Auf der Suche nach dem Standort eines Lagers für den aus der Asse rückzuholenden Müll.

"Irgendwo hin"? – nein danke!

von Silke Westphal, AG Schacht Konrad

Die Rückholung des in das ehemalige Salzbergwerk Asse 2 eingebrachten Atommülls ist seit 2013 gesetzlich festgeschrieben, doch was ist seitdem geschehen? Bis heute gibt es kein schlüssiges Gesamtkonzept für den Rückholungsprozess. Mit der Errichtung eines Rückholbergwerks oder mindestens der Abteufung des dafür notwendigen Schachts V wurde immer noch nicht begonnen. Die Entwicklung der vom Betreiber angedachten Bergetechnik ist ebenfalls gar nicht begonnen worden. Was muss passieren, damit die Rückholung wirklich gelingen kann?

    Langer Anlauf – kurz gesprungen

Es bedurfte erst einigen politischen Drucks durch die Begleitgruppe, dass die Betreiberin BGE den schon lange angekündigten Plan für die Rückholung am 20. März 2020 endlich vorstellen wollte. Wegen des ersten Corona-Lockdowns konnte dies nicht als Präsenzsitzung stattfinden. Stattdessen veröffentlichte die lokale Presse Teile aus dem 148-seitigen Papier und die Asse-2-Begleitgruppe (A2B) forderte die Präsentation per Online-Format ein. Aber nicht nur dieses Format – ein youtube-stream – war unbefriedigend, sondern auch der Inhalt. Die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Option Rückholung (AGO) schrieben in ihrer Stellungnahme: "Der vorliegende Rückholplan fasst im Wesentlichen lange Zeit bekannte Sachverhalte und Planungen zusammen und ist aus fachlicher Sicht weniger eine Planung als eine für die Allgemeinheit gedachte Skizze des generellen Vorgehens bei der Rückholung".

In dieser Rückholskizze wollte die BGE unter anderem darlegen, dass sie einen Vergleich mit fünf Standorten für das sogenannte "Zwischen"lager durchgeführt hat. Allerdings wurden hier fünf ausschließlich in unmittelbarer Asse-Nähe liegende Standorte in Betracht genommen. Der dabei "am besten" abgeschnitten hat, liegt unmittelbar nördlich des Schachts Asse II und wird zurzeit als festgelegt betrachtet. (siehe Seite 56) Das BMU, das in letzter Zeit bei der A2B eher durch Abwesenheit geglänzt hatte, erklärte auf der Sitzung am 10. Juli durch Staatssekretär Flasbarth, der online zugeschaltet war, dass diese Entscheidung auch endgültig sei.

    Asse-2-Begleitgruppe
    lässt Begleitprozess ruhen

Als Reaktion auf diese Entscheidung von BGE und BMU, mit der die jahrelang erhobene Forderung aus der Asse-2-Begleitgruppe nach einem Standortvergleich auch mit "Asse-fernen" Standorten völlig ignoriert wird, hat die A2B den Begleitprozess ausgesetzt. Dies wurde Anfang Oktober mit einem Schreiben an Bundesumweltministerin Schulze mitgeteilt. Die für den 6. November geplante öffentliche Sitzung der Begleitgruppe mit den Vertreter*innen von BGE, NMU, BMU usw. wurde abgesagt. Die verschiedenen Gremien der A2B, wie Zivilgesellschaftliche Vertretung (ZGV), Kommunale Vertretung (KV) und die AGO arbeiten aber weiter und versuchen durch Gespräche auf vielen verschiedenen Ebenen, politischen Druck auf das BMU aufzubauen, um die Forderung nach einem fairen und nachvollziehbaren Standortvergleich doch noch zu erreichen.

Sowohl BMU als auch BGE schaden mit dieser Basta-Politik nicht nur dem Rückholprozess zum Thema Asse, sondern kontaminieren mit ihrer Ignoranz auch gleichzeitig den sogenannten "Endlagersuchprozess", bei dem sie mit einer 5-millionen-Euro-schweren Werbekampagne auf Transparenz und Bürgerbeteiligung setzen. Der Begleitprozess um die Asse ist dafür ein Lackmustest.

    Wer schreibt das
    nächste Kapitel?

Seit 2013 war die Rückholung auf Bundes­ebene stark in den Hintergrund gerückt. Der ZGV war es im April 2020 gelungen, wieder ein Fachgespräch zum Thema Asse II im Umweltausschuss des Bundestages durchzusetzen. Das Hauptziel war und ist nach wie vor, die Planungen, Genehmigungen und Arbeiten zur Rückholung zu beschleunigen.

