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Sind die Ereignisse von Hiroshima und Nagasaki bereits in Vergessenheit geraten? Ist aus dem kollektiven Bewusstsein verschwunden, was die Atomwaffentests über dem Bikini-Atoll, über Mururoa, den Wüstengebieten in der Sahara oder der Steppe in Kasachstan angerichtet haben? Dieser Eindruck könnte entstehen, so scheinbar sorglos, wie heutzutage über die Gefahr des atomaren overkills dahergeredet wird. Eine „Expertin“ liefert ein erschreckendes Beispiel dafür, wenn sie im Interview erklärt, sie halte es für notwendig, das „Verständnis für die nukleare Abschreckung zu schärfen“.
Wir dokumentieren dieses Gespräch, stellen dem aber Beiträge voran, in denen das Bemühen deutlich wird, Erinnerung lebendig zu erhalten. Für diese Ausgabe sind wir unter anderem auf die Form der Bildbesprechung gestoßen, die uns sehr außergewöhnlich erscheint: ein Kulturhistoriker nimmt eine ikonografische Einordnung eines Plakats vor. Diese Grafik ist zwar jetzt schon wieder dreißig Jahre alt. Wie im Vortrag gezeigt wird, hat sie aber auch heute, im Jahre 79 des Atombombenzeitalters, sehr wohl das Potential, mahnend dafür einzutreten, dass ein solcher Kulturbruch sich nicht wiederholt. Viele Initiativen in sozialer Bewegung werden mit unterschiedlichen Veranstaltungsformaten genau für diese Überzeugung eintreten.
Denn das Szenario eines nuklearen Winters nach einem atomaren Schlagabtausch war über Jahrzehnte im gesellschaftlichen Diskurs präsent und ist es bis heute. Zur Narkotisierung gab es die Idee der „Nuklearen Abschreckung“; ihr liegt die Vorstellung zugrunde, die Schrecklichkeiten ungeheurer Zerstörung ließen sich in einer Balance halten: aus der austarierten Drohung mit den Möglichkeiten gegenseitiger völliger Vernichtung erwüchse ein „Gleichgewicht des Schreckens“. Wie fragil diese Vorstellung ist, müssten eigentlich alle wissen.
Und doch wird sie in „strategischer Kommunikation“ wiederholt und wiederholt und wiederholt. Der stete Tropfen ist dazu da, um zu höhlen: in diesem Fall nicht einen Stein, sondern die über viele Jahre allgemein verbreitete und gut begründete Überzeugung, dass abrüsten besser ist als aufrüsten. Wir ordnen ihn ein in eine Reihe von
Bemühungen, gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten zu verschieben. Was kann
gedacht, was kann gesagt, was kann als Option ernsthaft erwogen werden?
Dass Politik und Militär daran arbeiten, gesellschaftlichen Diskurs in ihrem Sinn zu
beeinflussen, ist sicher nichts grundlegend Neues. Anders geworden scheint aber die
Intensität, mit der sie solche Anstrengungen derzeit verfolgen, wie die Beiträge zum Krieg um die Köpfe und die kognitive Kriegsführung aufzeigen. Mit Blick auf die aktuell geplante massive Aufrüstung stellt sich die Frage, in wieweit sie bereits wirksam sind. Es ist höchste Zeit, sich in Erinnerung zu rufen: auch soziale Bewegung kann in der
gesellschaftlichen Debatte eine wirksame Akteuse sein. Die Stationierung von Mittelstreckenraketen stand schon einmal im Mittelpunkt großer Auseinandersetzungen.
Wie gelingt es, die Ohnmacht zu durchbrechen?
Genau hinzuschauen kann für den
Anfang jedenfalls nicht schaden.
ciaaao
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