Koalitionsvertrag der Ampelregierung

"mehr Fortschritt wagen"

Abrüstungsrhetorik und Aufrüstungsfakten

von aaa-Red

Die im Koalitionsvertrag vollmundig angekündigte "abrüstungspolitische Offensive" entpuppt sich bei näherem Hingucken als Ansammlung vager Absichtserklärungen. Kritische Positionen wurden fast durchweg fallengelassen, von der Bewaffnung von Drohnen über die Nukleare Teilhabe bis hin zur Bereitstellung der Gelder für die Umsetzung der NATO-Planziele.

    Bekenntnis zur NATO

"Das transatlantische Bündnis ist zentraler Pfeiler und die Nato unverzichtbarer Teil unserer Sicherheit."( Koalitionsvertrag "Mehr Fortschritt wagen") Ein Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen war von einer "Ampel"-Koaliton nicht zu erwarten. Die Grünen hatten das zwar in ihrem Wahlprogramm als Ziel formuliert - da sie aber gleichzeitig Wert auf ein Bekenntnis zur Nato legten, war klar, dass sie darauf noch lange zu warten bereit sind. Denn die Nato boykottiert diesen Vertrag ebenso wie Russland, China und Nordkorea.

    Verteidigungsausgaben

Ein weiterer seit vielen Jahren hochumstrittener Punkt sind die Verteidigungsausgaben, bei denen vor allem die USA auch unter dem neuen Präsidenten Joseph Biden darauf drängen, es sollten zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) hierfür ausgegeben werden. Für Deutschland, das seine Ausgaben zwischen 2014 (32,5 Mrd. Euro) und 2020 (45,1 Mrd. Euro) bereits rasant erhöht hat, hätte eine Umsetzung des 2-Prozent-Ziels sogar einen Haushalt von 67,3 Mrd. Euro (2020) bedeutet. Obwohl Olaf Scholz noch als Finanzminister für 2022 eine – allerdings vom Parlament noch zustimmungspflichtige – weitere saftige Erhöhung auf 50,33 Mrd. Euro (2022) zugesagt hat, ist offensichtlich, dass Deutschland auch damit noch weit von den US-Forderungen entfernt ist.

Vor diesem Hintergrund wird in Deutschland schon länger die Sinnhaftigkeit des 2-Prozent-Ziels angezweifelt, unter anderem mit dem Argument, Deutschland leiste zum Beispiel weit mehr Entwicklungshilfe als die meisten anderen NATO-Länder und trage hierüber auch zur Sicherheit in der Welt bei.

Sich allein auf die Militärausgaben zu fokussieren sei somit verkürzt, vielmehr sei das Gesamtpaket zu berücksichtigen – und genau in diese Richtung argumentiert nun auch der Koalitionsvertrag: "Wir wollen, dass Deutschland im Sinne eines vernetzten und inklusiven Ansatzes langfristig drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in internationales Handeln investiert, so seine Diplomatie und seine Entwicklungspolitik stärkt und seine in der NATO eingegangenen Verpflichtungen erfüllt."

Rechnet man die drei Posten zusammen, so summieren sich im Jahr 2020 die Ausgaben für Verteidigung (45,1 Mrd.), Entwicklung (24,9 Mrd.) und Außen (6 Mrd.) auf 76,3 Mrd. Euro. Drei Prozent des BIP wären 101 Mrd. Euro gewesen, rund 24 Mrd. wären also noch als Spielraum vorhanden gewesen. Wer nun allerdings den größten Batzen davon erhalten und wie sich die Gelder über die einzelnen Ressorts verteilen sollen, darüber schweigt sich der Koalitionsvertrag aus – und die FDP wird den Finanzminister stellen.

Stutzig machen sollte auch, dass die Idee bereits 2017 ausgerechnet von Wolfgang Ischinger prominent in die Debatte eingeschleust wurde. Schon damals äußerte sich der nicht gerade für seine Militär- und Rüstungsferne bekannte Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz: "Mindestens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts also für Krisenprävention, Entwicklungszusammenarbeit, Diplomatie und Verteidigung – das schiene mir eine gute Richtschnur zu sein."

