Ohne Atomwaffen leben:

"There is no Alternative"

von aaaRed

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine steht die Gefahr einer atomaren Katastrophe drohend im Raum - sei es ausgelöst durch einen bewussten oder zufälligen Angriff auf eines der laufenden AKWs oder eine weitere Eskalation des Krieges durch den Einsatz von Atomwaffen. Das Festhalten an der atomaren Abschreckung als angeblich "effektivstem Weg zur Verhinderung eines Atomkriegs" befördert eine atomare Rüstungsspirale und verstärkt die Gefahr eines atomaren Schlagabtauschs mit unvorstellbaren Folgen für die gesamte Menschheit.

Mit den US-amerikanischen Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki durch die USA im August 1945 begann die Geschichte des atomaren Wettrüstens zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion. Zugleich bedeuteten diese Ereignisse den Eintritt in eine neue Epoche der Menschheit. Diese ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass wir Menschen seit dieser Zeit die Fähigkeit besitzen, die Menschheit insgesamt auszulöschen. Die Angst vor einem Atomkrieg war seit Jahrzehnten nicht mehr so groß und präsent wie heute. Und diese Angst ist berechtigt.

    Atomwaffen weltweit

Die Gesamtzahl der Atomwaffen ist laut Sipri-Jahresbericht leicht ( um etwa 380) gesunken. Allerdings handelt es sich hierbei um alte Waffen, die bereits seit Jahren aus dem militärischen Betrieb genommen wurden. Derzeit verfügen die neun Atommächte (neben Russland und den USA sind das China, Frankreich, Großbritannien, Pakistan, Indien, Israel und Nordkorea) über rund 12.705 nukleare Sprengköpfe. . 3.700 Atomwaffen sind - eingesetzt in Raketen und Flugzeugen – nach wie vor startbereit, 2000 davon werden in hoher Einsatzbereitschaft gehalten. Trotz einiger Reduzierungen von strategischen Atomwaffen, die sich im Besitz von Russland und den USA befinden, verfügen laut Sipri sowohl Russland als auch die USA heute immer noch insgesamt über jeweils ca. 5500 bis 6000 Atomsprengköpfe. Das bedeutet, es sind immer noch mehr als 90 Prozent aller Atomwaffen je etwa zur Hälfte im Besitz der beiden größten Atommächte. Laut SIPRI befinden wir uns in einem atomaren Wettrüsten. Durch die technische Aufrüstung und die Optimierung der Atomwaffen in allen Arsenalen finde eine Eskalation statt, die sehr gefährlich sei. Alle neun nuklear bewaffneten Staaten vergrößerten oder modernisierten ihre Arsenale. Verschärft würde außerdem die Rhetorik, auch sei ein wieder wachsender Stellenwert zu beobachten, den Atomwaffen in militärischen Strategien spielten. Die Ausgaben für Militär und Forschung für neue Waffensysteme haben laut dem Stockholmer SIPRI-Institut einen neuen Höchstwert erreicht. Weltweit investierten Staaten im vergangenen Jahr 2,113 Billionen US-Dollar (etwa 1,956 Billionen Euro) in ihre Streitkräfte und damit so viel wie nie zuvor. Am stärksten haben die USA, China, Indien, Großbritannien und Russland investiert.

    Nukleare Teilhabe

Deutschland verfügt über keine "eigenen" Atomwaffen, ist aber über die "Nukleare Teilhabe" an der Atomkriegsstrategie der Nato beteilig Als Alternative zur eigenen Atombewaffnung stimmte die Regierung Adenauer der Stationierung von Atomwaffen auf deutschem Boden ausdrücklich zu. Die Regierung glaubte, durch die "nukleare Teilhabe" als NATO-Mitglied an Einfluss im Bündnis zu gewinnen. Gegenüber der Öffentlichkeit wurde die Gefahr der atomaren Aufrüstung systematisch bagatellisiert. So erklärte Bundeskanzler Adenauer, dass es sich bei den ersten in Deutschland eingelagerten Atombomben lediglich um eine ganz normale Weiterentwicklung der Artillerie handele

Am 25. März 1958 beschloss der deutsche Bundestag nach hitziger Debatte, die Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Trägersystemen im Rahmen der NATO. Die BRD kaufte bei den USA die Trägersysteme und stellte die Manschaften; die USA stellten die Atomsprengköpfe, die im Ernstfall eingesetzt werden könnten.

