Lithium-Abbau bedroht Mensch und Natur Wassermangel droht aus: brot für die Welt Im Salzsee von Uyuni lagern gigantische Lithiumvorkommen. Doch ihr geplanter Abbau könnte katastrophale Folgen für Mensch und Natur haben. "Es ist Zeit, dass wir unsere Stimme erheben", ruft Edson Muraña ins Gemeindezentrum von Julaca. Während draußen der Wind über den staubigen Dorfplatz pfeift und mit voller Wucht am Wellblechdach rüttelt, sitzen drinnen ein Dutzend Männer und Frauen mit breitkrempigen Hüten, Ponchos und bunten Webtüchern und starren fassungslos auf eine weiße Tafel mit Skizzen, Zahlen und Fakten. Umweltexperte Gonzalo Mondaca von der Organisation CEDIB hat ihnen gerade die möglichen Folgen des Lithiumabbaus in ihrer Heimat vorgetragen: extremer Wassermangel, riesige Müllberge, ungeklärte Abwasser. "Wovon sollen wir in Zukunft leben?", fragt eine junge Frau besorgt.
Das Dorf Julaca liegt auf einer Halbinsel im Salar de Uyuni. Der größte Salzsee der Erde umfasst knapp 11.000 Quadratkilometer. Die schier endlose weiße Fläche ist mehr als vier Mal so groß wie das Saarland und erstreckt sich auf einer Höhe von 3.653 Metern zwischen den majestätischen Gipfeln der Anden. Seltene Spezies wie Flamingos, Adler oder Vicuñas - wilde Verwandte der Lamas - leben in dem einzigartigen Ökosystem. Meterhohe Kakteen, Heilkräuter und Hochmoore bilden die abwechslungsreiche Flora der umgebenden Berglandschaft. Die Menschen hier leben seit Jahrhunderten vom Quinoaanbau, der Lamazucht und dem Salzabbau. Inzwischen ist auch der Tourismus eine wichtige Einkommensquelle.
Doch unter der massiven Salzkruste des Salar de Uyuni und seiner benachbarten Salzseen lagern auch die größten Lithiumvorkommen weltweit. Satte 21 Millionen Tonnen, knapp ein Viertel aller weltweiten Ressourcen, haben sich über Jahrtausende hinweg in der mineralhaltigen Sole gebildet. Wegen seiner hohen Leitfähigkeit gilt Lithium als wichtiger Rohstoff für die Energiewende. Das Leichtmetall bildet die Grundlage für leistungsstarke Batterien von Elektroautos, Smartphones und Solarstromspeichern. Die bolivianische Regierung will diesen Schatz heben.
"Die Lithiumförderung bietet Chancen - aber nur, wenn die Gewinne in der Region bleiben und die Umwelt geschützt wird", sagt Edson Muraña am Tag darauf vor der lehmverputzten Berghütte seiner Familie. In der bescheidenen Unterkunft ohne Strom und Toilette verbringen seine Mutter und sein Großvater viele Nächte, um die 78 Lamas der Familie zu hüten und ihren Hektar Land zu bestellen. "Das hier ist meine Heimat", sagt der erdverbundene Bauernsohn. "Unsere Kinder sollen hier einmal ein gutes Leben haben." Deshalb wolle er mitentscheiden, ob und wie Lithium abgebaut wird. "Ich mache mir große Sorgen um unser Wasser, denn der Lithiumabbau verbraucht riesige Mengen davon und wir leben in einer wüstenähnlichen Gegend."
Laut Gesetz muss die Bevölkerung bei Großprojekten wie der Lithiumförderung im Vorfeld eingebunden werden. Machbarkeits- und Umweltstudien müssen die Auswirkungen auf Mensch und Natur prüfen. "Die Regierung verweigert aber jegliche Information", schimpft Edson Muraña. Deshalb hat er zusammen mit dem Dokumentations- und Forschungszentrum CEDIB eine Aufklärungskampagne in seinem Landkreis Colcha K organisiert. Fünf Tage lang fährt er mit einem Team der Partnerorganisation von Brot für die Welt von Dorf zu Dorf, um auf Plätzen und Schulhöfen, in Gemeinschaftszentren und Klassenzimmern über Chancen und Risiken des Lithiumabbaus zu informieren. "Der Lithiumboom wird vorübergehen", meint Edson Muraña. "Doch wir wollen uns danach immer noch von unserem Land ernähren können."
Rohstoffe stehen am Beginn der Wertschöpfungsketten und sind Grundlage des weltweiten Wohlstands. Doch vom Rohstoffreichtum in den Ländern des Globalen Südens profitieren nur wenige, viele leiden unter den unhaltbaren Zuständen bei Abbau und Verarbeitung. Die Lebensgeschichten, die in einem Smartphone stecken, sieht man ihm nicht an. Es braucht Rohstoffe wie Kupfer, Gold oder Tantal, das aus Coltan gewonnen wird. In den Coltan-Minen des Kongo müssen Kinder arbeiten, die Goldminen in Brasilien vergiften Flüsse und Menschen mit Arsen, für Kupferminen in Peru werden ganze Dorfgemeinschaften zwangsumgesiedelt. Aus den Rohstoffen werden dann Leiterplatten, SIM-Karten und Kondensatoren hergestellt, meist in China, von unterbezahlten Arbeiterinnen und Arbeitern, die bis zu 180 Überstunden im Monat machen müssen, keine Schutzkleidung bekommen und bei Fehlern mit Lohnabzug bestraft werden. Die Wertschöpfung geschieht oft auf Kosten der Ärmsten und Schwächsten.
Das Unrecht beginnt meist schon mit der Ausbeutung der Rohstoffe. Eindeutig ist das in Bürgerkriegsländern, wenn bewaffnete Gruppen am Verkauf verdienen. Sogenannte Konfliktrohstoffe kommen beispielsweise aus der Demokratischen Republik Kongo. Mit dem Kauf von Gold, Zinn oder Coltan aus solchen Gebieten finanzieren Unternehmen und deren Kunden ziemlich direkt Warlords und Kriege. In anderen Ländern werden oft Arbeitsrechte, Umweltschutz und Menschenrechte missachtet. Verbindliche und sanktionsfähige Vorschriften für international agierende Unternehmen fehlen meist.@ aus: Brot für die Welt |
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