Ein Atommüll-Endlager in Schacht Konrad gefährdet die Gesundheit schon während des Baus, während der Einlagerung und für ewig lange Zeit danach

Die Gesundheit der Bevölkerung

von Marianne Neugebauer

Grundsätzlich verlangt das Strahlenschutzgesetz, dass zur Vermeidung unnötiger Exposition und zur Dosisreduzierung bei Planung, Betrieb und Nachbetrieb von Endlagern für radioaktive Abfälle das Minimierungsgebot einzuhalten ist.

Um die Frage zu beantworten, welche gesundheitlichen Belastungen für die Bewohner*innen der Region aus dem laufenden Ausbau, Inbetriebnahme und Einlagerung und dem späteren Nachbetrieb / Stilllegung resultieren, muss betrachtet werden, von welchen Strahlenbelastungen auszugehen ist, über welche Wege es zu Belastungen kommt und welche auch für den sogenannten Nachbetrieb nach Beendigung der Einlagerung von Atommüll angenommen werden können. Am Ende geht es um die Frage, wie es um die Langzeitsicherheit von Schacht KONRAD bestellt ist.

Jedoch bereits jetzt schon, wo die Einlagerung von Atommüll in Schacht KONRAD noch nicht begonnen hat, hat die Strahlenbelastung durch Radon zugenommen.

    Neuere Erkenntnisse bezüglich der schädigenden Wirkung von Radon

Die Radonbelastung entsteht nicht erst mit Beginn der Einlagerung radioaktiver Abfälle in Schacht KONRAD, sondern hat sich seit Beginn der Umbaumaßnahmen 2007 in Schacht KONRAD erhöht.

Beim Ausbau jetzt und dann auch im Betrieb wird das natürlich vorkommende Radon mit seinen Folgeprodukten bei der bergbaulichen Tätigkeit in dem Eisenerzbergwerk KONRAD freigesetzt und an die Umgebung abgegeben. Von der Belastung durch Radon sind sowohl die Beschäftigten als auch die Normalbevölkerung erheblich betroffen.

Etwa fünf Prozent der Todesfälle durch Lungenkrebs in der Bevölkerung sind nach aktuellen Erkenntnissen auf Radon und seine Zerfallsprodukte in Gebäuden zurückzuführen.

Darauf weist auch das Bundesamt für Strahlenschutz auf seiner Webseite hin. Diese Bewertung durch das BfS wird jedoch in den Gutachten der Sicherheitsüberprüfung für Schacht KONARD gar nicht erwähnt. Die die Internationale Strahlenschutzkommission ICRP (International Commission on Radiological Protection) hat 2010 eine Empfehlung verabschiedet, nach der das absolute Risiko für Lungenerkrankungen durch Radon verdoppelt ist.

Die Neubewertung des radonbedingten Gesundheitsrisikos durch die ICRP sei für die Bewertung gegenwärtig nicht relevant, so die ÜSiKo, weil es noch keine neuen rechtlichen Regelungen in Deutschland dazu gäbe.

Aus den genannten ICRP-Empfehlungen und auch Dokumenten der WHO ergibt sich, dass das Risiko bei Strahlenbelastungen durch Radon deutlich höher eingeschätzt werden muss als zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses für Schacht KONRAD aus 2002. Bereits jetzt muss von verdoppelten Dosiskoeffizienten ausgegangen werden. Radon ist das Hauptnuklid, das beim Betrieb von Schacht KONRAD vorkommt.

    Betriebsphase
    Beeinträchtigungen durch radioaktive Abluft

Bei Betrieb werden radioaktive Stoffe über einen auf dem Betriebsgelände befindlichen 45 m hohen Diffusor über Schacht 2 und einen 30 m hohen Abluftkamin über der Pufferhalle in die Luft abgegeben, um ausreichend für „Verteilen und Verdünnen“ zu sorgen.

