Vorspann zum Text: "Rückkehr zur Atomenergie"
von aaaRed

Atomenergiegipfel in Brüssel
Verdreifachung der Atomenergie bis 2050?


eigener Kommentar

Für die Entwicklung unseres herrschenden kapitalistischen Wirtschaftssystes ist unbegrenztes Wachstum unabdingbar. Energie spielt dabei eine Schlüsselrolle. So hat die Vision von unbegrenzter Energie von Anfang an die Entwicklung der atomaren Stromerzeugung vorangetrieben. Gleichzeitig sollte die atomare Aufrüstung zumindest das Gefühl vermitteln, im weltweiten Kampf um ökonomische und politische Macht abgesichert zu sein. Die Sicherheit der Menschen und ihre Gefährdung - sowohl durch den Uranabbau als auch durch die Atomanlagen im Normalbetrieb, bei "Störfällen", bei Umweltkatastrophen oder kriegerischen Auseinandersetzungen etcetera, - standen dabei nie im Vordergrund.

Angesichts des Klimawandels wird jetzt eine Energiewende weg von fossiler Energie als notwendig angesehen. Was die Konkurrenz der Industriestaaten um die Ausbeutung der dafür nötigen Ressourcen weltweit mit sich bringt an Umweltzerstörung und Folgen für die Menschen des globalen Südens, wird in unserem Schwerpunktthema deutlich. Und auch, dass mit erneuerbaren Energien und technologischen Weiterentwicklungen allein der Klimawandel nicht gestoppt werden kann. Dass Atomenergie trotz des Wissens um ihre Gefahren plötzlich wieder an Bedeutung gewinnt und zusammen mit "Energiewende" zur Retterin des Klimas erklärt wird (obwohl viele Argumente das widerlegen), fühlt sich an wie ein weiterer verzweifelter Versuch, das herrschende Wirtschaftssystem und unsere imperiale Lebensweise, - unseren Wohlstand - zu retten und auch ihre militärische "Absicherung" durch Atomwaffen nicht aufzugeben. Denn diese Wiederbelebung der Atomenergie wird auch geopolitische Herausforderungen und Folgen haben.

Dass dieser Zusammenhang so klar und deutlich ausgesprochen wird wie im folgenden Text zum Atomgipfel, ist erstaunlich und auch beunruhigend. Es bedeutet auch: für die antiAtombewegung und andere soziale Bewegungen gibt es noch viel zu tun!@


"Die Beibehaltung unserer [aaaRed: hier fehlt das Wort "imperialen"] Lebensweise bei gleichzeitiger Reduzierung der Treibhausgasemissionen erfordert Atomenergie"

Rückkehr zur Atomenergie

von Dr. Helene Lavoix MSc PhD Lond

Am 21. März 2024 trafen sich in Brüssel zweiunddreißig Staats- und Regierungschefs sowie Sonderbeauftragte zu einem Gipfel, der trotz der hohen Teilnehmerzahl kaum Beachtung in den Medien fand. Es handelte sich um den ersten Atomenergie-Gipfel, der gemeinsam von der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und Belgien ausgerichtet wurde.

Warum kommt die Atomenergie wieder auf die Tagesordnung und warum ist das Interesse so groß? Was haben die Staats- und Regierungschefs beschlossen und welche Staats- und Regierungschefs? Könnte die Wiederbelebung des Interesses an der Atomenergie neue geopolitische Herausforderungen mit sich bringen? Diese Fragen werden in diesem Artikel untersucht und beantwortet, wobei als Beispiel für Geopolitik und Energiesicherheit der französisch-mongolische Uranhandel im Wert von 1,6 Milliarden Euro herangezogen wird.

  • Warum Atomenergie zunehmend an Bedeutung gewinnt

Die Beibehaltung unserer Lebensweise bei gleichzeitiger Reduzierung der Treibhausgasemissionen erfordert Atomenergie

Energie ist ein grundlegendes Element des Lebens. Energie ist der Schlüssel für die Entwicklung aller Aktivitäten, die einer Zivilisation zugrunde liegen. Thomas Homer-Dixon betonte, dass Energie eine Hauptressource ist. Energie ist in der Tat auf jeder Stufe der Nahrungskette vorhanden und unentbehrlich - wobei die Nahrung selbst Energie ist - bis hin zu Transport, Industrie, Handel und Verfügbarkeit von Waren, Verteidigung usw.

