Fukushima : extrem hohe Strahlenwerte in den Reaktoren

Bergung des geschmolzenen Brennstoffs verschoben

von aaaRed

Zehn Jahre nach dem Supergau des AKW Fukushima Daiichi soll in der Präfektur Fukushima im kommenden März der Fackellauf vor den Olympischen Spielen in Tokio starten. Dies soll der Welt Normalität vorgaukeln. Doch an der Atomruine ist längst nicht wieder alles normal.

Schon wenige Monate nach der Katastrophe trafen der Betreiber Tepco, und die japanische Regierung eine Vereinbarung: den geschmolzenen Kernbrennstoff wolle man binnen eines Jahrzehnts aus den zerstörten Meilern bergen. Schon damals schüttelten Experten angesichts des ehrgeizigen Zeitplans den Kopf. Bereits kurz nach der Katastrophe vermuteten sie, dass die geschmolzenen Reaktorkerne zumindest teilweise aus ihren Druckbehältern ausgetreten und in die Sicherheitsbehälter geflossen waren. Sollte dieses Szenario stimmen, gäbe es keine bestehende technische Lösung, um das strahlende Material, Corium genannt, aus den Meilern herauszuholen.

An dieser Einschätzung hat sich bis heute wenig geändert. Doch nun holt die Wirklichkeit die Verantwortlichen von Tepco und Regierung ein: Die japanische Atomaufsichtsbehörde NRA hat extrem hohe Radioaktivitätswerte an den Stahlbetondeckeln von zwei Reaktoren im AKW Fukushima Daiichi entdeckt. "Es sieht so aus, als ob an diesen Stellen nukleare Trümmer sitzen", berichtete NRA-Chef Toyoshi Fuketa. Diese Funde würden sich massiv auf den gesamten Prozess der Stilllegung der drei havarierten Reaktoren auswirken, warnte der oberste Atomaufseher.

Die Fukushima-Katastrophe setzte vor allem Caesium-137 frei, ein Nebenprodukt der Atomspaltung. Als wegen Stromausfall die Kühlung der drei Atommeiler stoppte, schmolz zunächst jeweils der Reaktorkern mit seinen Uran-Brennstäben. Diese heiße Masse, Corium genannt, fraß sich durch den Boden des Druckbehälters und lief in den Sicherheitsbehälter, auf dem der Betondeckel sitzt. Bei Reaktor 1 öffnete sich der Deckel, der als letztes Schutzschild gegen den Austritt von strahlendem Material dient. Eine Wasserstoffexplosion verteilte das ausgetretene Caesium in der Umgebung. Bei Reaktor 2 und 3 blieb der Deckel geschlossen, daran setzten sich offenbar große Mengen Caesium fest.

20 bis 40 Petabecquerel an Cäsium 137 wurden zwischen der ersten und der mittleren Schicht des Deckels von *Reaktor zwei* gemessen, 30 Peta-Becquerel am Deckel von Reaktor 3. Ein Mensch kann diese hohe Strahlung maximal eine Stunde überleben. Es wird damit den Arbeitern an dem Deckel besonders schwer gemacht den Stopfen zu bewegen, ohne sich in Lebensgefahr zu begeben.

Diese Tatsache hat zur Folge, dass sich der geschmolzene Brennstoff noch schwerer bergen lässt als ohnehin gedacht. Denn beim bisher favorisierten Vorgehen wollte man das Innere der Reaktoren fluten – das Wasser dämpft die Strahlung – und dann die Betondeckel abheben. Darüber sitzt im Normalbetrieb eine Lademaschine, mit der sich von oben die Brennelemente im Reaktorkern wechseln und Wartungsarbeiten ausführen lassen. Stattdessen würde man von dort nun das Corium bergen.

Doch diese Methode lässt sich kaum noch umsetzen, wenn die Betondeckel selbst stark strahlen – der einzige Direktzugang ist nun hochkontaminiert. Die Ingenieure müssten jetzt lange warten, da Caesium eine Halbwertszeit von dreißig Jahren hat. Die Hoffnung auf eine schnelle erfolgreiche Corium-Bergung, indem man die Meiler mit Wasser flutet und die Betondeckel der Sicherheitsbehälter öffnet, hat sich dadurch zerschlagen.

So wollte der Betreiber wenigstens vor dem zehnten Jahrestag im März einige Gramm dieses Materials aus Reaktor 2 bergen. Doch der dafür erforderliche Robotergreifarm, der in Großbritannien entwickelt wird, ist wegen der Coronapandemie nicht fertig geworden. Daher hatte Tepco bereits vor zehn Tagen erklärt, dass das Bergungsexperiment auf 2022 verschoben wird.@

Quelle: taz.de, sumikai.com
von Anfang Januar 2021

 

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