Niger: Französische Uranmine Cominak hinterlässt 20 Millionen Tonnen radioaktive Abfälle. SOS der Bevölkerung von Arlit in Niger von aaa-Red 75.000 Tonnen Uran hat der französiche Konzern Orano (ehemals AREVA) aus der Uranmine Cominak in der Nähe von Arlit von 1978 bis 2021 abgebaut. Aufgrund der Erschöpfung der Ressourcen wurde der Abbau 2021 eingestellt. Zurück bleiben 20 Millionen Tonnen radioaktiver Schlamm , der auf dem Boden und unter freiem Himmel auf dem Gelände von Cominak , 7 km entfernt von Arlit lagert. Diese Rückstände verschmutzen nicht nur die Luft, sondern auch den Untergrund und damit das Grundwasser. Die Zivilgesellschaft ist über die Folgen der Anhäufung radioaktiver Abfälle in der Gegend um Arlit alarmiert. Die dort lebenden Menschen befürchten Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung in der Umgebung und wünschen sich Unterstützung. Trotz der strengen Auflagen der nigerianischen Regierung und der französischen Unternehmen haben mehrere internationale Organisationen unabhängige Studien und Untersuchungen über die Qualität von Boden, Wasser und Luft in Arlit und Akokan durchgeführt, um die durch den Bergbau verursachten Umweltschäden zu bewerten. Die Ergebnisse sind beunruhigend. Bei einer Inspektion durch die unabhängige Untersuchungskommission für Radioaktivität CRIIRAD und die nigrische Umweltorganisation Aghir In‘Man wurden bereits 2007 hohe Strahlungswerte in den Straßen von Akokan festgestellt. Im Jahr 2010 führten Greenpeace, die unabhängige französische Forschungskommission für Radioaktivität (CRIIRAD) und das nigerianische Netzwerk von Organisationen für Transparenz in der Rohstoffindustrie (ROTAB) Messungen in Boden, Wasser und Luft in Arlit und Akokan durch. Ihre Untersuchungen ergaben anormale Dosiswerte von bis zu 63 µSv/Stunde - mehr als 200 Mal höher als die normale Hintergrundstrahlung. Selbst wenn man sich ein Jahr lang lediglich eine Stunde pro Tag an diesem Ort aufhält, ist man dem 10-fachen der jährlich zulässigen Strahlendosis ausgesetzt. Außerdem wurden in Luft- und Wasserproben erhöhte Werte von radioaktivem Radon festgestellt. Areva bestritt jegliches Fehlverhalten. In einem Kommuniqué, erklärte AREVA, dass seine Bergbauaktivitäten in Niger "unter strikter Einhaltung internationaler Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltstandards" durchgeführt würden.
Die Ergebnisse nach einer Untersuchung des Gebiets durch die Commission de recherche et d‘informations indépendantes sur la radioactivité (Criirad) im Jahr 2009 zeigten, dass die Radioaktivität weit über den international empfohlenen Strahlungswerten lag. Die radioaktiven Rückstände des Uranabbaus haben zu einer Kontamination des Grundwassers geführt und gefährden langfristig die Trinkwasserversorgung der Stadt Arlit. Einige Abfallhalden befinden sich sogar auf den Grundwasserquellen, die die Stadt Arlit mit Trinkwasser versorgen. So besteht die Möglichkeit, dass die radioaktiven Abfälle bis zum Grundwasserspiegel durchsickern können, warnt die Commission de recherche et d‘informations indépendantes sur la radioactivité (Criirad), die den Abschlussbericht des Projekts zur Sanierung des Cominak-Geländes in Arlit einsehen konnte. Das Unternehmen war gezwungen, spezielle Pumpen zu installieren, um das kontaminierte Wasser abzupumpen und innerhalb des Geländes zurückzuführen", erklärt Bruno Chareyron, Ingenieur für Nuklearphysik bei der Criirad. Das Problem ist, dass man in den Unterlagen der Cominak lesen kann, dass diese Pumpen in einigen Jahrzehnten nicht mehr funktionieren könnten, und ab diesem Zeitpunkt wird sich die Kontamination in das Gebiet der Trinkwasserentnahmen oder sogar darüber hinaus verlagern." Die 100 000 Menschen, die in diesem Gebiet leben, haben keine andere Wahl, als weiterhin dieses Wasser zu trinken.
