aaa-uftakt
Von den insgesamt 37 Reaktoren, die in Deutschland zur Stromerzeugung gebaut und betrieben wurden, sind Mitte April diesen Jahres die letzten drei Stück abgeschaltet worden. Eine Epoche, die am 1. Juli 1958 mit dem Beginn des Baus am Versuchs-Atomkraftwerk Kahl am Main ihren Anfang nahm, ist damit vorerst abgeschlossen.
Zu Recht wurde diese Zäsur gefeiert. Eine Branche, die jahrzehntelang scheinbar unbeirrbar gegen alle Stimmen der Vernunft ihre immense ökonomische Macht ausgespielt und Investitionsentscheidungen durchgesetzt hatte, musste nun zurückstecken. Was da passiert ist, fühlt sich zwar deutlich anders an, als wir es zum Beispiel aus der Geschichte von Davids Sieg über Goliath kennen, (und ein bisschen mehr von der Deftigkeit der alten Legende ‚"zack und aus die Maus" wäre bestimmt zu wünschen gewesen,) aber es ist wirklich nicht nichts. Tausende Menschen, die sich in der anti-Atom-Bewegung engagiert haben, können mit einigem Stolz sagen, dass sie dazu beigetragen haben.
Abgeschlossen ist das Atom-Kapitel damit allerdings keineswegs. In diesem Heft soll es darum gehen, all das aufzuzeigen, was an gesellschaftlicher Auseinandersetzung notwendigerweise noch zu bewältigen ist. Geringer geworden ist diese Herausforderung gewiss nicht. Denn das ist die Kehrseite des Erfolgs vom 15. April: ein Satz hat aus diesem Anlass medial unzählige Male Verwendung gefunden. "Der Atomausstieg ist geschafft". Aber das ist er nicht.
Ob er nun inhaltlich zutreffend ist oder nicht: Journalist*innen haben ihn benutzt, und wahrscheinlich ist die Formulierung von sehr vielen auch übernommen worden. Letzlich war das ein willkommenes Angebot an die Verdrängungsgesellschaft; dankbar hat diese das aufgegriffen. Mit ebenjener Kurzfassung eines komplexen Sachverhalts verbindet sich für die meisten Menschen vor allem die Erwartung, dass irgendwelche Fragen zur Nutzung von Atomkraft als Thema in ihrem Alltag bitteschön nicht mehr vorkommen sollen. Diese bequeme Haltung einer soliden Abwehr zu knacken wird eine harte Nuss.
Ganz zufrieden sind wir selber nicht mit diesem Themenschwerpunkt. Auf unsere Bitte, etwas zu schreiben zu dem Teilgesichtspunkt der anti-Atom-Bewegung, an dem die jeweilige Person dicht dran ist, haben wir viele lesenswerte Artikel geschickt bekommen. Das hat uns gefreut, und wir empfehlen die Texte sehr – wie übrigens auch die Beiträge in den Rubriken.
Aber in unseren Augen fehlt etwas. Mal ganz ehrlich: als wir damit angefangen haben, uns darüber schlau zu machen, was denn alles vorzubringen ist gegen den Bau von Atomkraftwerken, da ging es doch in erster Linie darum, die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen.
"Das System hat keine Fehler. Es ist der Fehler." stand auf dem Aufkleber direkt neben dem mit "Atomkraft? Nein danke!" Auch wenn wir es heute vielleicht eine Spur anders formulieren würden als damals: an dem Grundgedanken, dass es überlebens-notwendig ist, zu einem "ganz anderen Ganzen" zu kommen, und zwar zügig, hat sich doch nichts geändert, oder? Das hätte da noch reingehört.
ciaaao
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