Ukraine:

Gefahr durch Atomanlagen
im Normalzustand und im Krieg

von aaaRed

Der Krieg in der Ukraine stellt eine beispiellose nukleare Bedrohung dar, da die 15 kommerziellen Atomreaktoren des Landes, darunter das größte AKW Europas, potenziell katastrophalen Schäden ausgesetzt sind, die weite Teile des europäischen Kontinents, einschließlich Russlands, unbewohnbar machen könnten.Aber auch im Normalbetrieb stellen die überalterten maroden AKWs eine Gefahr dar.

Trotz der Katastrophe von Tschernobyl 1986 und den gravierenden Folgen für die Bevölkerung setzt die Ukraine unvermindert auf die Nutzung der Atomenergie. Die Gefahren der Atomenergie scheinen in der Diskussion in der Ukraine offenbar keine Rolle mehr zu spielen. Bereits im Oktober 1993 wurde das 1990 vom Parlament beschlossene Moratorium für den Neubau von AKWs wieder aufgehobe. Seit Jahren plant die Regierung mit unterschiedlichen Partnern den Bau neuer AKWs. Landesweit deckt die Atomenergie  gut 50 Prozent des Strombedarfs.

    Atomkraftwerke

Zur Zeit sind in der Ukraine sind 15 Atomreaktoren an 4 Standorten in Betrieb: Chmelnyzkyj 1 und 2, Rowno 1 bis 4, Südukraine 1 bis 3 und Saporoshje 1 bis 6.

Europas leistungsstärkstes AKW steht in Saporischschja, gerade einmal 200 Kilometer südwestlich der von Separatisten kontrollierten Oblast Donezk. Dort werden sechs Reaktoren des Typs WWER-1000 betrieben, die zwischen 1985 und 1996 ihren kommerziellen Betrieb aufgenommen haben. Jeder der Blöcke erzeugt im Volllastbetrieb eine Nettoleistung von 950 Megawatt (MW). Die Region ist schon seit 2014 Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Russland und der Ukraine.

Rund 250 Kilometer weiter westlich liegt das AKW Süd-Ukraine. Die drei an diesem Standort betriebenen Reaktorblöcke stammen auch aus der WWER-1000-Baureihe und weisen ebenfalls eine Nettoleistung von 950 MW auf. Sie wurden 1983, 1985 und 1989 in den Leistungsbetrieb genommen.

Etwa 65 Kilometer südlich der Grenze zu Belarus befindet sich das AKW Rowno (Riwne). Dort speisen ebenfalls zwei WWER-1000 Strom in das ukrainische Landesnetz ein, darunter mit Rowno-4 seit 2006 der jüngste ukrainische Reaktorblock. Der Reaktorblock Rowno-3 hat seinen kommerziellen Betrieb 1987 aufgenommen. Seit 1981 bzw. 1982 produzieren außerdem zwei Reaktoren vom Typ WWER-440 eine Nettoleistung von je ca. 380 MW.

In rund 150 Kilometern Entfernung zur belarussischen Grenze liegt das KKW Chmelnyzkyj, an dem seit 1988 bzw. 2004 zwei Reaktoren der WWER-1000-Baureihe im Leistungsbetrieb sind. Zwei Reaktoren am Standort Chmelnizki sind im Bau.

Unmittelbar an Belarus angrenzend befindet sich das Gelände des früheren KKW Tschernobyl. Die vier Reaktoren in Tschernobyl sind stillgelegt. Der Reaktorblock 4 wurde bei dem katastrophalen Unfall 1986 zerstört und ist seit einigen Jahren unter einer neuen Schutzhülle eingeschlossen.

Alle laufenden Reaktoren sind WWER-Druckwasserreaktoren russischen Typs, die vier stillgelegten Reaktoren in Tschernobyl sind RBMK-Reaktoren, graphitmoderierte Siedewasser-Druckröhrenreaktoren.