Nachfolgend die festgelegten Grenzwerte für mögliche Belastungen:

Tritium 1,5 x 1013 Bq/Jahr
Jod 129 7,4 x 106 Bq/Jahr
Kohlenstoff14 3,7 x 1011 Bq/Jahr
Radon222 1,9 x 1012 Bq/Jahr

Alpha-, Beta- und Gamma-Aerosole weitere,
vor allem Edelgase sowie das gesamte Krypton-85-Inventar

Krypton-85 ist ein radioaktives Gas und ein Beta-Strahler; es verbleibt nach der Emission fast vollständig in der Atmosphäre und wird über die Atemluft vom Körper aufgenommen. Luft wird von Krypton-85 von allen radioaktiven Stoffen am stärksten ionisiert; es beeinflusst das luftelektrische Feld der Atmosphäre erheblich, wie zum Beispiel Änderungen beim Gefrier- und Taupunkt von Wolkenwasser, als auch beim Zustandekommen von Graupel und Hagel. Zudem nehmen durch die Zunahme von Krypton-85 in der Atmosphäre die Blitzhäufigkeit und Waldbrände global zu.

Die Bewetterung des Bergwerkes führt zwangsläufig zur unkontrollierbaren Abgabe und radioaktiven Freisetzung in die Umgebung.

Inzwischen sind direkt neben dem Einlagerungsschacht sieben große Windräder errichtet. Dies führt natürlich in der unmittelbaren Umgebung zu Verwirbelungen und völlig anderen Luft- und Windverhältnissen, deren Rückwirkung auf die radioaktive Belastung durch den Luftpfad gar nicht betrachtet worden sind.

In den alten Ausbreitungsberechnungen wurden ebenso besondere Witterungsverhältnisse, wie heftige Regengüsse bei Gewitter oder Nebel nicht berücksichtigt.

Eine neue Ausbreitungsrechnung mit diesen neuen meteorologischen Daten am Hauptemissionsort am Standort des Diffusor am Schacht 2 ist deshalb dringend geboten.

Die Forderung drängt sich auf, dass mögliche Veränderungen durch den Klimawandel ebenfalls bei einer Neubewertung der Sicherheitsanforderungen betrachtet werden müssen.

    Das radioaktive Abwasser

beim Betrieb von Schacht KONRAD speist sich aus drei Quellen: Grubenwasser, Abwasser aus übertägigem Kontrollbereich und dem Kondensat des Diffusor; vorgesehen sind Einleitungen in das nahegelegene Flüsschen Aue als Vorfluter und Entwässerungsträger des Schachtes Konrad.

Die Einleitung des radioaktiven Abwassers aus der Schachtanlage kann nur über eine 4 km lange Druckwasserleitung bewerkstelligt werden und muss mit einem Durchsatz von 320 l in der Sekunde erfolgen. Sie folgt somit lediglich dem Prinzip von Verdünnen und Verteilen der radioaktiv belasteten Wassermenge.

Eine mögliche Veränderung des Abflussverhaltens der Aue ist zu prüfen; dies ist für die aktuell anstehende Sicherheitsüberprüfung ÜSiKo durch den Betreiber nicht vorgesehen. Dabei ist eine kritische Nachbetrachtung, ob die Berechnungen zum Übergang der mit dem Abwasser abgeleiteten Radionuklide in den Vorfluter Aue noch dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen, zwingend erforderlich. Die alte Berechnung hatte die Grenzwerte durch das Abwasser bis an den Rand ausgeschöpft.

Von nachfolgenden Einleitungen ist auszugehen: 86,4 m³/Tag = 31.536 m³/ Jahr; diese Einleitungsmenge setzt sich zusammen aus der Jahresschmutzwassermenge von 15.000 m³ aus dem Betrieb von Schacht KONRAD und der entsprechende Menge an Niederschlagswasser.