"Nukleare Teilhabe" bezeichnet die Beteiligung von NATO-Mitgliedern an Planung, Vorbereitung und Übung des Einsatzes von US-Atomwaffen. Heutzutage gibt es zwei Varianten der Teilhabe: erstens, die politische Teilhabe durch die Teilnahme an der nuklearen Planungsgruppe der NATO, wo Einsatzplanung, Strategie und Stationierung von Atomwaffen diskutiert werden; zweitens, die technische Teilhabe, bei der NATO-Staaten Stützpunkte, Flugzeuge und Personal zur Verfügung stellen und Piloten den Einsatz von Atomwaffen üben..

Im Rahmen der nuklearen Teilhabe haben die USA in vier europäischen Nato-Staaten ca. 150 taktische Atomwaffen, das sind frei fallende Atombomben vom Typ B61, stationiert: in Belgien (Klein Brogel), Deutschland (Büchel), Italien (Ghedi Torre), Niederlande (Volkel). Zudem werden US-Atomwaffen auf dem Stützpunkt in Aviano (Italien) und Incirlik (Türkei).Neben Deutschland sind das Belgien, Italien, die Niederlande und die Türkei.Taktische Atomwaffen haben in der Regel eine geringere Sprengkraft und Reichweite als strategische Atomwaffen, aber die Übergänge sind fließend.

Die Atomwaffen werden auf europäischen Flugplätzen in geschützten unterirdischen Magazinen, sogenannten Weapons Storage Vaults (Grüften oder Unterflurmagazinen) aufbewahrt, die in den Boden von Flugzeugschutzbauten auf ausgewählten Fliegerhorsten eingebaut wurden. Jedes Magazin kann maximal vier Waffen aufnehmen und wird mit spezieller Technik fernüberwacht.m Februar 2008 eine hochrangige Expertengruppe der US-Luftwaffe in einer internen Studie fest, dass "die meisten" der Atomwaffenlagerstätten in Europa die strengen Sicherheitsanforderungen des US-Verteidigungsministeriums nicht mehr erfüllen.

    Atomwaffenstandort Büchel

In Deutschland sind schätzungsweise ca. 20 US-Atombomben auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel in der Eifel stationiert. Zur Zeit wird an einer Modernisierung der US-Atombomben gearbeitet.. Die neue B61-12 ist eine "Allround"-Atombombe, eine zielgenaue, elektronisch gesteuerte und gelenkte Atomwaffe mit variabler Sprengkraft, vergrößerter Reichweite und der Fähigkeit, tief verbunkerte Ziele zu zerstören. Sie ist die erste Atombombe, die mit einem derartigen Steuerungssystem ausgestattet ist. Durch die variable Sprengkraft, in der Größenordnung von sog. Mini-Nukes bis zur Sprengkraft der Hiroshima-Bombe, ergeben sich für die Kriegsplaner erweiterte operative Möglichkeiten für den Einsatz dieser Atomwaffen. Zusätzlich ist der Kauf einer neuen Generation von Atombombern (F 35) von den USA als Ersatz für die derzeitigen Tornados in Planung.

    Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträge zu Atomwaffen seit 1963

Seit 1963 sind zahlreiche Verträge zum Stop von Atomwaffentests, zur atomaren Abrüstung und Rüstungskontrolle ratifiziert, von Ländern unterschrieben, gekündigt oder durch veränderte Verträge ersetzt worden.

Der Atomwaffensperrvertrag (1970 in Kraft getreten) verbietet die Weitergabe von Atomwaffen und verpflichtet zur Abrüstung. Er wurde von 189 Vertrags-Staaten unterschrieben. Obwohl sich alle Atomwaffenmächte, feierlich zur nuklearen Abrüstung verpflichtet haben, gibt es seit dieser Zeit keinerlei substanzielle Fortschritte in diese Richtung.