Die AKWs werden vom staatlichen ukrainischen Energieversorger Energoatom betrieben. Die staatliche Aufsicht über kerntechnische Anlagen wird seit 2010 vom "State Nuclear Regulatory Inspectorate of Ukraine" (SNRIU) ausgeübt.  Eigentlich soll die staatliche Atomaufsicht unabhängig sein. "Tatsächlich aber werden die dortigen Abteilungsleiter vom staatlichen Energoatom-Konzern ernannt. Dies führt dazu, dass die Aufsichtsbehörde de facto dem zu beaufsichtigenden Unternehmen untersteht.

    Forschungsreaktoren

Die Ukraine betreibt seit 1960 den Forschungsreaktor WWR-M im Kernforschungsinstitut der Akademie der Wissenschaften in Kiew (KINR). Er hat eine leistung von 10 MWW und soll bis 2023 betrieben werden.

Der Ausbildungs- und Forschungsreaktor IR-100 und die kritische Anordnung Sph IR-100 befinden sich auf der Krim und damit inzwischen in russischer Hand. Im Forschungszentrum Kharkiv befindet sich ebenfalls ein Forschungsreaktor, eine Neutronenquelle sowie eine Einrichtung für die Produktion von Radioisotopen für Medizin, Forschung und Technik.

    Atommüll-Lager

Die meisten der bestrahlten Brennelemente lagern vor Ort in Zwischenlagern. 2014 enthüllten Journalisten, dass auf dem Gelände des AKW Saporischschja Metallfässer mit über 3000 verbrauchten nuklearen Brennelementen unter offenem Himmel lagern.

In Saporoshje ist seit 2001 ein Lager für die trockene Langzeit-Zwischenlagerung in Betrieb.

In ihrer Energiestrategie von 2006 schlug die ukrainische Regierung den Bau eines zentralen Zwischenlagers CSFSF (centralised dry storage facility for spent fuel) in der Tschernobyl-Sperrzone vor. 2014 genehmigte die Regierung den Bau eines Zwischenlagers auf 45 Hektar mit einer Kapazität für 16.350 bestrahlte Brennelemente, geschätzte Baukosten 460 Mio. US$. Im CSFSF sollen Brennelementen aus den AKW Rowno, Süd-Ukraine und Chemlnizki sowie verglaste Abfälle aus der Wiederaufarbeitung ukrainischer Brennelemente in Russland eingelagert werden, einige mit sehr hohem Abbrand und einer Wärmelast von 38 kW. Generalunternehmer ist die US-amerikanische Firma Holtec International. Der Transport der bestrahlten Brennelemente soll mit Holtec HI-STAR 190 Behältern durchgeführt und die Brennelemente vor Ort zur Lagerung in Holtec HI-STORM 190 umgelagert werden. Die Behälter werden von der ukrainischen Firma Turboatom hergestellt. Im Januar 2022 begann die kalte Testphase, die Transporte sollten im April 2022 beginnen.

Seit 2016 lagern alle bestrahlten Brennelemente aus den RBMK-Reaktoren von Tschernobyl in einem Nasslager (ISF-1), ebenfalls in der Sperrzone um Tschernobyl. Daneben wurde ein Trockenlager errichtet (ISF-2) in das die Brennelemente aus dem ISF-1 bis 2030 umgelagert werden sollen. Dazu werden sie in einer Heißen Zelle getrocknet und in NUHOMS-Behälter des französischen Unternehmen Orano gepackt. Im ISF-2 sollen sie dann 100 Jahre zwischengelagert werden. Die Betriebsgenehmigung für das ISF-2 wurde im April 2021 erteilt. Das ISF-2 kostete 411 Mio. US$, finanziert vom EBRD Nuclear Savety Account.

