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Als am Nachmittag des 16. November 2022 im polnischen Dörfchen Przewodów Raketen einschlugen, da klopfte der unaufhaltsame Absturz in einen dritten Weltkrieg hörbar an die Tür. Zumindest für einige Stunden stand die bange Frage im Raum: war das ein russischer Angriff auf das Gebiet eines der Mitgliedsstaaten, der den militärischen Mechanismen zufolge eine Reaktion der Nato zwingend nach sich zieht? Kippt die Welt in eine Eskalationsdynamik, in der der nukleare Schlagabtausch mit zigfachem overkill unausweichlich ist?
Für den Moment wurde diese Frage mit nein beantwortet; zumindest formal bleibt der Krieg ein Krieg Russlands gegen die Ukraine. Für die Menschen in dem angegriffenen Land ist das Geschehen weiterhin fürchterlich. Nicht nur an den Frontlinien geht das Töten und Sterben weiter; überall ist zu erleben, wie entsetzlich wirkungsvoll und grausam Energie – beziehungsweise das Abgeschnittensein von Energie – als Waffe eingesetzt wird. Müsste in einer solchen Lage der Ruf nach einem Ende der Kämpfe nicht überall zu hören sein?
Es sei falsch, sich von atomaren Weltuntergangsvorstellungen beeindrucken zu lassen. Die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte lehre, dass es allen Drohungen und allem aufgebauten Zerstörungspotential zum Trotz zur finalen Konfrontation nie gekommen sei. Diese Haltung vermitteln in auffälligem Gleichklang die meinungsbildenden Medien. Lässt sich das so sagen? "Gestern kam auch keiner, warum soll ich heute an der Ecke halten?" Ein derart leichtfertiger Umgang mit Risiken verbietet sich bereits im alltäglichen Straßenverkehr.
Wer sehr genau hinschaut, kann anderslautende Stimmen entdecken. Und die gibt es sehr wohl; eine Auswahl stellen wir in dieser Ausgabe vor. Gestoßen sind wir auf eine erstaunliche Streubreite: Argumente und dringende Plädoyers für ein Bemühen darum, die Waffen zum Schweigen zu bringen, finden sich in einem Wirtschaftsmagazin ebenso wie im ökumenischen Netzwerk, bei der Vereinigung von Ärzt*innen wie bei Theoretiker*innen radikal linker Systemkritik. "Wer eine Transformation zu wirklichem Frieden will, muss wenigstens eine Vorstellung davon haben, wo es hingehen könnte", diese Überlegung schickt die Autorin von selbstkritischen Betrachtungen zu Elementen der Utopie im Realsozialismus der Vergangenheit ihrem Beitrag voraus. Wir fanden, das gehört durchaus dazu.
Fast nahtlos schließt unsere -Rubrik an mit umfangreichen Dossiers zur atomaren Rüstung und dem halsbrecherischen Versuch, durch gegenseitige Drohung die Schrecken des nuklearen Untergangs in einem Gleichgewicht zu halten. Und der Blick auf über die Landesgrenzen hinaus veranschaulicht, wie weit die Wunschvorstellungen der Lobby inzwischen gediehen sind, auch die zweite, die sogenannte zivile Seite der Atom-Medaille wieder aufzupolieren.
ciaaao
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