      START-I Vertrag (1994)
Nach dem Ende der Sowjetunion ist START I am 5. Dezember 1994 in Kraft getreten und durch ein Zusatzprotokoll gilt das Reglement des Vertrags für die Atomwaffenstaaten USA und Russland, Russland, Belarus, Kasachstan und die Ukraine. Die letzteren drei Staaten haben seitdem ihre Atomwaffen vollständig abgerüstet Zwischen den Atommächten USA und UDSSR regelt der Vertrag die Reduzierung von strategischen Atomwaffen innerhalb von 7 Jahren um ca. ein Drittel gegenüber 1991 auf gemeinsame Obergrenzen von 1.600 Trägersystemen und 6.000 Gefechtsköpfen. Der Vertrag lief am 5. Dezember 2009 aus.

      START- II Vertrag (2000)
zwischen USA und Rußland zur weiteren Reduktion der strategischen Atomwaffen auf 3.00 bis 3.500 Sprengköpfe pro Seite und Verbot von Mehrfachsprengköpfen. Russland hat START II am 14. April 2000 ratifiziert und sie Umsetzung von der Beibehaltung des ABM-Vertrags abhängig gemacht . Als die USA am 13. Juni 2002 aus dem ABM-Vertrag austraten, trat Russland einen Tag später aus START II aus. Somit trat START II nie in Kraft. Stattdessen trat 2003 SORT in Kraft, wodurch die Anzahl der strategischen Sprengköpfe pro Land auf 1.700–2.200 reduziert werden sollte.

      Der neue START-Vertrag (2011),
regelt die Reduktion der strategischen Atomwaffen von den 5 Atomstaaten. auf 1.550 Atomsprengköpfe bis 2021. Am 3. Februar 2021 haben die USA und Russland die Gültigkeit des New-Start-Vertrags über die Verminderung strategischer Waffen um fünf Jahre verlängert. Zwei Tage später wäre er außer Kraft getreten. Der Vertrag begrenzt Atomwaffen und strategische Trägersysteme globaler Reichweite. Um strategische Stabilität aber auch künftig zu sichern, muss binnen fünf Jahren ein Nachfolgevertrag geschlossen werden. Es wird darum gehen, die Zahl strategischer Atomwaffen zu senken, auch neue Waffentechnologien und substrategische Atomwaffen zu begrenzen sowie die Fähigkeiten anderer Atommächte zu berücksichtigen.

    Atomwaffenverbotsvertrag

2017 haben die atomwaffenfreien Länder den Aufstand gegen die Atommächte gewagt. 122 Mitgliedstaaten der Uno haben den Vertrag über das Verbot aller Atomwaffen beschlossen. Inzwischen haben über 50 Staaten diesen Vertrag ratifiziert, sodass er 2021 in Kraft getreten ist. Zu den Unterzeichnern gehören vorwiegend Staaten aus Lateinamerika, der Karibik, aus Afrika, Südostasien und der Pazifikregion – oft aus Gegenden, die einst durch überirdische Tests schwer belastet wurden.

Der Atomwaffenverbotsvertrag verbietet den Vertragsstaaten, Atomwaffen zu entwickeln, herzustellen, zu erwerben und zu besitzen, Atomwaffen einzusetzen oder ihren Einsatz anzudrohen, Atomwaffen zu lagern oder die Verfügungsgewalt darüber unmittelbar oder mittelbar anzunehmen und Atomwaffen über ihr Staatsgebiet zu transportieren.

