Russlands nukleares Spiel um die Macht in Afrika
Russland treibt den Ausbau der Atomtechnologie in afrikanischen Staaten voran, um sowohl Profite zu erzielen als auch seine politische Macht auf dem Kontinent auszuweiten. Das ruandische Parlament hat gerade einen Plan für das staatliche russische Atomkonglomerat Rosatom gebilligt, in der Hauptstadt Kigali ein Atomforschungszentrum und einen Reaktor zu bauen.Das Zentrum für Atomwissenschaften und -technologien, das bis 2024 fertiggestellt werden soll, soll neben Atomforschungslabors auch einen kleinen Forschungsreaktor mit bis zu 10 MW Leistung umfassen. Äthiopien, Nigeria und Sambia haben ähnliche Abkommen mit Rosatom unterzeichnet, während Länder wie Ghana, Uganda, Sudan und die Demokratische Republik Kongo weniger weitreichende Kooperationsabkommen abgeschlossen haben. Rosatom wirbt seit Mitte 2000 aggressiv um afrikanische Staaten. Die Atomgeschäfte werden gesehen als Teil von Russlands Streben, Profite zu machen, aber auch Einfluss in Afrika zu gewinnen. Die westlichen Sanktionen, die erstmals 2014 gegen Russland wegen seiner Annexion der Krim in der Ukraine verhängt wurden, haben Russland gezwungen, nach alternativen Einkommensquellen und auch nach neuen Freunden zu suchen.
"Damit Putin in Russland an der Macht bleibt, muss er wirklich sicherstellen, dass Russland einen großen Einfluss hat", sagte Ovigwe Eguegu, ein Geopolitik-Berater von Afripolitika, der afrikanischen Plattform für internationale Angelegenheiten. "Deshalb schaut er sich die afrikanischen Märkte an, damit er viele Unterstützer als Partner hat, wenn es um internationale Fragen geht. Als Zeichen für die zunehmende Bedeutung des Kontinents für Russland hielt dessen Präsident Wladimir Putin im Oktober 2019 den ersten Russland-Afrika-Gipfel ab. Afrikanische Staaten bilden den größten Abstimmungsblock in den Vereinten Nationen. Während die Sowjetunion während des Kalten Krieges enge Beziehungen zu verschiedenen afrikanischen Staaten unterhielt, beträgt Russlands Handelsbilanz mit Afrika ein Zehntel der Chinas, was bedeutet, dass es nach anderen Mitteln suchen muss, um auf dem Kontinent Fuß zu fassen. "Russland nutzt die Instrumente, die es hat, um seinen Einfluss auszuweiten, und im Moment hat Russland viel Erfahrung im Bereich der Atomenergie", sagte Eguegu in einem Telefoninterview aus Abuja.
führender Atomkonzern Rosatom ist bezogen auf internationale Aufträge das größte Atomunternehmen der Welt. Es hat zwar Projekte in entwickelten Ländern wie Finnland und Ungarn, ist aber hauptsächlich in Entwicklungsregionen tätig. Die Rosatom-Pakete sind beliebt, weil allein die Göße des Unternehmens es möglich macht, Komplettangebote zu unterbreiten. Diese reichen von der Ausbildung einheimischer Arbeitskräfte über die Entwicklung nuklearwissenschaftlicher Lehrpläne, die Lieferung von Uran für die Lebensdauer der Anlage bis hin zum Umgang mit radioaktivem Abfall - mit dem zusätzlichen Plus russischer Staatskredite für die Projekte. Die Kosten und die Finanzierung des ruandischen Kernforschungszentrums sind noch immer nicht bekannt gegeben worden. Aber Russland gewährt Ägypten ein Darlehen in Höhe von 25 Milliarden Dollar (22,23 Milliarden Euro), um 85% der Kosten des AKW El Dabaa, das Rosatom baut, zu decken. "Rosatom dominiert inzwischen aufgrund ihrer großzügigen Finanzierung und der Ausbildung von Arbeitskräften die Atomexporte in Entwicklungsländer ", heißt es im Grundsatzpapier des Center for Global Development 2018, Atoms for Africa. Darüber hinaus ist Russland selbst ein wichtiger Akteur auf dem Atommarkt, der für etwa 8 % der weltweiten Uranproduktion sowie für 20 % der Uranumwandlung und 43 % der Urananreicherung verantwortlich ist