    Konditionierungsanlagen
    am Standort Tschernobyl

ICSRM: Industrial Complex for Slod Radwaste Management. Konditionierungsanlage, errichtet von NUKEM, Inbetriebnahme 2009. Konditionierung der festen, schwach und mittelradioaktive Abfälle aus Betrieb und Stilllegung der Reaktorblöcke 1-3: Verbrennung, Hochdruck-Kompaktierung, Zementierung und Verpackung. Außerdem wird in der Anlage hochradioaktiver sowie langlebiger fester Atommüll für eine separate Zwischenlagerung aussortiert.

LRTPO: Liquid Waste Treatment Plant (LRTP): Konditionierung flüssiger schwach- und mittelradioaktiver Abfälle, Umwandlung in einen festen Zustand, Verpackung in Container für Langzeit-Zwischenlagerung. Finanziert vom EBRD Nuclear Savety Account. [4]

    Zwischenlagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle

In den ukrainischen Großstädten Kiew, Charkiw, Dnepropetrowsk, Donezk, Lwiw und Odessa sogenannte Radon-Lager betrieben. In diesen Lagern werden schwach- und mittelradioaktive Abfälle aus Medizin, Forschung und Industrie zwischengelagert.

2015 löste die Explosion von Munition in der Nähe des Chemieunternehmens Donezk, die die nahegelegene Deponie für Strahlungsquellen hätte zerstören können, große Beunruhigung aus. Schon in den 2000er Jahren hatte eine Inspektion der Deponie ergeben, dass der Zementbunker, der den radioaktiven Abfall enthält, Risse hat. Inzwischen hat man begonnen, den Abfall neu einzusargen.

    Endlagerung

Im Rahmen der Errichtung der Konditionierungsanlage in Tschernobyl hat die deutsche Firma NUKEM 2008 auch ein oberflächennahes Endlager für kurzlebige radioaktive Abfälle 17 km vom AKW Tschernobyl entfernt errichtet. Als Abfallgebinde sind Betoncontainer für die konditionierten Festabfälle und 200-l-Fässer für die konditionierten Flüssigabfälle vorgesehen. Die Lagerkapazität ist für 55.000 m3 behandelten Abfall ausgelegt. Das Lager ist für eine radiologische Überwachung von 300 Jahren nach der Einlagerung ausgelegt. Danach ist die Radioaktivität der Abfälle soweit abgeklungen, dass keine Kontrolle mehr notwendig ist.

Mit europäischer Hilfe errichtete das Staatsunternehmen Radon ein Lager für schwachradioaktive Abfälle aus der Industrie. Die Abfälle sollen einbetoniert werden. Die ersten 29 Container aus einem Charkower Kombinat wurden 2015 eingelagert. Auch dieses Lager ist für 300 Jahre ausgelegt, so dass die Frage nahe liegt, ob es sich hierbei um ein Zwischenlagerprojekt oder ebenfalls um ein Endlagerprojekt handeln soll.

Nach der Katastrophe von Tschernobyl wurde kontaminiertes Material am Rande diverser Ortschaften, oft ohne jegliche Dokumentation oder Absicherung gelagert. Die DMT hat im Rahmen des von der Europäischen Union finanzierten Projekts  "Remediation of Radioactive Waste Storage Sites Resulting from the Chernobyl Nuclear Power Plant Accident and Situated Outside the Exclusion Zone” ein Pilotprojekt zur Charakterisierung und Bergung der "endgelagerten" Abfälle und zru Umlagerung in die Sperrzone durchgeführt.