  • Weltklimakonferenz COP28

Die 22 Unterzeichner der "Erklärung zur Verdreifachung der Atomenergie bis 2050" auf der Weltklimakonferenz COP28 in der Dubi im Dezember 2023 waren Bulgarien, Kanada, die Tschechische Republik, Finnland, Frankreich, Ghana, Ungarn, Japan, Moldawien, die Mongolei, Marokko, die Niederlande, Polen, Rumänien, die Slowakei, Slowenien, Südkorea, Schweden, die Ukraine, die Vereinigten Arabischen Emirate, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten. China und Russland gehörten also zunächst nicht zu den Unterzeichnern, obwohl ihre Rolle in der nuklearen Stromerzeugung wächst. So sind beispielsweise 27 der 31 seit 2017 gebauten Reaktoren russischer oder chinesischer Bauart.

Ein paar Tage später, am 5. Dezember, zog die Atomindustrie nach. "120 Unternehmen, die ihren Hauptsitz in 25 Ländern haben und in über 140 Ländern weltweit tätig sind", unterstützten die Net Zero Nuclear Industry Pledge. Auf Branchenebene gehörte Russland über Rosatom zu den Unterzeichnern. Allerdings haben weder der CNNC, der die Initiative zwar unterstützt hat, noch die China General Nuclear Power Group (CGN) die Zusage unterzeichnet. Es überrascht nicht, dass Geopolitik und nationale Interessen ebenfalls Teil der Agenda sind.

  • Der erste Atomenergie-Gipfel

Im Anschluss an die "Erklärung zur Verdreifachung der Atomenergie bis 2050" und wie im Dezember 2023 versprochen, haben die Regierungen und internationalen Organisationen am 21. März 2024 den ersten Atomenergie-Gipfel einberufen.

Im Vorfeld des Gipfels am 21. März bekräftigten die Mitglieder der am 28. Februar 2023 gegründeten Europäischen Atomallianz (Bulgarien, Kroatien, Tschechische Republik, Finnland, Frankreich, Ungarn, Niederlande, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien und Schweden) ihr Bekenntnis zur Atomenergie neben den erneuerbaren Energien (Erklärung der EU-Atomallianz - Sitzung vom 4. März 2024).

Schließlich nahmen von den ursprünglich 22 Ländern, die an der Erklärung vom Dezember 2023 beteiligt waren, 33 Länder am Atomenergiegipfel teil und unterzeichneten die neue "Atomenergieerklärung": "Wir, die Staats- und Regierungschefs der Länder, die AKWs betreiben, ausbauen oder die Option der Atomenergie in Betracht ziehen, ... bekräftigen unser starkes Engagement für die Atomenergie als Schlüsselkomponente unserer globalen Strategie zur Verringerung der Treibhausgasemissionen aus dem Strom- und Industriesektor, zur Gewährleistung der Energiesicherheit, zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit der Energieversorgung und zur Förderung einer langfristigen nachhaltigen Entwicklung und einer sauberen Energiewende....".

Es überrascht nicht, dass auch die Atomindustrie die Erklärung unterstützte. Wir treten also in eine völlig neue Ära der Atomenergie ein, verglichen mit den Jahren des Rückzugs und der Angst.

  • Auf dem Weg zu einer Geopolitik der Atomenergie?

Was die internationalen Beziehungen betrifft, so schloss sich China 2024 den Unterzeichnern an, während Russland immer noch nicht dabei war (z. B. CGTN, Sondergesandter von Präsident Xi nimmt am ersten Atomenergie-Gipfel in Brüssel teil; Atomenergie-Erklärung auf dem Brüsseler Gipfel angenommen).

Interessanterweise waren einige der Länder, die die ursprüngliche Erklärung unterzeichnet hatten, in Brüssel nicht anwesend, obwohl sich im März 2024 einige Länder den neuen Bemühungen um die Atomenergie anschlossen. Die Gründe für ihre Abwesenheit mögen vielfältig sein, einige von ihnen sind einfach und haben keine geopolitische Komponente. Allerdings waren diese Länder Unterzeichner der Erklärung von 2023 und nicht der von 2024. Die Mongolei hat sich 2024 nicht den anderen Staaten angeschlossen, obwohl sie über beträchtliche Uranvorkommen verfügt, 2009 ein Abkommen über nukleare Zusammenarbeit mit Indien und 2010 mit Frankreich unterzeichnet hat und den Ausbau der Atomenergie plant.

