Nr. 310    Erscheinungtermin: 12.11.2024
(Ohn-)Macht überwinden
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76 Seiten
November 2024
Preis: 5,00 EUR



Inhaltsverzeichnis

Konditionierung auf der Asse?

Gesundheitsschäden durch freigesetzte Radionuklide

von Andreas Riekeberg, A2K

Viel beachtet ist die Planung der BGE, auf der Asse ein Atommüll-Zwischenlager zu errichten, das vorgeblich für den aus der Schachtanlage Asse II zurückzuholenden Atommüll gedacht sein soll. Der Rückhol-Plan der BGE vom Februar 2020 (offizieller Titel "Plan zur Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Schachtanlage Asse II") sieht hingegen auch "Abfallbehandlungsanlagen" vor. Hierzu zählt die BGE "Einrichtungen zur Charakterisierung" des Atommülls und "Einrichtungen zur Konditionierung". Beide sollen nach dem Willen der BGE eng verbunden werden.

Schon früh gab es in der Region Kritik an den absehbaren Planungen der BGE, denn nicht nur ein Zwischenlager, sondern besonders auch eine Konditionierungsanlage hätte weitere radioaktive Emissionen in den nahen Ortschaften an der Asse zur Folge - zusätzlich zu den erhöhten Emissionen bei der Rückholung.

Deswegen hatte der Asse II-Koordinationskreis (A2K) in seinen Grundsatz-Forderungen schon 2018 festgehalten: (20): "Dauerbelastung durch Konditionierungsanlage vermeiden!" und dazu erläutert "Wir fordern, dass die Planung des Betreibers von Asse II die Konditionierung an einem assefernen Standort einschließt. Dabei sollte aus Sicherheitsgründen und zur Minimierung der Dauerbelastungen der Anwohnerinnen und Anwohner ein deutlich größerer Abstand zur Wohnbebauung vorgesehen werden als es an der Schachtanlage Asse II möglich ist."

Und, um den von der BGE verlangten engen räumlichen Zusammenhang in Frage zu stellen, die Forderung 16 formuliert: "Wir fordern, dass die Planung von Anlagen zur Pufferlagerung, Konditionierung und Zwischenlagerung eine klare Trennung dieser Anlagen aufweist, damit die Möglichkeit einer räumlichen Trennung offen gehalten wird. Der Auswahlprozess dieser Anlagen muss in der Öffentlichkeit transparent und nachvollziehbar geführt werden."

Sehr misstrauisch macht der Plan der BGE, bei der Konditionierung des Atommülls die Annahmebedingungen für Schacht Konrad zugrunde zu legen, obwohl für den Atommüll aus Asse II ein Endlager derzeit noch nicht einmal aktiv gesucht wird - und also künftige Annahmebedingungen noch Jahrzehnte lange nicht aufgestellt werden können. Die Konsequenz daraus, dass "derzeit weder die Endlagerbedingungen für ein zukünftiges Endlager bekannt sind noch welche Annahmebedingungen für die Zwischenlagerung zugrunde zu legen sind" (BGE Rückholplan, S. 78) müsste doch sein: Schleunigst ein Endlager suchen und eine Konditionierungsanlage nach den dann aufzustellenden Annahmebedingungen auslegen.

So wächst der Verdacht, dass aus dem Zwischenlager an der Asse und einer Konditionierungsanlage am Ende ein "Logistikzentrum" für Schacht Konrad werden könnte, der nach dem Willen der BGE irgendwann um 2030 als Endlager in Betrieb gehen soll. Verstärkt wird der Verdacht durch die Bundesverkehrswegeplanung, in unter "Vordringlicher Bedarf" eine Ortsumgehung Wolfenbüttel von der A36 an die Asse bei Denkte und unter "weiterer Bedarf" eine Umgehungsstraßen von der Asse ins Salzgittergebiet vorsieht (siehe Ausschnitt aus dem BVWP). Diese Straßenbauplanung würde hervorragend passen, wollte man über die A2/A36 Atommüll an die Asse zu einer Konditionierungsanlage schaffen wollen und konditionierte konradgängige Gebinde dann zu Schacht Konrad.