Die festgelegten Grenzwerte für mögliche Belastungen durch radioaktives Wasser sind wie folgt festgelegt: Tritium 7,4 x 1012 Bq/Jahr sowie einem Radionuklidgemisch (ausschl. H-3) 7,4 x 108 Bq/Jahr. Diese Gesamtmenge setzt wie folgt zusammen:

Abwasser aus dem übertägigen Kontrollbereich
Summe der Alphastrahler 1,5 x 107 Bq/Jahr
Strontium-90 8,9 x 107 Bq/Jahr

Summe der Gammastrahler
incl. I-129 2,7 x 108 Bq/Jahr
Tritium 2,0 x 1012 Bq/Jahr

Grubenwasser einschließlich Kondensat aus dem Diffusor
Summe der Alphastrahler 1,5 x 107 Bq/Jahr
Strontium-90 8,4 x 107 Bq/Jahr

Summe der Gammastrahler
incl. Iod-129, Blei-210 2,7 x 108 Bq/Jahr
Tritium 5,4 x 107 Bq/Jahr

Über die vorhandene Direktstrahlung, die mit dem Betrieb von Schacht KONRAD, Einlagerung, Transport und Anlieferung der radioaktiven Abfälle verbunden ist, werden die Bewohner*innen der Region Strahlung ausgesetzt sein. Laut Planfeststellungsbeschluss wird der Grenzwert für die potenzielle Strahlenbelastung durch Direktstrahlung und Abluft außerhalb des Betriebsgeländes von 1 mSv/a zu 75 % und die Grenzwerte für die potenzielle Strahlenbelastung durch Abwasser für die höchst belastete Altersgruppe zu 46 % bei der effektiven Dosis sowie zu 92 % bei dem Organ Knochenmark ausgeschöpft.

    Mögliche Störfälle

Aus dem Zusammentreffen von hochfrequentierten industriellen Prozessen der Industriebetriebe in der Nähe des Schachtes entstehen erhebliche Risiken für Unfälle im Einlagerungsbetrieb; das sind ernst zu nehmende Risiken, dass radioaktive Stoffe freigesetzt werden und sich ausbreiten, ohne eingedämmt werden zu können

Es gibt ein breites Spektrum an Störfällen:

  • betriebliche Störfälle und Fehlverhalten von Mitarbeiter*innen im Betrieb und menschliches Versagen,
  • mechanische Belastung und Beschädigung von Abfallgebinden,
  • Kollision von Transportmitteln (LKW’s und sonstige Transportfahrzeuge) auf dem Betriebsgelände oder auf Transportwegen bei der Anlieferung mit Unfallfolgen wie Zusammenstoß, Beschädigung der Atommüllbehälter
  • Brände und ihre Folgen
  • Einwirkungen von außen wie Flugzeug- oder Hubschrauberabsturz
  • und sonstige Einwirkungen Dritter (SEWD)
verbunden mit erheblichen Strahlenbelastungen und gesundheitlichen Folgen für die Menschen in der Region.

Das alles mag mensch sich gar nicht ausmalen; andererseits ist genau dies jedoch durchaus konkret vorstelbar. Mögliche Gefährdungen sind bestimmt durch die verschiedenen Strahlenquellen und die Bandbreite an Radionukliden, die die einzulagernden Atomabfälle enthalten.

    Nachbetrieb und Langzeitsicherheit
    Strahlenbelastungen, ihre Wahrscheinlichkeiten, Grenzwerte

Aktuell darf die zusätzliche Belastung, die Menschen durch die Einrichtung eines Endlagers hinnehmen müssen, im Normalfall nur 10 Mikrosievert pro Kalenderjahr betragen.Dies gilt generell - aber nicht für Schacht Konrad!

Im sogenannten Langzeitsicherheitsnachweis, der eine wesentliche Grundlage für die Genehmigung eines Atommülllagers darstellt, wird dieser Wert um mehr als den Faktor 10 überschritten. Genauer gesagt: 260 µSv pro Jahr ergeben sich aus diesen Berechnungen. Dies überschreitet den Bewertungsmaßstab für die Langzeitsicherheit aus den aktuellen Sicherheitsanforderungen deutlich. Wie kann das sein?

Die Antwort lautet: diese gelten explizit für Endlager für wärmeentwickelnde hochradioaktive Abfälle; nicht aber für ein Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle wie Schacht KONRAD. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich darauf verzichtet, die Sicherheitsanforderungen für Schacht KONRAD dem Stand von Wissenschaft und Technik anzupassen. Denn das Projekt KONRAD könnte diese Anforderungen gar nicht erfüllen.