In den Bergbaustädten Arlit und Akokan haben Forscher erhöhte Radioaktivitätswerte und Krebsraten festgestellt, die auf radioaktive Abfälle und Staub zurückzuführen sind "Die Abfälle erzeugen ein radioaktives Gas, das als Radon bekannt ist. Der starke Wind in der Wüste verbreitet einen radioaktiven Staub, der von der Bevölkerung in der Umgebung eingeatmet wird", erklärt Bruno Chareyron, Wissenschaftler bei CRIIRAD. Die Rückstände des Uranabbaus können noch 80% der Radioaktivität enthalten. Hier ist besonders Radon zu nennen. Radon ist ein radioaktives Gas, das ständig aus diesen 20 Millionen Tonnen austritt. Und es verteilt sich in der Luft. Das führt dazu, dass je nach Windrichtung bestimmte Bevölkerungsgruppen im Norden, Süden, Westen oder Osten mit der Radioaktivität in Berührung kommen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Abraumhalden in der Nähe von Ackerland befindet, wodurch die Lebensmittel der lokalen Bevölkerung verstrahlt werden. Darüber hinaus wurde kontaminierter Metallschrott aus den Minen auf lokalen Märkten verkauft, und eine von der EU geförderte Studie zeigte, dass radioaktiv kontaminiertes Material für den Bau von Häusern verwendet wurde, was die Strahlenbelastung der Bevölkerung weiter erhöhte. Die Exposition gegenüber solch gefährlich hohen Strahlungswerten kann zu Geburtsfehlern, Krebs und einer Reihe anderer Krankheiten führen. Greenpeace hat das Gebiet untersucht und festgestellt, dass viele ehemalige Cominak-Arbeiter an ungeklärten Erkrankungen der Haut, der Leber, der Nieren und der Lunge leiden. "Unser Erbe ist eine dauerhafte Verschmutzung", sagte Al Moustapha Al Hacen, Gründer der lokalen Umweltschutz-NGO Aghir In‘Man. "In der Umgebung von Arlit gibt es keine Wildtiere mehr und auch keine lebenden Pflanzen." Er sagte gegenüber Greenpeace auch, dass der Uranabbau eigentlich der Armutsbekämpfung dienen sollte. "Aber unsere Probleme haben sich dadurch nur verschlimmert", fügte er hinzu.
"Der Abfall wird für Hunderttausende von Jahren radioaktiv sein", sagte Chareyron von Criirad. "Orano hätte ihn an einem sicheren Ort versiegeln müssen, aber das wurde nicht getan." Die nigrische Tochtergesellschaft von Orano, Cominak, erklärte, dass sie den radioaktiven Schlamm mit einer zwei Meter dicken Schicht aus Lehm und Gestein abdecken werde, um die Strahlung einzudämmen. Chareyron bezweifelt jedoch, dass diese Schicht stark genug sein wird, um die Strahlung für Tausende von Jahren zu isolieren.
Das Unternehmen versichert, dass sich die Abfallverfüllung auf einem natürlich dichten geologischen Sockel befindet. Bis 2026 soll sie mit einem zwei Meter dicken Lehmsarkophag bedeckt werden, um die Kontamination von Luft und Wasser zu verringern. Der Generaldirektor der Cominak, Mahaman Sani Abdoulaye, versichert: "Diese Infiltrationen, die aus der Rückstandshalde stammen, zeigen uns heute bei den Tests, dass sie am Versiegen sind. Also nehmen die Gehalte an markanten chemischen Elementen im Laufe der Zeit ab. In den letzten zehn Jahren hat der Durchschnitt als hinzugefügte Dosis für die umliegende Bevölkerung nie den vorgeschriebenen Grenzwert von einem Millisievert überschritten. Die Kontrolle durch die Regierung wird fortgesetzt, sei es im Hinblick auf das Wasser, die Luft und die gesamte umliegende Tierwelt."