Auch verlangsamt die Errichtung neuer Atomanlagen die offiziell gewollte Rückholung des Atommülls aus Asse II. Solche Anlagen haben unweigerlich zusätzliche radioaktive Emissionen zur Folge. Die BGE schreibt aber selber in ihrem "Rückholplan", es "stellen die zu genehmigenden jährlichen Ableitungswerte für den Standort Asse einen wesentlichen limitierenden Faktor für eine weitreichende Parallelisierung der Rückholung dar." (S. 136) Wenn schon kaum mehrere Kammern gleichzeitig geräumt werden können, weil die maximalen Ableitungswerte erreicht werden - wie viel mehr wäre dann eine Konditionierungsanlage mit ihren Ableitungen ein unvermeidlicher Hemmschuh für eine zügige Rückholung des Atommülls aus Asse II.

Die Charakterisierung und Konditionierung ist dabei überhaupt nicht zwangsläufig an der Asse notwendig. Schon seit 2011 existiert ein "Standortunabhängiges Konzept für die Nachqualifizierung und Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle aus der Schachtanlage Asse II". Es stellt dar, wie rückgeholter Atommüll fern von Wohnorten untersucht und verpackt werden könnte. Die Befürworter einer Konditionierungsanlage an der Asse mögen dieses Konzept allerdings gar nicht und versuchen es zu verschweigen und zu diskreditieren.

Nun können Anhänger:innen der Losung "nichts rein - nichts raus" einwenden, dass ein "Standortunabhängiges Konzept" die Transporte von Atommüll impliziere und die Forderung nach einer Asse-fernen Konditionierung des Atommülls dem angenommenen Konsens der Anti-Atom-Bewegung widerspreche. In der Tat sehen die Initiativen und Aktivist:innen rund um Asse II nicht in Transporten das Hauptproblem. Das Hauptproblem ist vielmehr die Belastung von Menschen, die in der Nähe von Atomanlagen wohnen durch die Ableitungen von Radionukliden aus diesen Anlagen. Das war anders bei den Castor-Transporten: Da belastete die direkte Neutronenstrahlung aus den Kernbrennstoffen die Wachmannschaften und die Anwohner:innen von Transportstrecken und die Verhinderung unsinniger Transporte war ein sinnvolles Hauptziel.

Bei schwach- und mittelradioaktivem Atommüll hingegen ist das die Ableitung vor allem von Tritium und Kohlenstoff 14. Diese radioaktiven Atome können sich ins menschliche Gewebe einlagern, zu einem späteren Zeitpunkt zerfallen und Zellschäden oder DNA-Brüche hervorrufen und Krankheiten auslösen. Deswegen eint die Asse-Aktivisten und die Streiter gegen die Atomanlage von Eckert und Ziegler in Braunschweig der Slogan "Kein Atommüll an Wohngebiete". Für die Gefahren und Belastungen, die von Atommüll ausgehen, ist es durchaus relevant, wo Atommüll gelagert oder gar verarbeitet wird. Faustformel: Je größer der Abstand, desto geringer die Belastung von Anwohner:innen.

Im Fall von Asse II war es denn auch das BfS unter dem grünen Präsidenten Wolfram König , die mit dem manipulativ verwendeten Transport-Argument ein Zwischenlager auf der Asse begründen wollten. Es verglich die Direktstrahlungs-Belastung eines Atommüll-LKW-Fahrers mit der Direktstrahlungs-Belastung von Anwohner:innen in der 1000 m vom Schacht entfernten Ortschaft Remlingen. Unter den Tisch fielen dabei die Belastungen durch die Ableitung von C-14 und Tritium, die mit dem Wind leicht in die umliegenden Ortschaften geleitet werden, und das BfS ließ außerdem die Möglichkeit von Bahntransporten völlig außer acht.

Spätestens dann, wenn staatliche Einrichtungen die Argumentationen der Anti-Atom-Bewegung aufgreifen und mit ihr die Errichtung neuer Atomanlagen untermauern wollen, sollte die Anti-Atom-Bewegung ihre Argumentation selbstkritisch prüfen, genauer hinsehen wofür und wogegen man spricht und realitätsgerechtere Argumentationen entwickeln.

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