Im Nachgang zum Fachgespräch hat die A2B folgende Kernforderungen aufgestellt und an den Umweltausschuss weitergeleitet:

  1. Die Rückholungsplanung ist für die anstehenden Maßnahmen, zeitlich und aufgabenbezogen weiter zu konkretisieren. Das BMU und das NMU sollen mit regelmäßigen (vierteljährlichen) Statusgesprächen mit allen beteiligten Akteuren dafür sorgen, dass vorausschauende Abstimmungen erfolgen, Zeitpläne eingehalten und Reibungsverluste vermieden werden.
  2. Das BMU soll eine der Komplexität der Aufgabe angemessene Projektsteuerung in­stallieren, so wie es auch vom Haushaltsausschuss im Sommer 2019 gefordert wurde.
  3. Das BMU wird nochmals aufgefordert, bei zukünftigen A2B-Sitzungen wieder durch eine hochrangige Vertretung präsent zu sein, die über die Ergebnisse der Statusgespräche berichtet und auftretende Konflikte frühzeitig erkennen und lösen kann.
  4. Die Genehmigungsbehörde (das NMU) muss personell so ausgestattet werden, dass eine zügige Bearbeitung der Anträge im Zusammenhang mit der Rückholung möglich ist.
  5. Die Suche eines geeigneten Atommüll-Endlagers ist parallel zur Vorbereitung der Rückholung der Abfälle aus der Asse voran zu treiben.
  6. Die Notfallplanung muss weiter vorangetrieben und transparent gemacht werden.
  7. Die ausschließliche Nutzung der obertägigen Anlagen und Lager an der Asse für die Abfälle aus der Asse ist durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen Bund, Land und Kommunen
  8. abzusichern.

Zumindest zu Punkt 7 gibt es ein Einverständnis bei allen Beteiligten, eine schriftliche Zusicherung des BMU und aktuelle Bestrebungen nach einer rechtssicheren Vertragsform.

    BMU im Porzellanladen

Momentan überschattet die Auseinandersetzung um den Standort für das "Zwischen"lager erneut den Rückholprozess. Bundesumweltministerin Schulze hatte der A2B am 27. Oktober mit einem rhetorisch sehr einnehmend formulierten Brief mitgeteilt, dass "[das BfS 2014] exemplarisch berechnet [habe], welche Strahlenexposition aus einem Zwischenlager zu erwarten ist, je nachdem, wie weit es von der nächsten Siedlung entfernt liegt. Danach wäre bei einem Asse-nahen Zwischenlager eine unerhebliche Strahlenbelastung der Bevölkerung zu erwarten. Im Gegensatz dazu wären Transporte der Abfälle zu einem Asse-fernen Zwischenlager mit nicht unerheblichen Strahlenbelastungen des Personals verbunden."

Die Wissenschaftler der AGO haben diese verkürzte Darstellung zum Anlass genommen, noch einmal zwischen der Strahlenbelastung der Anwohner*innen und der Transportbeauftragten abzuwägen. Sie kommen in ihrer Stellungnahme vom 11. November zu dem Ergebnis: "[Es ergeben sich] Dosiswerte von 24µSv/Jahr für Erwachsene, 35µSv/Jahr für Kinder und 45 µSv/Jahr für Säuglinge. Diese Werte halten den Grenzwert von 300µSv/Jahr nach StrlSchV ein, liegen aber signifikant höher als der im Strahlenschutz zur Bewertung allgemein geringfügiger Strahlenbelastungen genutzte Wert von 10µSv/Jahr. Von einer "unerheblichen Strahlenbelastung" geht die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) aus, wenn auf Basis des De-minimis-Konzeptes eine Strahlenbelastung im Bereich von 10 µSv pro Jahr […] zu erwarten ist. Von daher ist die im Schreiben der Ministerin erwähnte "unerhebliche Strahlenbelastung" aus den Parameterstudien nicht abzuleiten."

Zu Recht protestieren jetzt also Anwohner*innen gegen den benannten Standort. Ihre Forderung nach einem fairen und transparenten Vergleich mit Asse-fernen Standorten muss aber auch – gemäß der Parole "und auch nicht anderswo" – immer die gleichen Kriterien auch an anderen Orten gelten lassen und darf keine Vorfestlegungen beinhalten. Der Verweis auf eine atomare Vorbelastung dürfte auch für viele andere Orte in Deutschland gelten und ist (leider) kein Alleinstellungsmerkmal der Asse-Region. Konkrete Orte zu benennen, verbietet sich hier ebenso wie der Verweis auf ein "irgendwo, nur nicht bei mir".

Das in der Gesamtverantwortung für den Rückholprozess stehende BMU und seine ihm zugeordneten Gesellschaften BGE und BaSE wären gut beraten, ihr auf das Ausblenden von Sachverhalten ausgerichtetes Verhalten zu verändern. Die jahrelange Ignoranz der im Begleitprozess immer wieder geäußerten Kritik und erhobenen Forderungen aus der betroffenen Bevölkerung entspricht weder gesellschaftlichen Gepflogenheiten noch einer wissenschaftsbasierten Vorgehensweisen. Svenja Schulzes persönliches Verhalten widerspricht zudem dem eigentlichen Sinn des Begleitprozesses, nämlich durch Offenheit und Diskussion das gemeinsame Ziel der Rückholung zu erreichen.@

 

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