    Tschernobyl-Super-Gau

Im Norden der Ukraine, im damals russischen Tschernobyl, kam es am 26. April 1986 zum Super-GAU in Block 4 des AKW Tschernobyl; die radioaktive Wolke zog über ganz Europa. Die Strahlung ruinierte das Leben und die Gesundheit von Millionen. Auch die psychologischen, sozialen und ökologischen Folgen wirken bis heute nach. Die Blöcke 1 bis 3 des AKW Tschernobyl wurden zwischen 1991 und 2000 nach und nach abgeschaltet. Doch das gerade einmal zwei Autostunden von der Hauptstadt Kiew entfernte Tschernobyl ist auch heute noch eine Gefahr – das gilt umso mehr in Kriegszeiten. Nachdem der 1986 provisorisch gebaute "Sarkophag" zerfiel und die Bevölkerung nicht mehr schützte, wurde 2016 das "New Safe Confinement" fertiggestellt, das auf eine Lebenszeit von 100 Jahren ausgelegt ist. Es befinden sich geschätzt noch ca. 95 Prozent des geschmolzenen Kernbrennstoffs vor Ort.

    Störfälle

Nach mehreren Störfällen kam es 2015 im AKW Saporoshje zu einem Druckabfall. Daraufhin wurden die Streitkräfte im Bezirk vorsorglich mit Schutzausrüstung gegen Strahlung und Chemikalien ausgerüstet.

Am 16.07.2016 kam es im Block Chmelnizky-1 zu einem Druckaufbau im Primärkreislauf, zu einem Kühlmittelleck im Dampfgenerator und einem Druckabfall bei den Brennstoffpatronen. Die Regierung verheimlichte die Schwere des Vorfalls.

In den Reaktorblöcken von Rowno gab es mehrfach Probleme mit dem Kühlsystem und auch die Reaktoren des AKW Südukraine weisen gefährliche Schwachstellen und Abweichungen von den Sicherheitsnormen auf

    Langer Weg
    aus der Abhängigkeit

Die Ukraine versucht seit Jahren, ihre Abhängigkeit von russischem Öl, Gas und Atombrennstoff zu reduzieren. Russland beteiligte sich nicht nur an einer Modernisierung der ukrainischen AKW, die allesamt noch aus Sowjetzeiten stammen, sondern lieferte auch Brennelemente und nahm den entstandenen Atommüll jahrzehntelang wieder zurück. Nach anfänglichen Kompatibilitätsproblemen bezieht die Ukraine inzwischen 60 Prozent der Brennstäbe aus der Brennelementherstellung von Westinghouse in Västeras (Schweden) (Stand: Februar 2021). Der Rest kommt vorerst weiter von TVEL aus Russland, wobei Westinghouse und Energoatom auch Brennstäbe für die übrigen ukrainischen Reaktoren entwickeln wollen. Nach ihrem Einsatz werden die abgebrannten Brennelemente entweder nach Russland zur Lagerung und Wiederaufarbeitung gebracht oder an den Standorten zwischengelagert.

Der v.a. politisch motivierte Einsatz amerikanischer Brennelemente in Reaktoren russischer Bauart, die dafür nicht ausgelegt sind, ist umstritten und führt zu Sicherheitsproblemen. Nach einem Störfall im AKW Südukraine forderten Beschäftigte des AKW, den Einsatz US-amerikanischer Brennelemente zu verbieten, sie hatten aber keinen Erfolg.

Seit 2009 gibt es Bestrebungen in Kooperation mit den USA, Frankreich oder Russland eine eigene Brennelementfabrik in der Ukraine aufzubauen, die jedoch aus diversen Gründen scheiterten. In einer Vereinbarung mit Westinghouse vom September 2021 wird auch der Bau einer solchen Fabrik erwähnt.

    Laufzeitverlängerungen und Expansionspläne

1994 bescheinigte das Bundesumweltministerium, dass die ukrainischen AKWs wegen der desolaten Wirtschaftslage in der Ukraine unter Werkstoffproblemen, unzureichender Instrumentierung, unzureichendem Brandschutz und einem schlechten Erhaltungszustand sowie unter Schwächen in der Betriebsführung leiden." Diese Probleme haben sich seitdem verschärft.

