Atomkraft ist kein Klimaretter – Wichtige Argumente in einer kompakten Übersicht Tödliches Relikt ohne Zukunft von Juliane Dickel und Hauke Doerk Atomenergie hat keinen Platz in einer nachhaltigen Energieversorgung. Anders als von Atomkraft-Lobbyist*innen in letzter Zeit verstärkt behauptet, ist sie keine Lösung angesichts der Klimakrise, sondern verhindert den Aufbau eines erneuerbaren und sozialen Energiesystems. In diesem Papier werden die wichtigsten Gründe dafür zusammengestellt und belegt. Atomkraft ist nicht klimafreundlich. In den letzten 25 Jahren hat Atomenergie im Gegensatz zu Erneuerbaren Energien nicht zu einer Reduzierung des CO2-Ausstoß geführt. Weil sie prinzipiell nur sehr träge auf Lastschwankungen reagieren können, sind Atomkraftwerke inkompatibel mit erneuerbaren Energien und verdrängen diese aus dem Stromnetz. Zudem blockiert Atomkraft für den Klimaschutz verfügbare Investitionsmittel, obwohl die vorhandenen Ressourcen so effizient und so schnell wie möglich für eine Reduktion der Treibhausgasemissionen genutzt werden müssen. Anders als häufig dargestellt ist Atomkraft auch nicht CO2-frei: Sowohl bei der Gewinnung des Urans, dem Transport, dem Bau der Kraftwerke als auch bei der möglichst sicheren langfristigen Verwahrung der Abfälle wird CO2 freigesetzt. Die Nutzung fossiler Energien stößt zwar noch mehr Treibhausgase aus, jedoch haben Erneuerbaren Energien schon heute eine bessere Klimabilanz als die Atomenergie – und mit zunehmender Ausbeutung der Uranvorkommen wird sich die Klimabilanz der Atomkraft in Zukunft weiter verschlechtern. Atomkraft schadet Menschen und der Umwelt Bereits die Gewinnung von Uran geht einher mit Ausbeutung, langanhaltender Umweltverschmutzung und dem Leid und Tod vieler Arbeiter*innen durch Verstrahlung. Der überwiegende Anteil des abgebauten Urans, nämlich 70 Prozent, stammen aus Territorien mit indigener Bevölkerung, deren Land durch die Überreste der Uranextraktion radioaktiv verseucht wird. Noch heute dominieren neokoloniale Strukturen die Atomwirtschaft. Auch während des sogenannten "Normalbetriebs" von Uranminen, Anlagen zur Brennstoffproduktion und Atomkraftwerken kommt es zu radioaktiven Emissionen. Am Ende der nuklearen Kette stehen radioaktive Abfälle, die die Umwelt über eine unvorstellbare Zeit hinweg verschmutzen. Atomkraft ist und bleibt unsicher. Die großen Kernschmelzunfälle in kommerziellen Leistungsreaktoren, Three Mile Island (1979), Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011), haben gezeigt, dass solche Unfälle viel häufiger auftreten als bis dahin angenommen. Probabilistische Risikoanalysen werden von Atomkraftbefürworter*innen herangezogen, um ein angeblich geringes Unfallrisiko zu belegen, sagen jedoch nichts über eine tatsächliche Unfallwahrscheinlichkeit aus. Denn komplexes menschliches Fehlverhalten, Einwirkungen von außen, Mängel in der Sicherheitskultur und bisher unerkannte Fehler können in diesen Analysen nicht berücksichtigt werden. Zukünftige Atomunfälle könnten noch viel schlimmer sein als in Tschernobyl oder Fukushima. Auch in aktuellen Atomkraftwerken mit höherem Sicherheitsniveau können große Freisetzungen von Radioaktivität erfolgen. In Tschernobyl wurde die Radioaktivität durch den Grafitbrand in große Höhen verfrachtet und so großräumig verteilt. Selbst in manchen Gebieten Bayerns ist die Strahlenbelastung von Pilzen und Wildbret immer noch so hoch, dass diese nicht für den Verzehr geeignet sind. