Die Forderungen der Expert*innen des Atommüllreports

Handeln statt Durchwursteln

Nach der Abschaltung aller AtKWs in Deutschland verbleiben an mehr als 40 Standorten radioaktive Abfälle, die über eine Million Jahre verwahrt werden müssen. Doch eine sichere tiefengeologische Lagerung ist nicht in Sicht.

2022 erklärte die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE), dass die Standortsuche für ein Lager für hoch radioaktive Abfälle wesentlich länger dauern wird. Die Entsorgungskommission hält es für möglich, dass CASTOR-Behälter bis ins nächste Jahrhundert in Zwischenlagern aufbewahrt werden müssen.

2023 erklärte die BGE, dass es weiterhin erhebliche Probleme mit dem Ausbau des alten Eisenerzbergwerks Schacht KONRAD zu einem Atommülllager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle gäbe. Die Inbetriebnahme verschiebe sich in die 2030er Jahre. Gleichzeitig läuft ein Antrag auf Aufhebung der Genehmigung, weil das Projekt KONRAD nicht den Sicherheitsanforderungen an ein tiefengeologisches Lager für radioaktive Abfälle entspricht.

Für die rückzuholenden Abfälle aus der ASSE II, die uranhaltigen Abfälle aus Gronau, für radioaktives Beryllium aus Forschungsreaktoren, für den Reaktordruckbehälter des AVR Jülich und weitere Atommüll-Chargen gibt es noch gar kein dauerhaftes Lagerkonzept.

    Die Zwischenlager
    in Deutschland sind nicht
    für eine Langzeitlagerung
    konzipiert.

Weder die baulichen Einrichtungen noch die Behälter sind auf eine Lagerung über so viele Jahrzehnte ausgelegt. In vielen Zwischenlagern gibt es erhebliche Probleme, rostende Behälter und fehlende Inspektionsmöglichkeiten in den Abfalllagern, fehlende Genehmigungen wie in Jülich und Brunsbüttel, mangelnder Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter, usw. Ebenfalls fehlt ein gültiges Regelwerk für die Anforderungen an eine Langzeit-Zwischenlagerung. Nicht zu unterschätzen sind die Alterungseffekte, die an diversen sicherheitsrelevanten Komponenten (Dichtungen, Tragkorb, Neutronenabschirmung, etc.) auftreten und zu Sicherheitsproblemen und Freisetzung von Radioaktivität führen können. Erschwerend kommt hinzu, dass es bei der Herstellung der Behälter immer wieder zu Qualitätsmängeln kam, die von den standardisierten Sicherheitsanalysen nicht erfasst sind. Ebenfalls relevant sind die Alterungseffekte am Inventar der Behälter. Auch die Unterkritikalität (Vermeidung von Kettenreaktionen) ist bisher nur für 40 Jahre nachgewiesen worden. Ein Verweis auf die Abnahme der Spaltprodukte reicht hierbei nicht, da es zu Unterschieden bei der räumlichen Verteilung der Spaltproduktkonzentration kommt. Zudem kann es zu einer Versprödung der Hüllrohre kommen, ein Hüllrohrversagen bei der Handhabung bzw. dem Transport der Behälter zu ihrem endgültigen Lagerort nicht ausgeschlossen werden.

    Die Zeit drängt.

2032 laufen die befristeten Genehmigungen für die ersten Castor-Behälter aus (CASTOR THTR/AVR im Brennelemente-Zwischenlager Ahaus und im AVR-Behälterlager Jülich). Spätestens 2028 muss die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung mbH für das Zwischenlager in Gorleben nachweisen, was mit den eingelagerten Castor-Behältern nach Auslaufen der Genehmigung zum 31.12.2034 passieren soll.

Nach geltendem Gesetz dürfen die Aufbewahrungsgenehmigungen für die Standort-Zwischenlager nicht einfach verlängert werden, sondern es muss eine Neugenehmigung nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik erteilt werden. Ein solches Genehmigungsverfahren dauert erfahrungsgemäß mehrere Jahre.

Vor diesem Hintergrund fordern wir von der Bundesregierung ein Handlungskonzept für die längerfristige Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle und bestrahlter Brennelemente aufzustellen.

Dieses Handlungskonzept muss den Realitäten folgend von einer möglichen Zwischenlagerung bis ins nächste Jahrhundert ausgehen und mindestens beinhalten:

  1. Eine vorausgehende Abwägung unterschiedlicher international praktizierter Zwischenlagerkonzepte vor der Entscheidung für das weitere Zwischenlagerkonzept in Deutschland.
     
  2. Die Erarbeitung eines Konzeptes für die langfristige Zwischenlagerung aller Arten radioaktiver Abfälle im Rahmen eines transparenten, wissenschaftsbasierten Prozesses unter Einbeziehung der Öffentlichkeit mit entscheidungsrelevanten Rechten der Bürgerinnen und Bürger. Dabei muss die Vermeidung unnötiger Transporte aufgrund der damit verbundenen Strahlenbelastung und Gefahren ein wichtiges Kriterium sein.
     
  3. Die Behebung und künftige Vermeidung der genehmigungslosen Lagerung radioaktiver Abfälle und bestrahlter Brennelemente wie in Brunsbüttel und Jülich durch frühzeitige und vorausschauende Einleitung der notwendigen Genehmigungsverfahren.
     
  4. Die Durchführung tatsächlicher Neugenehmigungsverfahren nach Stand von Wissenschaft und Technik an allen künftigen Lagerstandorten. Eine Änderung des Atomrechts zur Umgehung der derzeit notwendigen Neugenehmigungsverfahren muss unterbleiben.
     
  5. Die Berücksichtigung des bestmöglichen Schutzes nach Stand von Wissenschaft und Technik für jede Sicherheitsbarriere, auch des Gebäudes.
     
  6. Ein Reparaturkonzept das vom worst-case ausgeht, z.B. Versagen der Dichtung, Versagen der Hüllrohre an mehreren Behältern an unterschiedlichen Standorten und das die Transportfähigkeit der Behälter aufrechterhält.
     
  7. Die Sicherstellung bzw. Herstellung von Inspektionsmöglichkeiten der zwischengelagerten Behälter mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen sowie die Nachrüstung der Abfalllager mit gerichteter Luftführung und Klimatisierung soweit notwendig.
     
  8. Ein umfassendes Forschungskonzept, das sich nicht alleine auf Rechenmodelle stützt. Das Forschungsprogramm muss das mögliche Verhalten aller Behältertypen über den absehbar langen Zeitraum umfassen, die Qualitätsmängel bei der Herstellung der Behälter berücksichtigen und das mögliche Verhalten des radioaktiven Inventars inklusive der Hochabbrand- und defekten Brennelemente betrachten.
     
  9. Hoch angereicherten Atommüll des THTR, AVR und FRM II aus Gründen der Vorsorge gegen den Missbrauch für Atomwaffen möglichst schnell abzureichern, und dafür geeignete Verfahren zu entwickeln. In Anbetracht der notwendigen Langzeitzwischenlagerung soll dies nicht aufgeschoben werden, bis ein tiefengeologisches Atommülllager bekannt ist. Darüber hinaus fordern wir von der Bundesregierung die Einschränkungen der juristischen Überprüfung der Sicherheit durch Dritte (Funktionsvorbehalt) zurückzunehmen. @
 

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