Ursprünglich war die Laufzeit der Reaktoren auf 30 Jahre ausgelegt, es haben jedoch mehrere Laufzeitverlängerungen ohne entsprechende Nachrüstung stattgefunden. Aus finanziellen Gründen werden die störanfälligen Reaktoren nur in den dringendsten Fällen repariert und sind höchst störanfällig. Gleichzeitig wurde die Auslastung der AKWs hochgefahren.

Eigentlich hätten 12 der 15 Atomreaktoren zwischen 2010 und 2020 mit dem Ablauf der geplanten Laufzeit vom Netz genommen werden müssen. Stattdessen verlängerten die staatliche Regulierungsbehörde, der Staatskonzern Energoatom, der alle AKW betreibt, und die Regierung die Laufzeit der Meiler, teilweise sogar um 20 Jahre. Kraftwerke, die für eine Lebensdauer von 30 Jahren gebaut worden waren, sollen also nun erst nach 50 Jahren vom Netz genommen werden.

Nach dem Reaktorunfall von Fukushima wurden auch für die ukrainischen AKW sogenannte "Stresstests" durchgeführt. Die daraufhin ausgesprochenen Empfehlungen für ergänzende Sicherheitsmaßnahmen wurden bis heute nicht vollständig umgesetzt.

Ein Problem besteht z.B. mit den Notfall-Dieselgeneratoren am Standort Saporischja, die eine moderne elektronische Steuerung erhalten sollten. Laut dem ursprünglichen, mit der Regulierungsbehörde abgestimmten Plan hätten die Arbeiten schon Ende 2017 abgeschlossen sein müssen. Nach dem CCSUP Umsetzungsbericht war dies aber auch bis Ende Juni 2020 für keinen der sechs dortigen Reaktorblöcke erfolgt.

Insgesamt wurden in den letzten Jahren 1,45 Milliarden Euro in die alten Reaktoren investiert; davon kamen 600 Millionen von der EBWE sowie der EURATOM. Doch trotz dieser immensen Ausgaben steigen die Risiken, da der Austausch wichtiger und hoch beanspruchter Kraftwerkskomponenten wie etwa des Reaktordruckbehälters nicht vorgesehen ist.

    Plan für den Bau
    weiterer Reaktoren

Gleichzeitig plant die Ukraine den Bau weiterer Reaktoren. Energoatom hat einen massiven Ausbau der Atomenergie angekündigt und will die Gesamtkapazität von aktuell knapp 14 Gigawatt auf 24 Gigawatt erhöhen. Erreicht werden soll dies durch die Fertigstellung der Reaktoren Chmelnyzkyj 3 und 4 und den Bau weiterer Reaktoren, darunter auch SMR des US-Unternehmens Holtec International. Den überschüssigen Strom will die Ukraine in die Europäische Union exportieren. Die Bauarbeiten bei den Reaktorblöcken Chmelnyzkyj 3 und 4, die in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre begannen, standen seit 1990 still. Nachdem die Verträge über die Fertigstellung von ukrainischer Seite aufgekündigt wurden, ist das Projekt aufgrund einer Verordnung von Präsident Wolodimir Selenskyj offiziell zwar wieder im Bau, doch tatsächlich scheint auf der Baustelle nicht viel zu passieren. Auch weitere Reaktoren könnten an diesem Standort entstehen.

Im September 2021 unterzeichneten Selenskyj und Westinghouse eine Vereinbarung über den Neubau von vier AP1000 Reaktoren an bestehenden Standorten.. Zuvor soll jedoch in einem Pilotprojekt der WWER-Reaktor Chmelnitzky-4 mit AP1000-Komponenten fertig gebaut werden. Auftragsvolumen für die fünf Reaktoren: 30 Mrd. Dollar, finanziert von der US-amerikanischen Eximbank. Darüber hinaus gibt es verschiedene Absichtserklärungen mit US-amerikanischen Firmen über den Bau von Small-Modular-Reaktoren.