Für Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung soll immer noch der Dosisgrenzwert von 1983 gelten. Der lag damals bei 300 µSv/a, sodass das Rechenergebnis aus dem LZSN dem gerade so Genüge tat. Das ist nicht hinnehmbar; schließlich ist es für den Säugling, den es trifft, unerheblich, ob seine Strahlenbelastung aus schwach-, mittel- oder hochradioaktiven Abfällen herrührt.

Die oben genannten unterschiedlichen Grenzwerte von 10 µSv/a beziehungsweise 100 µSv/a ergeben sich aus der Unterscheidung in Wahrscheinlichkeitsklassen bei der Bewertung zukünftiger Entwicklungen in einem Endlager nach der Betriebsphase, nämlich in zu erwartende Entwicklungen und in abweichende Entwicklungen. Für zu erwartende Entwicklungen darf die zusätzliche effektive Dosis für Einzelpersonen nur im Bereich von 10 Mikrosievert pro Kalenderjahr (10 µSv/a) liegen. Für die abweichenden Entwicklungen darf sie bei 100 µSv/a liegen.

Es sei hier ausdrücklich noch einmal betont: das sind die sicherheitstechnischen Anforderungen an die Entsorgung hochradioaktiver Abfälle, und diese gelten aktuell nicht für Schacht KONRAD.

Insgesamt muss ein Gefährdungspotential für die Region betrachtet werden, das sich zusammensetzt aus Radionukliden, die den Abfällen emittieren, und solchen, die aus dem Gestein der Endlagerformation austreten. Diese Anforderung hat der LZSN, als er erstellt wurde, nicht erfüllt. Selbst das, was an genereller Ausbreitung der Radionuklide und der damit verbundenen Gefährdung sowohl beim Betrieb als auch Nachbetrieb der Anlage rechnerisch ermittelt wurde, ist aufgrund der veralteten Berechnungsgrundlagen nicht eindeutig. Das Spektrum an Radionukliden wurde in den letzten Jahren vom Betreiber mehrmals erweitert.

Es besteht eine durchgängige Wasserwegsamkeit - vom Salzgitter Höhenzug im Süden bis zum Bereich der Allerniederung im Norden. Entscheidend für die Ausbreitungswege der Radionuklide ist der Kontrast zwischen den Durchlässigkeiten der Gesteinsarten, da sich die Flüssigkeiten den einfachsten Weg suchen. Entsprechende 3-D-seismische Messungen, die genaueren Aufschluss über die tatsächlichen geologischen Schichten und Störungen liefern könnten, wurden für Schacht KONRAD nicht durchgeführt und sind auch nicht geplant. Um dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu entsprechen, wäre eine solche Datenerhebung unverzichtbar.

Die mögliche Ausbreitung der Radionuklide über die Schächte und alten Bohrungen ist völlig unzureichend untersucht worden. Es fehlt sowohl der Nachweis über die angenommene Wasserdurchlässigkeit als auch für die Machbarkeit des vorgesehenen Schachtverschlusses. Sämtliche Programme, mit denen die Grundwasserverhältnisse beziehungsweise der Radionuklidtransport modelliert worden sind, sind nicht validiert. Weiterhin bedeckt der angenommene Barrierehorizont der geologischen Kreideschichten nicht den gesamten Bereich des Wirtsgesteins, sondern er fehlt im nordöstlichen Bereich von Salzgitter (bei Calberlah).

    Es bleibt unklar, an welchem Ort, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Konzentration Radionuklide in der Biosphäre auftauchen werden.

Weitere Gefahren und Belastungen ergeben sich durch das Leben von Mikroben und Bakterien in einem Endlager, die radioaktive Substanzen aufnehmen, selbst durch Wasser aufgenommen werden können und sich dadurch verbreiten, oder eben auch dadurch, dass diese Mikroben sich verändern, technische Anlagen und Metalle im Endlager angreifen und stattfindende Korrosion verstärken. Dazu gibt es ebenfalls erste Forschungsergebnisse.@

 

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