Und endgültig alle Alarmglocken sollten angehen, wenn man über folgende Passage im Koalitionsvertrag stolpert: "Die NATO-Fähigkeitsziele wollen wir in enger Abstimmung mit unseren Partnern erfüllen und entsprechend investieren."

Der hierfür für erforderlich gehaltene finanzielle Bedarf wurde Anfang des Jahres vom Verteidigungsministerium mit konkreten Zahlen versehen, indem ihre "geheime" Finanzbedarfsanalyse für die Umsetzung des NATO-Fähigkeitszieles an die Presse durchgestochen wurde. Der Schritt war auch als Breitseite gegen die bis heute gültige, aber jederzeit wieder einkassierbare Mittelfristige Finanzplanung des Finanzministeriums gedacht, der zufolge der Bundeswehrhaushalt nach der saftigen Erhöhung 2022 (50,33 Mrd.) schrittweise bis 2025 auf 46,74 Mrd. Euro absinken soll.

Die Bundeswehr mahnt dagegen an, für die Umsetzung der im Koalitionsvertrag so prominent erwähnten NATO-Fähigkeitsziele sei eine Erhöhung des Etats auf 61,5 Mrd. Euro im Jahr 2025 erforderlich. So droht unter dem Mantel eines Drei-Prozent-Zieles eine deutliche Erhöhung des Rüstungshaushaltes – und genau das dürfte auch der Sinn der Übung sein.

    Atomwaffenverbotsvertrag

Eigentlich will man Atomwaffen abschaffen, aber nicht um den Preis, sich schnellstmöglich von "nuklearer Teilhabe" im Rahmen der Nato zu verabschieden, was die Voraussetzung für den Beitritt zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag wäre.

Statt dem Verbotsvertrag beizutreten, will die designierte neue Bundesregierung "in enger Absprache mit unseren Alliierten" als Beobachter an der Vertragsstaatenkonferenz teilnehmen. Von der Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages im kommenden Jahr soll ein "wichtiger Impuls für die nukleare Abrüstung" ausgehen.

Zur Erinnerung: Der UN-Atomwaffenverbotsvertrag war am 22. Januar dieses Jahres in Kraft getreten, nachdem er von 50 der 122 Staaten, die im Juli 2017 für ihn gestimmt hatten, auch ratifiziert worden war.

    Nukleare Teilhabe

Statt sich konkret zum weiteren Umgang mit US-Atomwaffen auf dem Luftwaffenstützpunkt Büchel in der Eifel zu äußern, ergehen sich die "Ampel"-Parteien in Phrasen wie "Wir brauchen eine abrüstungspolitische Offensive und wollen eine führende Rolle bei der Stärkung internationaler Abrüstungsinitiativen und Nichtverbreitungsregimes einnehmen." Das Ziel bleibe "eine atomwaffenfreie Welt".

Gleichzeitig haben die "Ampel"-Parteien kein Problem mit der Beschaffung von Trägersystemen für in Deutschland gelagerte Atombomben. So heißt es im Koalitionsvertrag auch: "Wir werden zu Beginn der 20. Legislaturperiode ein Nachfolgesystem für das Kampfflugzeug Tornado beschaffen. Den Beschaffungs- und Zertifizierungsprozess mit Blick auf die nukleare Teilhabe Deutschlands werden wir sachlich und gewissenhaft begleiten."

Faktisch bekennt sich damit der Koalitionsvertrag damit ohne Wenn und Aber zur Nuklearen Teilhabe.

Nukleare Teilhabe soll schön klingen, meint aber etwas Schreckliches. Dabei geht’s darum, ob deutsche Kampfjet-Piloten auf den Knopf drücken sollen, wenn es um die atomare Auslöschung ganzer Regionen geht. Und: Sollen Atomsprengköpfe aus der Eifel daran beteiligt sein?