Zur aktuellen Lage

    Kiew: Lager für radioaktive Abfälle der Firma Radon

In der Nacht vom 26. auf den 27. Februar 2022 ist ein Lager für radioaktive Abfälle der Firma "RADON" von Granaten getroffen worden.

    Forschungszentrum Kharkiv

Das Gelände des Foschungszentrums Kharkiv war mehrfach Ziel russischer Angriffe: Bereits am 26. Februar war in Kharkiw ein Lager für radioaktive Abfälle der Firma "RADON" getroffen worden. Es wurden keine radioaktiven Stoffe freigesetzt.

Beim Beschuss am 6., 8., 10. und 11.März 2022 sind offenbar erhebliche Schäden am Gebäude entstanden." Nach Informationen des Betreibers sei das nukleare Forschungszentrum infolge einer Bombardierung beschädigt und vollständig von der Energieversorgung abgeschnitten worden. In den Gebäuden befindet sich eine Neutronenquelle.

Nach aktuellem Kenntnisstand ist die Anlage bereits am 24. Februar 2022 in einen tief unterkritischen Zustand ("deep subcritical state") überführt worden.

    Strahlenquellen
    in der Ostukraine

In den Gebieten der Ostukraine, die schon seit Jahren von der ukrainischen Regierung nicht mehr kontrolliert werden, gibt es neben dem Zwischenlager in Donezk 1.200 ionisierende Strahlenquellen, 65 Einrichtungen, die solche Strahlenquellen benutzen sowie 142 Strahlenquellen in den Kohlebergwerken. Zu den meisten dieser Strahlenquellen gibt es überhaupt keine Informationen. Im Juli 2015 fand die Nationale Sicherheitsagentur heraus, dass Aufständische in Luhansk mehrere Quellen ionisierender Strahlung aus den besetzten Kohlekraftwerken verkauft hatten. Im März 2016 fing die Nationale Sicherheitsagentur drei Quellen ionisierender Strahlung in Saporischschja ab, die angeblich durch die unkontrollierten Gebiete an der russisch-ukrainischen Grenze in die Ukraine gebracht worden waren.

    Tschernobyl:

Der Standort Tschernobyl war bereits durch militärische Angriffe mehrfach vom öffentlichen Stromnetz abgeschnitten. "In Tschernobyl lagern ungefähr 20.000 Brennelemente in einem Lagerbecken. Selbst bei einem vollständigem Stromausfall besteht nach Einschätzung des BfS keine Gefahr einer sofortigen Freisetzung von radioaktiven Stoffen, da sich das Lagerbecken aufgrund des hohen Alters der Brennelemente (mehr als 20 Jahre) nur langsam erwärmen würde. Selbst ohne jegliche Wasserkühlung wären die maximal möglichen Temperaturen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht hoch genug, um zu Schäden an den Brennelementen zu führen. Am 21. März 2022 konnte nach Angaben der IAEA nach fast vier Wochen erstmals wieder ein Schichtwechsel des Personals stattfinden. Zuvor war die Anlage seit Beginn der Besetzung von dem gleichen Personal betreut worden.

    AKW Saporoshje:

Das Atomkraftwerk "steht unter russischer Kontrolle, wird aber weiterhin von ukrainischem Personal betrieben. Nachdem zwischenzeitlich nur noch ein Reaktor am Netz war, sind inzwischen wieder zwei Blöcke im Leistungsbetrieb. Die übrigen vier sind abgeschaltet. Mehrere Hochspannungsleitungen sind unterbrochen, die Stromversorgung ist durch die verbliebenen Leitungen ausreichend gewährleistet. Nach Berichten ist ein Gebäude am Reaktorblock 1 beschädigt worden und die Radioaktivitätsüberwachung des Reaktors ist ausgefallen. Bei einem Brand in einem Trainingszentrum auf dem Gelände des AKW am frühen Morgen des 4. März 2022 ist keine Radioaktivität ausgetreten. Berichte über eine Explosion von Munition nahe dem Kraftwerk am 14. März wurden der IAEA vom Betriebspersonal bestätigt. Demnach hatte das russische Militär nicht explodierte Munition gesprengt, die sich infolge zurückliegender Kampfhandlungen auf dem Betriebsgelände befand. Hinweise auf einen Austritt von Radioaktivität liegen nicht vor.

