Neue Perspektiven für die Sicherheitspolitik der Zukunft

Sicherheit neu denken

von Kerstin Deibert

"Die militärische Sicherheitspolitik steckt in einer Sackgasse. Sie trägt dazu bei, kriegerische Auseinandersetzungen und Gewalt fortzusetzen." Mit diesen Worten präsentierte Oberkirchenrat Christoph Schneider-Harpprecht das Konzept "Sicherheit neu denken" der Evangelischen Landeskirche in Baden. Es bringt eine neue Perspektive in die Diskussion über Frieden und Sicherheit ein.

Wohin führt der aktuelle Trend? Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe hat über mehrere Jahre die Auswirkungen von Entscheidungen im Bereich der Sicherheitspolitik analysiert. Sie beschreibt unter anderem, wohin der aktuelle Trend der "schleichenden Militarisierung" führen könnte: Steigende Militärausgaben, wachsende soziale Spannungen in Europa, eine Zunahme gewaltbereiter Gruppen sowie eine militärähnlich ausgerüstete Polizei. Im sogenannten "Negativszenario" widmet sich die Arbeitsgruppe den Folgen einer sicherheitspolitischen Strategie, die auf den konsequenten Ausbau des Militärs setzt. Für diesen schlimmsten anzunehmenden Fall zeichnet die Analyse ein Bild von eskalierenden Konflikten, Drohneneinsätzen, einer Weltwirtschaftskrise, Hungersnöten, "Klimaflüchtlingen" und wachsender nuklearer Bedrohung.

    Politische Spielräume jenseits des Militärischen

Das Konzept bleibt jedoch nicht bei den Schreckensszenarien stehen. Kernstück der Veröffentlichung ist ein "Positivszenario", das zeigen soll: Es gibt politische Spielräume jenseits des militärischen Sicherheitsdenkens. Die Autorinnen und Autoren beschreiben mögliche Schritte auf dem Weg zu einer Gesellschaft, die nicht nur auf die eigenen Interessen ausgerichtet ist, sondern globale Folgen ihres Handelns reflektiert und einbezieht. Es ist eine Vision von Staaten, die nicht mehr Gewalt und Abschreckung, sondern Kooperation und das Wohlergehen aller Menschen als Voraussetzungen nachhaltiger Sicherheit sehen.

Die notwendigen politischen Weichenstellungen für eine nachhaltige, rein zivile Sicherheitspolitik im Deutschland des Jahres 2040 fasst "Sicherheit neu denken" in fünf zentralen Säulen zusammen:

    1. Gerechte Außenbeziehungen

Deutschland leistet seinen Beitrag zur globalen Gerechtigkeit, indem es das Klima-Abkommen von Paris 2015 konsequent umsetzt, eine faire Handelspolitik realisiert, zuverlässig in nachhaltige Entwicklung investiert und ökologische Ressourcen nur entsprechend seines Bevölkerungsanteils in Anspruch nimmt.

    2. Nachhaltige Entwicklung der EU-Anrainerstaaten

Deutschland ist aktiver Teil einer Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) und unterstützt den Au?au einer Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur.

    3. Teilhabe an der internationalen Sicherheitsarchitektur

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist die Schlüsselorganisation für Krisenprävention und Konfliktbearbeitung. Im Jahr 2040 entsendet Deutschland 50.000 Friedensfachkräfte in internationale UN-Friedensmissionen.

    4. Resiliente Demokratie

Deutschland stärkt entschlossen den Aufbau einer zivilen Konfliktkultur. Es finden flächendeckende Fortbildungen in konstruktiver Konfliktbearbeitung statt; Mediationszentren zur Prävention innergesellschaftlicher und internationaler Konflikte werden etabliert.

    5. Konversion von Bundeswehr und Rüstungsindustrie

Teile der Bundeswehr werden bis 2040 zu einem Internationalen Technischen Hilfswerk transformiert. Aus Deutschland und weiteren europäischen Ländern werden keine Waffen mehr exportiert, eine Konversion der Rüstungsproduktion zur zivilen Produktion wird sozialverträglich gestaltet.

    Ein konkreter, gangbarer Weg

Die Vision einer friedlicheren Gesellschaft, die auf Gewaltprävention, stabile Beziehungen und Kooperation setzt, ist nicht neu. Neu ist, dass ein konkreter, potenziell gangbarer Weg dorthin für den deutschen Kontext durchdacht und aufgezeichnet wurde. Die umfangreiche Analyse verschafft einer zivilen Sicherheitspolitik dringend notwendige Legitimation und hat das Potenzial, die eingefahrene Diskussion über Sicherheit und Frieden zu öffnen.@

 

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