Wie wenig die Menschen in der Umgebung auf Aussagen und Versprechen der Betreiber vertrauen können, zeigt das Verhalten der Betreiber Areva und Orano in der Vergangenheit. Obwohl Greenpeace und Criirad durch ihre Untersuchungen belegen konnte, dass die Menschen durch stark erhöhte radioaktive Strahlung gefährdet sind, hat der damals zuständige Konzern Areva nichts unternommen, um die Ursachen dafür zu beheben. Und Ihr Nachfolger Orano auch nicht. Stattdessen wurden weiter Berge von radioaktivem Müll auf dem Gelände angehäuft. Jetzt - 16 Jahre später- verspricht Orano,, die Abfallhalden mit Lehm zu bedecken. Es ist nicht nur fraglich, ob diese Methode wirksam ist. Auch die Tatsache, dass von der 120 Quadratkilometer großen Fläche der Müllhalden bisher nur 3% dieser Fläche abgedeckt wurden, spricht für sich! In diesem Streit um eine grundlegende Sanierung des Uranminengeländes wünscht sich die Bevölkerung Unterstützung. Die Salzburger ELFI-GMACHL-STIFTUNG ATOMFREIE ZUKUNFT (EGS) unterstützt gerade in dieser Hinsicht und aktuell die NGO AGHIRIN’MAN mit der Finanzierung v.a. des guten Strahlenmeßgeräts SPP-Gamma der frz. Firma ALGADE S.A. (bei dessen Anschaffung Bruno CHAREYRON von der CRIIRAD beraten hat). Ohne ein ordentliches Meßgerät ginge in puncto begleitender Kontrolle der ORANO-Sanierung praktisch nichts bzw könnte die Firma der Öffentlichkeit und den Medien "alles erzählen".
Das Interesse Frankreichs an Niger geht auf die Kolonialzeit zurück; die Entdeckung der unerschlossenen Uranvorkommen im Lande hat dieses Interesse jedoch noch verstärkt. Es ist Frankreich, das von den Uranvorkommen in Niger profitiert, indem es die französisch-afrikanische Politik auf dem Kontinent stärkt. Kritiker bezeichnen dies als "Neokolonialismus", der darauf abzielt, souveräne afrikanische Staaten zu unterwerfen. Obwohl Niger in den 1960er Jahren seine Unabhängigkeit erlangte, spielt Frankreich immer noch eine einflussreiche Rolle in dem Land - und hält damit ein Monopol auf die Erschließung seiner natürlichen Ressourcen. Seit der Entdeckung von Uran in Niger wird ein großer Teil des Erzes seit über 40 Jahren von Orano (ehemals Areva), dem staatlichen französischen Atomkonzern , exklusiv nach Frankreich exportiert. Nach den Daten der World Nuclear Association war Niger 2022 der sechstgrößte Uranproduzent der Welt, hinter Kasachstan, Kanada, Namibia, Australien und Russland. Seine auf 311.000 Tonnen geschätzten Uranreserven machen 5 Prozent der Weltreserven aus. Im Jahr 2021 versorgte Niger die Europäische Union mit fast 25 Prozent ihrer Uranlieferungen. 2022 kam ein Drittel des in Frankreich verwendeten Urans aus Niger. Nigers Uranförderung ist fest in französischer Hand. Neben der Uranmine Cominak betreibt Orano die Uranmine Somair (Société des Mines de l’Air); diese beutet die größte Uranmine am Rand der Stadt Arlit in der Saharawüste Nigers aus und hat dafür einen Vertrag bis 2040. 63,4 Prozent von Somair gehören der französischen Orano-Gruppe, ehemals Areva. Die restlichen 36,6 Prozent gehören der nigrischen Staatsfirma Sopamin (Société du Patrimoine des Mines au Niger). Aus der Uranmine Somair bei Arlit kamen 2021 über 90 Prozent des nigrischen Uranexports. Einmal im Monat rollt ein Lkw-Konvoi voller blauer Fässer mit jeweils 600 Kilogramm Yellow Cake von Arlit bis zum Hafen Cotonou in Benin 1.950 Kilometer weiter südlich. Dort werden sie nach Narbonne in Frankreich verschifft.
