Fundsachen aus dem Buch "Die Welt neu denken lernen –
Plädoyer für eine planetare Politik. Lehren aus Corona und anderen existentiellen Krisen" Unser Denken ändern von Werner Wintersteiner [aaa-Redaktion] "Sicherheit neu denken" lautet das Motto einer Kampagne, zu der sich seit 2019 mehrere friedenspolitisch engagierte Gruppierungen zusammengeschlossen haben. Aber wie geht "neu denken"? Auf einige Anregungen hierzu sind wir in Werner Wintersteiners Buch gestoßen. Auch wenn wir sie hier aus dem Zusammenhang gerissen präsentieren müssen, scheinen sie uns zu wetvoll, um sie vorzuenthalten.
"Ein bekanntes Gemälde von Francisco de Goya, Duelo a garrotazos (Duell mit Knüppeln) von 1820, porträtiert zwei Männer, die mit Knüppeln gegen einander kämpfen. Wer wird gewinnen? Ein genauerer Blick zeigt, dass es keinen Sieger geben kann. Denn beide stehen im Treibsand oder in einem Sumpf, und je mehr sie auf einander einschlagen, desto tiefer werden sie versinken. Der Philosoph Michel Serres (1990) nimmt dieses Bild als Symbol für den heutigen Zustand der Welt: Mit der vorherrschenden Gewaltkultur, der wahnwitzigen Überrüstung und den zahlreichen Kriegen und bewaffneten Konflikten löschen wir nicht nur das Leben vieler Menschen aus; während wir das Leben von noch viel mehr Menschen ärmer, schwieriger und qualvoller machen, vernichten wir nicht nur manche Kultur und manches Weltwissen, sondern riskieren wir auch, unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu zerstören. Politische Gewalt führt somit letztlich zum Selbstmord der Menschengesellschaft. Seine Schlussfolgerung: Wir müssen untereinander Frieden schließen, um mit der Natur Frieden schließen zu können. Und wir müssen mit der Natur Frieden schließen, um untereinander Frieden schließen zu können. So einleuchtend dieses Bild ist, so wenig, scheint es, wird die Lehre beachtet, die der Philosoph daraus zieht. (...)"
"Ändere die Welt! Sie braucht es" ist eine Losung, die auf Bertolt Brecht zurückgeht. Man sollte sie wohl abwandeln in ein "Ändern wir die Welt!" Denn es geht heute nicht um den Befehl einer Elitepartei an die unaufgeklärten Massen, wie er dem kommunistischen Dichter vorgeschwebt sein mag, sondern um einen Aufruf an die Zivilgesellschaft, die Welt neu zu denken und gemeinsam für grundlegende Veränderungen einzutreten. Und aus dem anmaßenden »Die Welt braucht Veränderung« sollte das bescheidenere und ökologisch korrektere »Wir brauchen eine veränderte Welt, wenn wir überleben wollen« werden. Auf jeden Fall aber geht es aber um Anmutungen der Veränderung, um die Anmutung zur Veränderung schlechthin. Vergebliche Hoffnung? Vielleicht. Aber was wäre die Alternative? . (...)"
"Die Militarisierung der Sprache (Metaphern und Rhetorik) in Zeiten von Krisen ist allerdings nicht neu. Schon seit Jahr und Tag konnten wir erleben, wie an sich sinnvolle Strategien zur Bewältigung von Problemen militaristisch aufgeladen werden: 1964 kündigte der damalige US Präsident Lyndon B. Johnson den »Krieg gegen die Armut« an. 1971 startete Präsident Richard Nixon seinen »Krieg gegen Drogen, den öffentlichen Feind Nr. 1«. 2001 rief Präsident George W. Bush als Antwort auf die Attacken gegen das World Trade Center in New York den »Krieg gegen den Terror« aus. Aber die Rede vom Krieg hat nicht nur Ursachen, sie hat auch Folgen. Kein Sprachgebrauch ist »unschuldig«. Die Leitbegriffe, die wir verwenden, steuern unsere Wahrnehmung und unser Handeln mit. »Wenn das einzige Werkzeug, das zur Hand ist, ein Hammer ist, sehen alle Problem wie Nägel aus«, kritisiert die amerikanische Friedenspädagogin Betty A. Reardon diese linguistische Aufrüstung. . (...)"
"Wären Marsmenschen unterwegs, um uns zu beobachten, würden sie vermutlich als allererstes diese Frage stellen: Warum verschwenden die menschlichen Lebewesen so viel Energie, Zeit und Ressourcen, um sich gegenseitig zu bedrohen oder gar systematisch und kollektiv umzubringen? Wieso merken sie nicht, dass sie sich nur selbst schaden? Die Gründe für Krieg und kollektive Gewalt sind vielfältig, sie sind ökonomischer wie politischer Natur, sie haben psychologische und kulturelle Motive. Eine über Jahrtausende geformte und immer wieder modifizierte Kultur des Krieges ist sicher ausschlaggebend. Und es gibt noch eine weitere Dimension, die nur ungern erhellt wird: Unsere imperiale Lebensweise auf Kosten des ›Rests der Welt‹ erfordert einen permanenten Zugriff auf Ressourcen des gesamten Globus. Dieser Zugriff wird mit allen Mitteln, vom ökonomischen Druck bis hin zur militärischen Gewalt, geschützt – vor denen, deren Ressourcen wir nutzen, wie auch vor potentiellen Rivalen. Die internationale Arbeitsteilung und die komplexen Machtverhältnisse bedingen, dass wir selbst es meist gar nicht bemerken, welchen Druck das globale System zur Verteidigung unserer Privilegien auf andere ausübt. . (...)"
"Man hat den Eindruck, dass es immer noch ein Tabu ist, über den Zusammenhang zwischen Militarismus, Krieg und Gewalt einerseits und Umweltfragen wie Klimakrise oder Coronakrise andrerseits zu sprechen. Dabei ist es eine Tatsache, dass das Militär weltweit einer der größten Faktoren für die Zerstörung der Umwelt und für die Klimaerwärmung ist. (...)"
"Wirtschaftliche Globalisierung und militärische Expansion bedingen einander. Der Wahnsinn hat also Methode. Aber die Methode, die militärische Logik, hat sich längst verselbständigt und ist selbst zum Wahnsinn geworden. Die Überrüstung mit Massenvernichtungs- und Atomwaffen entzieht der Menschheit wesentliche Mittel für einen gerechten Wohlstand für alle, sie schafft politische Spannungen, erhöht die Gefahr bewaffneter Konflikte, verhindert menschliche Sicherheit und ist wie gesagt ein Hauptverursacher der Klimakrise. Sie perpetuiert eine patriarchale Kultur der Gewalt. Gerade angesichts der gegenwärtigen Polykrise können wir uns diesen Wahnsinn nicht länger leisten." @ |
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