Seit 65 Jahren beteiligt sich die Bundesrepublik als Mitglied des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses an der nuklearen Abschreckung. Nukleare Teilhabe, wie es offiziell heißt. Dafür lagert die US-Army im rheinland-pfälzischen Büchel auf einem Fliegerhorst der Luftwaffe in unterirdischen Bunkern Atombomben. Es sollen 20 Stück vom Typ B-61 sein, jede mit einer Sprengkraft von etwa 50 Kilotonnen.

Die Kampfflugzeuge "Tornados" , die bereits seit 40 Jahren in der Bundeswehr eingesetzt werden, sind dafür lizensiert, amerikanische Atombomben zu transportieren. Die 93 "Tornados" der Luftwaffe sollen ab 2025 durch bis zu 90 "Eurofighter" und weitere 45 Flugzeuge vom Typ F-18 ersetzt werden. Begründet wird das mit Modernisierung, Abschreckung, Nato-Solidarität, "nuklearer Teilhabe".

Die "Eurofighter", die in der Bundeswehr bislang als Jäger und seit Kurzem auch als Aufklärer im Einsatz sind, sollen dann auch in der Rolle des Jagdbombers geflogen werden. Für den elektronischen Kampf will das Bundesverteidigungsministerium 15 EA-18 'Growler und für die nukleare Teilhabe 30 F/A-18 "Super Hornet" beim Luftfahrtkonzern Boeing beschaffen. Der einzige Zweck der "Super Hornet" ist es, im Falle eines Falles amerikanische Atombomben an ihr Ziel zu bringen.

Als Kostenpunkt errechnete eine Studie von Greenpeace, die Anschaffung der 45 F-18 werde auf einen Betrag zwischen 7,67 Mrd. Euro und 8,77 Mrd. Euro hinauslaufen.

    Grünes Licht für die Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr

Trotz durchaus auch beträchtlicher parteiinterner Skepsis hatten die Grünen sich bekanntlich bereits im Juni 2021 auf ihrem letzten Parteitag vor der Wahl für eine Bewaffnung von Drohnen ausgesprochen. Die SPD wiederum, auf deren Druck Ende letzten Jahres immerhin eine Bewaffnung der Heron TP auf Eis gelegt wurde, berief zunächst einmal eine Arbeitsgruppe, die sich mit dieser Angelegenheit intensiv beschäftigen sollte. Als sich deren Abschlussbericht am 12. Oktober 2021 aber für eine Bewaffnung von Drohnen aussprach, war der Weg Richtung Kampfdrohnen faktisch geebnet.

Tatsächlich heißt es nun im Koalitionsvertrag: "Bewaffnete Drohnen können zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz beitragen. Unter verbindlichen und transparenten Auflagen und unter Berücksichtigung von ethischen und sicherheitspolitischen Aspekten werden wir daher die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr in dieser Legislaturperiode ermöglichen."

    Rüstungexportgesetz

Angekündigt wird ein Rüstungsexportgesetz : "Für eine restriktive Rüstungsexportpolitik brauchen wir verbindlichere Regeln und wollen daher mit unseren europäischen Partnern eine entsprechende EU-Rüstungsexportverordnung abstimmen. Wir setzen uns für ein nationales Rüstungsexportkontrollgesetz ein.

Unser Ziel ist es, den gemeinsamen Standpunkt der EU mit seinen acht Kriterien sowie die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, die Kleinwaffengrundsätze und die Ausweitung von Post-Shipment-Kontrollen in einem solchen Gesetz zu verankern. Nur im begründeten Einzelfall, der öffentlich nachvollziehbar dokumentiert werden muss, kann es Ausnahmen geben."

Sowohl die nationalen wie auch die europäischen Rüstungskontrollrichtlinien sind dem Wortlaut nach durchaus sehr restriktiv – es fehlt allerdings bislang die Option, juristisch deren Einhaltung überprüfen und ggf. erzwingen zu können. Sollte das angekündigte Rüstungsexportgesetz diese eklatante Lücke tatsächlich schließen, wäre dies ein erheblicher Fortschritt. Es bleiben erhebliche Zweifel und die Notwendigkeit, die Umsetzung der Ankündigung einzufordern.@

 

- zurück




      anti-atom-aktuell.de