Störfälle und
Kriegsgefahren

Immer wieder finden sich in der ukrainischen Presse Berichte über Störfälle in den AKW. Schon in friedlichen Zeiten ist es gefährlich, auf Atomkraft zu setzen. Und der russische Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 zeigt, wie sich diese Gefahr in geopolitisch instabilen Zeiten potenziert:

  • Bei Schäden oder starken Spannungsschwankungen im Hochspannungsnetz oder gar einem Ausfall der Stromversorgung muss ein AKW vom Stromnetz getrennt und kontrolliert heruntergefahren werden. Es muss sich dann zunächst im Inselbetrieb selbst versorgen, also nur noch genau so viel Strom erzeugen, wie es selber verbraucht, unter anderem für Sicherheitsleittechnik und vor allem die Kühlwasserpumpen. Dieser "Lastabwurf auf Eigenbedarf" ist fehleranfällig und gelingt längst nicht immer. Dann muss das Kraftwerk notabgeschaltet werden und ist von da an auf die Notstromdiesel angewiesen. Auch diese sind störanfällig und brauchen zudem große Mengen Diesel – der in Kriegszeiten knapp sein könnte.
     
  • Kein AKW ist gegen direkten Beschuss geschützt. Dass die russische Armee gezielt Schäden an ukrainischen AKW herbeiführen will, ist zwar eher unwahrscheinlich, weil eine radioaktive Wolke nicht nur die Ukraine, sondern höchstwahrscheinlich auch Russland selbst kontaminieren würde. Fehlschüsse, zufällige Treffer und Unterbrechung der Stromversorgung durch Kampfhandlungen sind aber alles andere als ausgeschlossen. Auch Atommüll-Lager, insbesondere mit hochradioaktiven abgebrannten Brennelementen, könnten bei Beschädigung große Mengen radioaktiver Stoffe freisetzen.
     
  • Denkbar sind auch Terrorangriffe und Sabotage: Bereits 2015 musste ein AKW notabgeschaltet werden, weil das Stromnetz aufgrund der Sprengung von Hochspannungs-Masten in der Krim-Region durch Separatisten nicht mehr stabil war.
     
  • Muss ein großes AKW abgeschaltet werden, fällt die Stromversorgung ganzer Regionen aus. So versorgt das AKW Saporischschja fast den gesamten Süden der Ukraine mit Strom. Berichten zufolge operiert das Stromnetz der Ukraine derzeit im Inselbetrieb, ist also nicht mehr mit anderen Netzen, etwa dem russischen, verknüpft. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit von Störungen und Blackouts – einschließlich aller Gefahren, die daraus für die AKW erwachsen, siehe oben. Ein Anschluss an das europäische Stromnetz ist laut EU-Energiekommissarin Kadri Simson geplant.

Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien, Rafael Grossi, warnte bereits vor der Gefahr eines schweren Atomunfalls in Folge der Kämpfe. IPPNW : "Die zunehmende Gefahr einer nuklearen Katastrophe macht die sofortige Durchsetzung einer demilitarisierten Zone um die ukrainischen AKW durch die IAEO zwingend erforderlich."

Axel Mayer: "Während in der Ukraine die kriegsbedingte Gefahr extrem schwerer Atomunfälle wächst, versuchen auch in Deutschland atomar- fossile Seilschaften die Gefahrzeitverlängerung für AKWs durchzusetzen. Die atomaren Gefahren in der Ukraine zeigen: Die alte Lobby hat nichts verstanden."@



Quellen:
www.ausgestrahlt.de/
www.atommuellreport.de

 

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