Am 15. Dezember 2020 wurde eine Erklärung des Nato-Rates zum Atomwaffenverbotsvertrag veröffentlicht, in der die 30 Nato-Staaten ihn bedingungslos ablehnen. In der Erklärung heißt es: «Wir akzeptieren kein Argument, dass der Verbotsvertrag die Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts widerspiegelt oder in irgendeiner Weise dazu beiträgt.» Der Vertrag delegitimiere das Konzept der nuklearen Abschreckung. Eine absolute Ächtung der Atomwaffen lasse die aktuelle weltpolitische Lage nicht zu. Dem vorzuziehen wäre ein diplomatischer Ansatz, wie ihn der Atomwaffensperrvertrag verfolgt Es wird nicht bedacht, daß dieser weniger konsequente und für Kündigung und Verstöße offene Vertrag es möglich macht, daß atomare Modernisierungsprogramme das atomare Wettrüsten weiter anheizen.

Die Nato-Mitglieder halten daran fest: Die Logik der Abschreckung bleibe der effektivste Weg zur Verhinderung eines Atomkriegs.

Die einstimmige Ablehnung der Natostaaten ist ein eklatanter Affront der Nato gegenüber der UN-Gemeinschaft. Zudem ist es ein Skandal, dass die Bundesregierung im Koalitionsvertrag zwar mit wohlfeilen Lippenbekenntnissen eine Welt ohne Atomwaffen befürwortet, aber in der Uno gemeinsam mit den anderen Nato-Staaten gegen die Aufnahme der Verbotsverhandlungen gestimmt und gemeinsam mit den Atommächten die Verhandlungen in der Uno boykottiert hat.

In einer von Greenpeace initiierten Umfrage, ob Deutschland den UN-Vertrag für ein weltweites Atomwaffenverbot unterschreiben sollte, antworteten 92 Prozent der Bundesbürger mit Ja. Statt auf ihre Bürger zuzugehen, wurden diese von Regierungsvertretern dahingehend belehrt, dass eine Abkehr Deutschlands von der "Bündnissolidarität" und damit von nuklearer Teilhabe die "Allianz als Stabilitätsankern" schwer erschüttern würde. Auf eine Anfrage der Linksfraktion bestätigte die Bundesregierung im letzten Jahr, dass Deutschland trotz nuklearer Teilhabe eine Entscheidung des US-Präsidenten, Atomrwaffen einzusetzen, nicht verhindern könnte.

Der Atomwaffenverbotsvertrag war ein Ziel des jahrzehntelangen Kampfes der weltweiten Bewegung gegen die atomare Aufrüstung und auch des jahrzehntelangen Kampfes gegen die in Deutschland stationierten Atombomben. Er steht für den Willen der Menschen, ohne Atomwaffen zu leben. Er stellt sich der Logik der nuklearen Abschreckung in den Weg – der zugesicherten gegenseitigen Vernichtung.

Die Friedensbewegung und die antimilitaristische Bewegung haben allen Grund, den Widerstand gegen die Beteiligung Deutschlands an der Atomkriegsstrategie der USA, gegen die in Büchel stationierten US-Atomwaffen, gegen die damit verbundene Gefahr eines Atomkrieges in Europa und für die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags verstärkt fortzusetzen.

Als wichtige Unterstützung gilt auch der ICAN-Städteappell– sind doch Großstädte erste Angriffsziele von Atomwaffen. Los Angeles, Manchester, Sydney und viele andere haben an ihre Regierungen appelliert, dem Verbotsvertrag beizutreten. In Deutschland haben sich über 100 Städte, Gemeinden und Landkreise dem Appell angeschlossen. So auch vier Bundesländer: Bremen, Berlin,Hamburg und Rheinland-Pfalz.

Gerade viele junge Menschen haben verstanden, dass Klimabewegung und Friedensbewegung zusammengehören. Die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen hat jetzt eine öffentliche Grundsatzdebatte mit der Zivilgesellschaft und besonders der Jugend gefordert. Politiker sollen die schon allein durch die Stationierung und Modernisierung der A-Waffen resultierenden Konsequenzen für Menschen und Tiere, für Natur und Klima öffentlich machen. Sie fordern, sich von der nuklearen Abschreckung zu distanzieren, und begründen, warum eine atomwaffenfreie Welt alternativlos ist: «There Is No Alternative». @

 

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