kam es im THTR zu einem lang andauernden Störfall mit einer Freisetzung von Radioaktivität. Der Strahlenschutzbericht der NRW-Landesregierung meldete am 8. Februar 1993: "Das in einem Raum der Gasreinigungsanlage vorgefundene Restwasser … hat eine Tritium-Aktivitätskonzentration von 1,5 Millionen Becquerel pro Liter." In dem etwa 4 m tieferen "Keller" des THTR war - nach dem Untersuchungsbericht des NRW-Wirtschaftsministeriums - das Grundwasser bis zu einer Höhe von 40 cm aufgestiegen. Insgesamt 7.000 Liter verseuchtes Wasser seien verschwunden