Presseberichte und Analysen zur Situation nach dem Putsch befassen sich meist mit der möglichen Gefährdung der Uranversorgung der französischen Atomkraftwerke. Sehr wenig wird berichtet von den Auswirkungen und Folgen des Uranabbaus für die Menschen in Niger und über ihre jahrelangen Proteste. Obwohl Uran in Hülle und Fülle vorhanden ist, hat die nigrische Bevölkerung kaum davon profitiert, sondern im Gegenzug großes Elend erlitten. Der Uranabbau im bitterarmen Niger trägt nur etwa fünf Prozent zum nationalen Bruttoinlandsprodukt bei. Niger mit seinen mehr als 17 Millionen Einwohnerinnen ist laut dem Entwicklungsindex der Vereinten Nationen nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als 1 Dollar pro Tag. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei nur 45 Jahren, und jedes vierte Kind stirbt, bevor es fünf Jahre alt ist. Zum Abschöpfen der Profite durch Orano kommt noch die Auslagerung der Schäden durch den Uranbergbau und seine radioaktiven Hinterlassenschaften hinzu, wie das Beispiel Cominak zeigt.
Die in Niger beheimateten Tuareg gründeten im Februar 2007 die nigrische Bewegung für Gerechtigkeit und griffen in den Jahren 2007 und 2008 mehrere militärische Ziele in der Nordregion Nigers an. Ihre Forderung nach kollektiven Rechten als indigene Völker ergibt sich aus der Unterdrückung ihrer Rechte als Nomaden, zunächst während der Kolonialzeit und später durch den unabhängigen Staat Niger, der die Interessen der einstigen Kolonialmacht Frankreich, insbesondere im Uranbergbau, weiterführte. Im Jahr 2013 und 2014 gab es dann Massenproteste der betroffenen Bevölkerung in den Uranabbaugebieten in Niger gegen den französischen Atomkonzern Areva, der heute Orano heißt. Die jahrelangen Proteste der Tuareg und anderer Volksgruppen im Niger gegen die durch Frankreichs Atomwirtschaft verursachten massiven Umweltzerstörungen haben nicht zu einem Ende des Uranbergbaus oder gar zu einer Schadensregulierung durch Frankreich geführt. Da ist es kein Wunder, dass starke Antipathien, ja teilweise Hass gegen den ehemaligen Kolonialherren Frankreich im Niger weit verbreitet sind und sich sogar in Aufständen und Protesten manifestieren. Dies mag eine der Erklärungen sein, warum den Putschisten im Niger eher Sympathien als Proteste aus der Bevölkerung entgegenschlagen. Doch es ist mehr als fraglich, ob der Putsch nun wirklich zu einem Ende der Umweltzerstörung durch Uranabbau im Niger führt. Denn neben Frankreich haben auch Russland, China, die USA und andere ihre Uranaktivitäten in Niger längst ausgeweitet.
Es bleibt die Erkenntnis: Atomenergie ist unverantwortbar. Sie zerstört schon am Anfang der Versorgungskette massiv die Umwelt und die sozialen Strukturen in den Uranabbauregionen, ebenso wie am Ende, da bis heute kein sicheres Endlager für den produzierten Atommüll gefunden wurde.@
Quelle: |
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anti-atom-aktuell.de |