Uruguay hat in aller Stille Energiewende gemeistert 90 Prozent plus Erneuerbare eine Übersicht von aaaRed Wenn es um die Umsetzung der Energiewende geht, richtet sich der Blick meist auf die technologisch fortschrittlichen Industriestaaten des Westens oder auf China. Unter dem Radar hat nun aber Uruguay die Abkehr von fossilen Energieträgern fast komplett abgeschlossen.
Die ganze Sache begann in dem südamerikanischen Land vor rund 15 Jahren. Vor der Umstellung machte Öl insgesamt 27 % der Importe des Landes aus und eine neue Pipeline stand kurz davor, Uruguay mit Gas aus Argentinien zu versorgen. Heute sind es Windturbinen, die in den Häfen Uruguays ankommen und auf den Weg zu ihrem Standort gebracht werden.Damals sprangen die Ölpreise sprunghaft nach oben und der Staat, dessen Energieversorgung fast komplett von importiertem Erdöl abhing, kam zunehmend in Bedrängnis. Der damalige Präsident Tabaré Vázquez wandte sich daraufhin Hilfe suchend an den Atom-Physiker Ramón Méndez Galain, der einen Plan zum Umbau der Energieversorgung entwickelte. „Ich hatte 14 Jahre lang im Ausland gearbeitet, und als ich zurückkam, gab es diese Energiekrise, aber die einzige Lösung, die die Leute anboten, war, ein Atomkraftwerk zu installieren - das war alles“, erinnert sich Galain. „Ich war Atomphysiker und dachte, ich könnte dieses Problem ein wenig verstehen.“ Er selbst kam zu dem Schluss, dass Atomenergie nicht die Lösung sein könne. Er veröffentlichte stattdessen ein Paper, in dem er darlegte, dass man besser vollkommen auf Windkraft setzen sollte. Bald darauf erhielt er einen Anruf, in dem er eingeladen wurde, Uruguays Energieminister zu werden und seinen Plan umzusetzen. „Stellen Sie sich meine Überraschung vor“, sagt Galain. „Das war verrückt. Aber ich tat etwas noch Verrückteres: Ich habe angenommen.“ 100% erneuerbare Energie, ist das überhaupt möglich? In Uruguay schon, denn das südamerikanische Land hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt und erreicht. Heute hat Uruguay die fossilen Brennstoffe bei der Stromerzeugung fast vollständig abgeschafft. Je nach Wetterlage stammen zwischen 90 und 95 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien. In nur fünf Jahren steigerte das Land den Anteil der erneuerbaren Energien von 58 auf 98 Prozent! . An der Spitze liegt die Windkraft mit 40 Prozent, gefolgt von Wasserkraft, Biomasse und Solarenergie. Anfang des Jahres wurde sogar die erste elektrische Autobahn in Lateinamerika in Uruguay eröffnet. Die Installation von Ladestationen in 60-km-Abständen ermöglicht es den Benutzern von Elektrofahrzeugen, auf langen Strecken sicher zu fahren. Bereits 2014 zeigten erste Tests, dass die laufenden Kosten der Elektro-Busse sechs bis acht mal niedriger sein können als bei Bussen, die Dieselkraftstoff benötigen. In den letzten Jahren wurden Studien über die potenziellen Vorteile von Elektrofahrzeugen im öffentlichen Verkehr in Montevideo durchgeführt. Hier leben 1,3 Millionen Menschen, die Hälfte der Einwohner von Uruguay. Ende 2013 wurden die Leistung und die Reichweite getestet. Es handelte sich hierbei um ein Auto-Modell E6 und ein Bus-Modell K9 der chinesischen Firma BYD. Die Ergebnisse wurden am 13. März 2014 vorgestellt. Die wirtschaftliche Analyse der Leistung der Elektrofahrzeuge, die von der Stadtverwaltung durchgeführt wurde, war positiv. Das Projekt entwickelte sich trotz großer Skepsis zu einer Erfolgsgeschichte. Während erst die Sorge um Arbeitsplätze im Energiesektor dominierte, stehen heute 50.000 zusätzliche Jobs unter dem Strich - was bei einer Bevölkerung von rund 3,5 Millionen Menschen eine enorme Zahl ist.
Doch die Erfolgsgeschichte der Energiewende Uruguays hat auch ihre Schattenseiten. Nicht nur, dass die Kosten für die Investitionen auf den Verbraucher umgelegt werden, der Staat sieht die Energiepreise auch als sprudelnde Einnahmequelle für andere Politikbereiche. Die Bevölkerung zahlt für den sauberen Strom deshalb wesentlich mehr als in Chile, Brasilien oder Argentinien, ärmere Familien geben bis zu 15 Prozent ihres monatlichen Einkommens für Strom aus. Für Méndez ist dies aber auch ein Resultat der gestiegenen Lebensqualität in dem südamerikanischen Land: „Wir haben hier die Armut in den letzten 15 Jahren von 38 Prozent auf unter zehn Prozent gedrückt, die extreme Armut ist verschwunden. Was bedeutet, dass die Menschen auch mehr konsumieren. Das heißt, früher hatten viele von ihnen keine Klimaanlage, heute schon. Und das sehen die Uruguayer auf ihren Stromrechnungen.“
Zuweilen gibt es noch immer Widerspruch - insbesondere, weil die Stromrechnung nicht spürbar kleiner geworden ist, wo doch der Wind nichts kostet. Galain verweist hier darauf, dass die Preise für die Kilowattstunde zwar geringer sind, der Lebensstandard aber massiv gestiegen ist - nie zuvor hatten so viele Menschen große Fernseher und Klimaanlagen. Die Armutsquote ist durch die lokale Wertschöpfung der Energiewende von 40 auf 10 Prozent gesunken. Das Ergebnis dieser Erfolgsgeschichte fasst Méndez so zusammen: „Wir sind heute vollkommen unabhängig von den Gas-, Öl- und Kohlepreisen, der Krieg in der Ukraine hat für uns keinerlei Auswirkungen, wir kennen die Strompreise schon für die nächsten zehn Jahre. Im Gegenzug hat uns diese Transformationen Investitionen in Höhe von 13 Prozent des Bruttoinlandsproduktes beschert und 50.000 Arbeitsplätze geschaffen. Uruguay hat sich von einem Importeur von Strom zu horrenden Preisen zu einem Exporteur gewandelt, was uns Hunderte Millionen Euro pro Jahr in die Kassen spült.“@
Quellen:
netzfrauen.org vom 16.September 2018 |
||
anti-atom-aktuell.de |