Nach dem ersten Besuch eines französischen Staatspräsidenten in der Mongolei im Mai 2023, als der mongolische Präsident Ukhnaagiin Khurelsukh zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Paris weilte, unterzeichneten Frankreich und die Mongolei im Oktober 2023 ein Abkommen im Wert von 1. 6 Milliarden Euro, das vor allem den Uranabbau durch die französische Firma Orano - einen der führenden internationalen Akteure der Nuklearindustrie - vorsieht. Dieses Geschäft ist Teil der Bemühungen Frankreichs, seine Uranversorgung zu diversifizieren, die für die Sicherheit des Landes von grundlegender Bedeutung ist.

Wenn man bedenkt, dass 70% des französischen Stroms aus Atomenergie stammt, dass Frankreichs Uranversorgung 2022 laut Euratom aus fünf Hauptquellen stammt - Kasachstan 37,3%, Niger 20,2%, Namibia 15,8%, Australien 13,9% und Usbekistan 12, 9% - und dass die französischen Beziehungen zu Niger nach dem Staatsstreich bestenfalls angespannt sind, auch wenn Orano nur auf eine Verzögerung des Betriebs hinwies, wobei der Abbau tatsächlich im Februar 2024 wieder aufgenommen wird, ist es für Frankreich entscheidend, seine Uranversorgung zu diversifizieren.

Als der Staatsstreich in Niger die französische Unsicherheit in Bezug auf die Uranversorgung bereits erhöht hatte, warnte Kasachstan im Januar 2024, dass es seine Produktionsprognose senken müsse , was im März 2024 bestätigt wurde.

Infolgedessen wurde die Diversifizierung der Uranversorgung noch wichtiger. Leider tauchten am 22. Februar 2024 Informationen auf, dass das französisch-mongolische Geschäft vor Herausforderungen steht und bis Juni verschoben werden könnte .

In Anbetracht der Tatsache, dass Russland mehr als 80 % der von der Mongolei benötigten Erdölprodukte liefert und im Dezember die Energielieferungen an sein Nachbarland "einschränken musste", was zu Rationierungen führte, und in Anbetracht der angespannten Beziehungen zwischen den Verbündeten der USA und Russland, auch infolge des Krieges in der Ukraine, können wir die Hypothese aufstellen, dass Russlands Handlungen und die Abhängigkeit der Mongolei von Russland eine Rolle bei dem Rückschlag gespielt haben, der den französisch-mongolischen Uranhandel beeinträchtigt.

Frankreichs Uranversorgung ist somit bedroht, und das Land sieht eine seiner Bemühungen um eine Diversifizierung seiner Versorgung möglicherweise unterminiert, bestenfalls verzögert. Wir können nicht ausschließen, dass der russische Einfluss bei diesen Hürden eine Rolle gespielt haben könnte. Obwohl auch hier handfestere Beweise nötig wären, kann man sich dennoch fragen, inwiefern diese Herausforderungen in Bezug auf die Uranversorgung und damit auf die Atomenergie nicht eine Rolle bei der neuen, härteren Haltung Frankreichs gegenüber Russland am 27. Februar 2024 gespielt haben (z.B. Le Monde & AFP, "War in Ukraine: Macron schließt die Entsendung westlicher Truppen nicht aus und kündigt ein Raketenbündnis an", Le Monde, 27. Februar 2024).

Auch wenn diese Fallstudie viele Hypothesen enthält, zeigt sie doch, dass die neue Ära der Atomenergie, die durch die beiden internationalen Erklärungen von 2023 und 2024 eingeläutet wird, auch neue geopolitische Herausforderungen und Spannungen mit sich bringen wird, da die Staaten versuchen, das Potenzial für Unsicherheit zu verringern.

Bei der Untersuchung und Ausarbeitung politischer Empfehlungen für die Verdreifachung der Atomenergiekapazitäten betonen internationale Agenturen die verschiedenen anstehenden Herausforderungen, wobei sie sich auf "Kosten, Leistung, Sicherheit und Abfallentsorgung" konzentrieren. Der Atomenergiegipfel im März 2024 betonte unter anderem die Komplexität der Finanzierung der hohen Investitionen in die Atomenergie.

Wie die obige Fallstudie verdeutlicht, könnten sich außerdem Herausforderungen aus dem Uranabbau und der Uranvermahlung ergeben, da die Exploration und der industrielle Prozess mit der Geopolitik konvergieren. In künftigen Artikeln werden wir uns daher auf die Herausforderungen konzentrieren, denen sich die Welt wahrscheinlich stellen muss, um die neue Entwicklung der Atomenergie voranzutreiben.@

Übersetzung: aaaRed

 

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