Fachkonferenz Teilgebiete : Mitbestimmung statt inszenierter Beteiligung! Die Stellungnahme wurde im Rahmen der Atommüllkonferenz 1) erarbeitet und wird von den unterzeichnenden Organisationen getragen. Ende September wird die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ihren "Zwischenbericht Teilgebiete" vorlegen und damit darstellen, welche Regionen mit Kristallin-, Salz- und Tonvorkommen für die sogenannte Endlagerung2) hochradioaktiver Abfälle3) als "günstig" angesehen werden. Das Standortauswahlgesetz (StandAG) sieht in dieser Phase der Standortsuche vor, dass der Zwischenbericht der BGE auf einer Fachkonferenz Teilgebiete auf drei Sitzungen innerhalb eines halben Jahres debattiert wird. Nach §9 StandAG ist dies der erste formale Beteiligungsakt der Bürgerinnen und Bürger. Anmerkungen und Kritik werden dokumentiert und die BGE "berücksichtigt" diese Stellungnahme der Fachkonferenz, bevor oberirdisch zu erkundende Standorte benannt werden. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BaSE) ist laut StandAG "Träger für die Öffentlichkeitsbeteiligung", also für die Partizipation zuständig. Das BaSE lädt am 17./18. Oktober zu einer Auftaktveranstaltung ein, die hauptsächlich online stattfinden soll. Die BGE soll am 17. Oktober lediglich allgemeine Teile des Zwischenberichts vorstellen. Darüber hinaus soll am Folgetag der Vorschlag für eine Geschäftsordnung unterbreitet werden. Für die inhaltliche Beratung der Fachkonferenz hat das BaSE drei Termine, im Februar, April und Juni 2021 anberaumt und damit den Zeitraum für die Beratungen um zwei Monate gekürzt. Obwohl das StandAG eine solche Auftaktveranstaltung nicht vorsieht, bleibt das Atommüll-Bundesamt BaSE bisher dabei, den Oktober-Termin bereits als Auftakt der Fachkonferenz Teilgebiete zu bezeichnen. Gegen den schnellen Start der Fachkonferenz Teilgebiete im Oktober sprechen zwei Argumente:
Im Standortauswahlgesetz ist vorgesehen, dass die Teilgebiete-Konferenz lediglich ein Thema bearbeiten darf: Die Erörterung des Zwischenberichts der BGE. Schon längst entschieden wurde über die Ausblendung der ungelösten Probleme mit den schwach- und mittelradioaktiven Abfällen, das Suchverfahren, seine Akteur*innen, die Auswahl-Kriterien, die Lager-Methode in tiefengeologischen Schichten, die Sicherheitsanforderungen, die eingeschränkten Beteiligungs- und Klagerechte und die Entlassung der AKW-Betreiber aus der finanziellen Verantwortung für den Atommüll – ohne dass die Betroffenen die Möglichkeit gehabt haben, dabei mitzureden.
Auf der einen Seite werden vom Atommüll-Bundesamt rund fünf Millionen Euro für eine PR-Kampagne ausgegeben, auf der anderen Seite gibt es kein Budget für wissenschaftliche Expertise, auf die die Fachkonferenz Teilgebiete aber zurückgreifen müsste, um das fachliche Werk zu durchdringen. Das BaSE "argumentiert" zwar, dass Wissenschaftler*innen eine Teilnahme freistehe, weshalb diese Zielgruppe im §9 StandAG gesondert aufgeführt worden sei. Aber eben unentgeltlich. Expertise zum "eigenen" Teilgebiet muss von den Betroffenen selbst finanziert werden.
Die Fachkonferenz Teilgebiete insgesamt bietet keine Möglichkeit effektiver Einflussnahme und ist von ihrem gesetzlichen Auftrag her eine Fehlkonstruktion. Auch wenn sie im nächsten Jahr ihre Beratungen aufnimmt, sich eine Geschäftsordnung gibt und – obwohl das BaSE dafür organisatorische Unterstützung verweigert – selbstbestimmt Arbeitsgruppen einrichten und Gremien wählen würde, die zumindest eine Kontinuität der Arbeit gewährleisten könnten, wird deren Arbeit entgegen der Versprechungen, die Endlagersuche basiere auf einem wissenschaftsbasierten, selbsthinterfragenden und lernenden, transparenten und partizipativen Verfahren, allein durch die eingeschränkten Arbeitsbedingungen konterkariert. Getoppt wird dies noch durch die Ankündigung des BaSE, die Kosten für die Moderation des Beratungsprozesses nur zu übernehmen, wenn die Fachkonferenz die vom BaSE vorgeschlagenen Moderator*innen akzeptiert.
Die Arbeit der BGE ruht nicht in der Phase, in der die Fachkonferenz Teilgebiete tagen wird. Das heißt, die Stellungnahme der Fachkonferenz Teilgebiete kommentiert einen überholten Arbeitsstand des Vorhabenträgers. Wertschätzung für die Arbeit der Fachkonferenz Teilgebiete sieht anders aus.
Die Ergebnisse der Teilgebiete-Konferenz müssen laut Gesetz "berücksichtigt", also zumindest gelesen werden. Ist die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) nett, beantwortet sie das Papier auch. Was sie ansonsten damit macht, ist ihr überlassen. "Berücksichtigen" kann also auch Ablage in einer Archivschublade bedeuten.
Die Auftaktveranstaltung am 17./18. Oktober soll hauptsächlich online durchgeführt werden. Sie wird also im Internet live übertragen. Teilnehmende könne sich in einem Chat schriftlich äußern. Echte Interaktion und Diskurse sind damit kaum möglich, kein freier Austausch, keine Pausengespräche, kein hilfreicher Zwischenruf, keine Arbeitsgruppen. Die gesamte Kommunikation ist weitgehend vom Veranstalter gesteuert und kontrolliert. Zudem ist eine Online-Konferenz über volle zwei Tage eine Zumutung für viele Menschen. Oft fehlt zudem die technische Ausstattung oder eine leistungsfähige Internetverbindung zur Online-Teilnahme. Dies kann auch durch den vorgesehenen parallelen Präsenztermin in Kassel nicht aufgewogen werden, da die Teilnahme dort vom Losglück abhängt. Deshalb kann eine solche Veranstaltung erst dann sinnvoll stattfinden, wenn die Corona-Situation es wieder zulässt, dass sich viele Menschen gefahrlos zu einer Präsenz-Konferenz treffen können.
Die Arbeitspakete der BGE stellen eine Interpretation der geowissenschaftlichen Vorgaben dar, wie sie im StandAG fixiert wurden. Das StandAG ist jedoch schon überholt und – siehe lernendes Verfahren – müsste novelliert werden. So wurden beispielsweise Klima-Veränderungen und deren Folgen für die Endlagersuche überhaupt nicht bedacht. 8. Es gibt keine vollständige Transparenz über die Datengrundlage Die Geodaten, die die BGE als Grundlage für ihren Zwischenbericht genutzt hat, werden nicht oder nur eingeschränkt einsehbar sein. Somit lassen sich die Entscheidungen der BGE nicht in vollem Umfang überprüfen. Ein transparentes Verfahren mit glaubwürdiger Öffentlichkeitsbeteiligung würde bedeuten, dass bereits zu Beginn ALLE Daten und Informationen offengelegt werden, die zur Erstellung des Zwischenberichts bei der Atommülllagersuche herangezogen wurden. Die atompolitische Vergangenheit zeigt: Ohne Transparenz, ohne "Augenhöhe" und ohne Sicherstellung eines wissenschaftsbasierten Prozesses, ist dieses Verfahren zum Scheitern verurteilt.@ |
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