Atomwaffen-Komponenten aus zivilen AKWs
Grenzen zwischen ziviler und militärischer Nutzung der Atomenergie verschwimmen
Frankreich folgt Beispiel der USA
von aaaRed
Wer Atomwaffen herstellen will, braucht nicht nur hochangereichertes Uran235 oder Plutonium239, sondern besser auch Tritium als Sprengkraftverstärker. Die USA haben schon vor Anfang der 2000er Jahre einen zivilen Atommeiler zur Stromerzeugung in das militärische Atomwaffenprogramm zur Herstellung von Tritium umfunktioniert. Künftig soll möglicherweise noch ein weiteres AKW einbezogen werden. Nun will auch Frankreich im kommenden Jahr die militärische Aufrüstung für alte und neue Atomwaffen mit der zivilen Atomstromerzeugung weiter verknüpfen.
Das AKW Civaux wurde ausgewählt, da es das „jüngste“ betriebsbereite AKW des französischen Kraftwerksparks ist und folglich die bislang größtmögliche Lebensdauer hat. Frankreichs Präsident Macron hatte schon vor Jahren erklärt: “Ohne zivile Atomkraft keine militärische Atomkraft, ohne militärische Atomkraft keine zivile Atomkraft”.
Klar ist: Die Trennung zwischen der zivilen und militärischen Nutzung der Atomenergie, die im Atomwaffensperrvertrag geregelt ist, wird immer mehr aufgeweicht. In einer Zeit, in der immer mehr Staaten den Griff zur Atomwaffe mehr oder weniger deutlich formulieren, ein Spiel mit dem Feuer.
- Die Bedeutung von Tritium für die Herstellung von Atomsprengköpfen.
Tritium hat eine Halbwertzeit von etwas über 12 Jahren und muss daher in den Atomsprengköpfen regelmäßig erneuert und ausgetauscht werden. In den USA und wohl auch in Frankreich werden dazu spezielle Absorber-Stäbe eingesetzt, in denen Lithium im Reaktor bestrahlt wird. In den USA ist das AKW Watts Bar dafür im Einsatz. In Frankreich soll das künftig im AKW Civaux erfolgen.
Frankreichs Verteidigungsmnister stellte Anfang März 2023 einen Plan vor, das von EDF betriebene AKW Civaux mit seinen beiden Reaktoren zur Herstellung von Tritium für das französische Atomwaffenprogramm zu nutzen. Civaux ist ein ziviles AKW, das der Electricité de France (EDF) gehört und von dem staatlichen Stromkonzern betrieben wird. Anschließend soll der superschwere Wasserstoff – das Tritium – auf dem Gelände des Commissariat à l’énergie atomique (CEA), der französischen Einrichtung für wissenschaftliche und industrielle Atomforschung, extrahiert werden.
Die Atomaufsichtsbehörde/L’Autorité de Sûreté Nucléaire strebt demnach an, im September 2024 eine Genehmigung für diese zivil-militärische Zusammenarbeit zu erteilen. Das AKW Civaux soll zur Herstellung von radioaktivem Material für das Commissariat à l‘Energie Atomique (CEA) herangezogen werden.
Für dieses seit den 1990er Jahren angestrebte Vorhaben gibt es nun einen Zeitplan. Derzeit wird ein Genehmigungsantrag bei der französischen Atomaufsichtsbehörde (Autorité de Sûreté Nucléaire) gestellt, der voraussichtlich im September 2024 geprüft wird. Ziel ist es, bei einem Produktionsstopp eines der Reaktoren im Jahr 2025 einen ersten Test durchzuführen.
- Eine Premiere in Frankreich?
Eine derartige Einbindung eines zivilen AKW in die Verteidigungsindustrie ist in Frankreich angeblich ein Novum. Allerdings gibt es Hinweise, dass Frankreich nicht zum ersten Mal zivile nukleare Infrastruktur für militärische Bedürfnisse im Atomwaffenprogramm einsetzt
- Die Stromerzeugung und Produktion von Plutonium und Tritium für Atomwaffen am CEA-Atomzentrum Marcoule
Mit der Entscheidung Frankreichs, Atommacht zu werden, mussten Methoden zur Herstellung von Plutonium entwickelt werden. Dafür gründete das Commissariat à l‘énergie atomique (CEA)1955 ein Produktionszentrum „Centre de Production de Plutonium de Marcoule“.
Zwischen 1956 und 1960 gingen in Marcoule 3 gasgekühlte Reaktoren (G1-3) in Betrieb. Sie dienten der Produktion von waffenfähigem Plutonium für die ersten französischen Atomwaffen und lieferten auch Strom ins kommerzielle Stromnetz. Von 1958 bis 1992 trennte die Wiederaufarbeitungsanlage UP1 per Lösungsmittelextraktion waffenfähiges Plutonium aus den Brennelementen der drei Reaktoren ab. Der Gesamtertrag wurde auf mehr als 2,5 Tonnen geschätzt. Der Rückbau der Anlage begann 1998. 1967/68 gingen am Standort Marcoule zwei Schwerwasserreaktoren (Celestin-1 und -2) mit einer thermischen Leistung von je 200 MW in Betrieb. Sie dienten zunächst zur Produktion von Tritium für Wasserstoffbomben. Das Tritium wurde in der Wiederaufarbeitungsanlage UP 1 in Marcoule vom bestrahlten Brennstoff abgetrennt.