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima verhinderten lediglich die Windrichtung und "mehrere glückliche Umstände", dass der Großraum Tokyo mit 50 Millionen Menschen nicht evakuiert werden musste. Atomkraft ist teuer - und ihre Bedeutung seit Jahren rückläufig. Analysen der historischen, gegenwärtigen und zukünftigen Wirtschaftlichkeit von Atomkraftwerken zeigen: Atomkraft war nie eine "günstige Energie”. Während die Erfahrungen mit Atomkraft dazu führen, dass diese immer teurer wird, sinken die Kosten für Erneuerbare Energien weiter in einem lange nicht für möglich gehaltenen Maß. Auch in Ländern, die aus politischen Gründen weiter an der Nutzung der Atomenergie festhalten, wie den USA, Frankreich oder England, ist der Neubau von Atomkraftwerken teuer, problematisch und langsam. Während in den 1970er und 1980er Jahren in kurzer Zeit viele Reaktoren gebaut wurden, gestaltet sich der Neubau heute sehr viel schwieriger. Dies liegt an den Erfahrungen aus mehreren Reaktorkatastrophen und Atomunfällen. Noch vor den drei Kernschmelzen in Fukushima (2011) wurden die Sicherheitsanforderungen an neue Atomkraftwerke erhöht. So schreibt die Vereinigung der westeuropäischen Atomaufsichten vor, dass bei neuen Atomkraftwerken ein Kernschmelzunfall praktisch ausgeschlossen sein soll. Wenn er doch eintritt, soll er im Wesentlichen auf die Anlage beschränkt bleiben. Schon aufgrund dieser Lehren aus der Vergangenheit sind aktuelle Neubauten viel teurer und zeitaufwendiger als Bauten in den 1980er Jahren. So unabdingbar diese Forderungen zum Schutz der Bevölkerung und des Lebens sind, so unerfüllbar sind sie aber in der Praxis. Atomenergie führt zu atomarer Aufrüstung. Die Produktion von Atomstrom war ursprünglich ein reines Beiprodukt der Entwicklung der ersten Atombomben. Seitdem sind zivile und militärische Atomprogramme weiter eng verknüpft. Beide sind Teil derselben nuklearen Kette und benötigen denselben Rohstoff: Uran. In vielen Ländern stehen die zivilen Atomprogramme unter dem Einfluss des Militärs und der Zentralregierung. Das Interesse an Forschung und Entwicklung sowie die Ausbildung des Personals der beiden Bereiche hat sich schon immer überlappt. Atomwaffenprogramme wären ohne die zivile Nutzung der Atomenergie heutzutage weder finanzier- noch realisierbar. Atomkraft hat keine Zukunft. Diverse Reaktorkonzepte, die oft als "Generation 4 Reaktoren" bezeichnet werden, sind die Wiederauflage alter Konzepte aus den 1950er bis 1970er Jahren, die wesentliche Nachteile gegenüber dem gebräuchlichen Leichtwasserreaktor haben und nicht ohne Grund in der Vergangenheit verworfen worden sind. Diese schafften es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder in die Schlagzeilen, ohne dass signifikante Entwicklungen dies rechtfertigen würde. Stattdessen gilt nach wie vor: Die in den Medien oft genannte Nutzung von Thorium erfordert die Entwicklung von neuen Reaktoren mit neuen Risiken und bringt letztlich keine Vorteile. Thorium ist kein Brennstoff, seine Nutzung benötigt zwingend Brüter- und Wiederaufarbeitungstechnologie, mit allen daraus resultierenden Problemen. Kleine und Modulare Reaktoren (SMR), wie sie aktuell z.B. in den USA, Großbritannien und Russland erforscht werden, werden keinen Durchbruch in der Reaktorentwicklung bringen. Sie dienen letztlich vor allem den militärischen Atomprogrammen. Durch die Förderung ziviler Reaktoren werden Forschung, Entwicklung, Spezial-Material, Ausbildungs-Infrastruktur – kurzgesagt: die gesamte industrielle Basis – für atomare Antriebs-Reaktoren quersubventioniert und so ein Erhalt dieser teuren und ineffizienten Systeme ermöglicht. Weder eine gezielte Partitionierung und Transmutation noch Atomreaktoren mit schnellen Neutronen können das Atommüllproblem entschärfen. Die Anforderungen an ein Atommülllager bleiben im Wesentlichen bestehen. Atomkraft ist ein tödliches Relikt eines zentralisierten Stromsystems ohne Perspektive in einer klimagerechten Zukunft. Anlässlich des 10. Jahrestags der Reaktorkatastrophe in Fukushima haben Gruppen und Organisationen der Anti-Atomkraft und Klimagerechtigkeitsbewegung eine gemeinsame Deklaration veröffentlicht. Dieses Hintergrundpapier wurde als Gemeinschaftsprojekt einer breiten Vernetzung von Menschen aus der Anti-Atom-, Klima- und Umweltbewegung erstellt. @
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