von Atomtechnologien Der geplante Forschungsreaktor Ruandas soll laut Rosatom auch zur Herstellung von Radioisotopen genutzt werden. Radioisotope haben viele Anwendungsmöglichkeiten, von der Bestrahlung von Lebensmitteln zur Verlängerung ihrer Haltbarkeit bis hin zur Hilfe bei der Diagnose von Tumoren oder Herzkrankheiten. Solche Forschungsreaktoren hätten "eindeutige Vorteile" in Bereichen wie der Nuklearmedizin, sagte der Nuklearwissenschaftler Michael Gatari, Professor an der Universität von Nairobi. Darüber hinaus gebe es auf einem Kontinent, auf dem mehr als die Hälfte der Bevölkerung keinen Zugang zu Elektrizität habe, ein "immenses Potenzial" für die Atomenergie als saubere Energiequelle, um das große Energiedefizit Afrikas auszugleichen, stellte die Studie des Center for Global Development, Atoms for Africa, fest. "Langfristig erzeugt ein Atomreaktor Strom billiger, als wir jetzt dafür bezahlen. Er ist auch stabil und produziert keine Kohlenstoffemissionen", sagte Gatari in einem Telefoninterview aus Nairobi. Viele Experten, darunter auch Gatari, sind jedoch der Meinung, dass die Atomtechnik für afrikanische Länder noch keinen Sinn macht. Ihnen fehlen die hochqualifizierten lokalen Arbeitskräfte, die für den Betrieb der technologischen Feinheiten solcher Reaktoren erforderlich sind. Hinzu kommt, dass Atomanlagen enorm teuer sind und ihr Bau Jahre dauert. Gatari warnt vor Ländern, die sich in kostspielige Projekte verstricken, die am Ende zu "weißen Elefanten" werden. "Dieses Wissen ist nicht möglich, indem man junge Studenten für eine kurze Zeit durch die Ausbildung hetzt. Und die Kosten für den Unterhalt einer solchen Einrichtung können das Budget eines Landes auf lange, lange Zeit lahm legen.
Gegenwärtig ist Südafrika das einzige Land in Subsahara-Afrika mit einem funktionierenden AKW, während Nigeria und Ghana über Forschungsreaktoren verfügen, die in erster Linie zum Studium und zur Ausbildung sowie zur Erprobung von Materialien, wie z.B. Mineralien, genutzt werden. In Europa haben Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit Atomtechnologien bereits Länder wie Deutschland, Italien, Spanien und die Schweiz veranlasst, für den Ausstieg aus der Atomenergie zu stimmen. Diese Bedenken werden in Afrika angesichts der politischen Instabilität bestimmter Regionen und der Gefahr von Sabotage oder Terroranschlägen noch verstärkt. Das hat Rosatom und Russland nicht davon abgehalten, Atomtechnologien auf dem Kontinent ganz locker und unproblematisch zu verkaufen. Rosatom finanziert Stipendien für Studenten aus Subsahara-Afrika für ein Studium der Nuklearwissenschaften und des Ingenieurwesens in Russland. Im Januar 2020 studierten dort rund 300 Studenten aus mehr als 15 afrikanischen Ländern in nuklearen Fachgebieten. Die Organisation führt einen Online-Videowettbewerb mit dem Titel "Atoms for Africa" durch, bei dem die Teilnehmer die Chance haben, für ein Video über innovative Nukleartechnologien eine vollständig bezahlte Reise nach Russland zu gewinnen. Im Jahr 2019 veranstaltete sie sogar einen internationalen Angelwettbewerb in der Nähe des AKW Leningrad (auch Sosnowy Bor genannt, 70km westlich von St. Petersburg), des größten russischen AKW, um die Sicherheit der Atomkraft für Gewässer zu demonstrieren. (Der Wettbewerb wurde von einem ägyptischen Team gewonnen). "Es gibt gutes Geld, wenn man einen Forschungsreaktor verkaufen kann", sagte der Atomwissenschaftler Gatari. "Leider ist die Überzeugungskraft von Rosatoms Werbestrategie sehr hoch, und das Verständnis derer, die kaufen, ist gering. @
www.dw.com/en 30.6.20 |
||
anti-atom-aktuell.de |