Nach der Stilllegung der für die militärische Plutoniumproduktion genutzten gasgekühlten Reaktoren G-1 und G-2 in Marcoule wurden die Celestin-Reaktoren umgebaut, so dass sie auch diese Aufgabe übernehmen konnten. Beide Reaktoren wurden 2009 außer Betrieb genommen.
1973 ging AKW Phenix auf dem Areal Marcoule – einer der wenigen Brutreaktoren, die zur kommerziellen Stromerzeugung als auch der Erzeugung von waffenfähigem Plutonium verwendet wurden – in Betrieb. Nach mehreren Unterbrechungen wurde er 2010 abgeschaltet.
- Die Wideraufbereitungsanlage UP1
Die UP 1 (Usine Plutonium= Plutoniumfabrik= WAA) wurde im Januar 1958 in Betrieb genommen. Sie separierte über den PUREX-Extraktionsprozess bis August 1984 aus rund 10.000 Tonnen bestrahltem Brennstoff aus den gasgekühlten Reaktoren G-1, G-2 und G-3 in Marcoule über 2,5 Tonnen Plutonium für militärische Zwecke. 1992 endete die Plutoniumproduktion in UP 1, 1998 wurde mit dem Rückbau begonnen. 1967 wurde die UP 2 in La Hague (Frankreich) eröffnet.
Aktuelle Bestrebungen
Jetzt soll das von EDF betriebene AKW Civaux mit seinen beiden Reaktoren zur Herstellung von Tritium für das französische Atomwaffenprogramm genutzt werden.
- Eine in die Stromerzeugung integrierte Technik
Mit Unterstützung der CEA ( Commissariat à l‘Energie Atomique) soll jetzt im AKW Civaux eine Bestrahlungseinheit eingerichtet. Zur Herstellung von Tritium muss lithiumhaltiges Material bestrahlt werden, indem es den in einem Reaktorkern vorhandenen Neutronenflüssen ausgesetzt wird.
In den Reaktorkern werden zwischen den normalen Brennstoffen lithiumhaltige Materialien eingebracht. Sie bleiben für einen Zyklus (etwa 16 Monate) an Ort und Stelle, werden dann in radioaktivitätsdichte Behälter entladen und zur CEA gebracht. Aus dem bestrahlten Material kann dort Tritium extrahiert werden, das in der Natur in gasförmiger Form praktisch nicht vorkommt. „Das ist ein seltenes Gas, das für die Atomwaffen unerlässlich ist“, heißt es in der Erklärung des Ministeriums.
USA: Technik der Tritium-Extraktion wird bereits seit mehr als 20 Jahren imAKW Watts Bar praktiziert
Die Technologie, die im AKW Civaux verwendet werden soll, ist nicht völlig neu, da sie in den USA bereits seit über 20 Jahren in einem von der Tennesse Valley Authority (TVA) betriebenen AKW Watts Bar praktiziert wird. Die Nuclear Regulatory Commission (NRC) hat die Lizenz für Watts Bar im September 2002 erweitert, damit die TVA spezielle Brennstäbe zur Produktion von Tritium einsetzen darf. Das Tritium wurde für das Energieministerium (DOE) Abteilung National Nuclear Security produziert.Die Lizenz erlaubt den Einsatz von bis zu 240 dieser Brennstäbe. Es ist geplant, die Lizenz zu erweitern, sodass bis zu 2304 Brennstäbe in Watts Bar-1 eingesetzt werden können.
Die TVA begann mit der Bestrahlung der Stäbe im Oktober 2003. Die Stäbe wurden im Frühjahr 2005 entnommen. Die DOE fuhr die Stäbe dann zur Tritium-Extraktion nach South Carolina zur Savannah River Site. Die TVA bekommt die Kosten für die Bestrahlung ersetzt und einen Bonus für jeden Brennstab. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 30 Jahren und gilt auch für das AKW Sequoyah im US-Bundesstaat Tennessee. Es wird eine Produktion von 1,5 bis 3 kg Tritium erwartet. TVA wird dafür etwa zehn Millionen Dollar erhalten.
Das Kernproblem – eine zivile Anlage wird für militärische Zwecke benutzt – wurde auch erkannt, aber wegen der sonst anfallenden Mehrkosten für einen Militärreaktor beiseite gestellt.@
Quellen:
//france3-regions18.3.24
//umweltfairaendern.de 24.4.24
//atomkraftwerkeplag.fandom.com
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