Deutschland exportiert mehr Rüstungsgüter denn je.
Top-Kunden sind von Militärs beherrschte Staaten mit brutaler Repression. Rüstungsexporte auf Rekordniveau von german foreign policy Deutschlands Rüstungsexporte erreichen ein neues Rekordniveau. Dies geht aus dem gestern publizierten Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für 2019 hervor. Demnach hat die Regierung deutschen Waffenschmieden im vergangenen Jahr die Ausfuhr von Kriegsgerät im Wert von über acht Milliarden Euro genehmigt - mehr denn je seit Beginn der Publikation von Rüstungsexportberichten im Jahr 1999. Bei zweien der drei Top-Empfänger deutscher Rüstungsgüter handelt es sich um Staaten, in denen Militärs die Regierung kontrollieren und Proteste von Oppositionellen teils blutig niederschlagen; beide sind traditionell gute Kunden deutscher Rüstungsfirmen. Rüstungskäufe im Wert von über einer Viertelmilliarde Euro hat die Bundesrepublik zudem den Vereinigten Arabischen Emiraten genehmigt, die nicht nur im Jemen Krieg führen, sondern auch den Libyenkrieg mit umfangreichen Waffenlieferungen befeuern. Eine erhebliche Menge an Kriegsgerät darf zudem an Rivalen Chinas geliefert werden. Wieder im Aufschwung befindet sich nicht zuletzt der deutsche Kleinwaffenexport.
Deutschlands Rüstungsexporte haben ein neues Rekordniveau erreicht. Das zeigt der gestern veröffentlichte Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das Jahr 2019. Demnach hat die Regierung vergangenes Jahr die Ausfuhr von Rüstungsgütern im Wert von 8,015 Milliarden Euro genehmigt - mehr denn je zuvor, seit Berlin 1999 mit der Publikation der Exportberichte begann. Der bisherige Höchstwert war im Jahr 2015 mit 7,86 Milliarden Euro erzielt worden. Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung noch behauptet, sie sei bei der Genehmigung von Rüstungsexporten mittlerweile restriktiver als zuvor; begründet wurde dies damit, dass 2018 nur Ausfuhren im Wert von 4,824 Milliarden Euro genehmigt wurden. Tatsächlich handelte es sich dabei um einen Ausreißer nach unten: Jahreswerte für Rüstungsexporte schwanken stark, weil sie oft davon abhängen, wann genau besonders teure Lieferungen getätigt beziehungsweise genehmigt werden. Forschungsinstitute wie SIPRI aus Stockholm berechnen deshalb oft einen Fünf-Jahres-Durchschnitt. Dieser liegt bei den deutschen Rüstungsexportgenehmigungen derzeit bei fast 6,76 Milliarden Euro pro Jahr. Von 2000 bis 2004 hatte er noch bei nur wenig mehr als der Hälfte gelegen - 3,68 Milliarden Euro.
Zu den Hauptempfängern deutschen Kriegsgeräts gehörten auch im vergangenen Jahr Staaten, in denen das Militär faktisch an der Macht ist und nicht selten mit brutaler Gewalt gegen Regierungsgegner vorgeht. Nummer zwei auf der Liste der bedeutendsten Bestimmungsländer war mit Genehmigungen im Wert von fast 850 Millionen Euro Algerien. In dem Land stellen mehrere deutsche Konzerne, darunter Rheinmetall und Daimler, Militärfahrzeuge her. Dort kommt es seit vergangenem Jahr zu Massenprotesten gegen die de facto herrschenden Militärs, bei denen zahlreiche Regierungsgegner verletzt und festgenommen wurden. Nummer drei auf der deutschen Exportliste ist mit Ägypten ein Land, dessen Präsident - Feldmarschall Abd al Fattah al Sisi - aus der Führungsebene der Streitkräfte kommt; mit ihm arbeitet die Bundesregierung seit Jahren eng zusammen. Dem steht nicht entgegen, dass Ägyptens Militärs sich im Juli 2013 blutig an die Macht geputscht haben; bei Protesten gegen den Putsch kamen mindestens 1.000, womöglich mehr als 3.000 Menschen ums Leben. Kairo geht zudem bis heute mit brutaler Repression gegen jegliche Opposition vor; das Schicksal von mehr als 1.500 Menschen, die allein zwischen Juli 2013 und August 2018 aus staatlichem Gewahrsam verschwanden, ist bis heute unbekannt. Die Bundesregierung genehmigte Ägypten vergangenes Jahr die Lieferung von Rüstungsgütern im Wert von mehr als 800 Millionen Euro, darunter etwa Feuerleiteinrichtungen und Teile für Raketen.
Zu den Top 10 auf der Liste der bedeutendsten Bestimmungsländer deutscher Rüstungsausfuhren zählt mit den Vereinigten Arabischen Emiraten weiterhin auch ein Staat, der im Jemen Krieg führt. Die Bundesregierung hatte mehrfach behauptet, die im Jemen kämpfenden Kriegsparteien nicht mehr beliefern zu wollen. Den Emiraten genehmigte sie im vergangenen Jahr jedoch Waffenkäufe im Wert von mehr als einer Viertelmilliarde Euro. Bereits zuvor hatte das Land in den Jahren von 2008 bis 2018 Genehmigungen für Rüstungslieferungen im Wert von rund 2,3 Milliarden Euro erhalten. Deutsche Waffenschmieden haben die Emirate zudem beim Aufbau einer eigenen Rüstungsproduktion unterstützt. Berlin hat sich von den Genehmigungen auch nicht durch die Tatsache abbringen lassen, dass Abu Dhabi eine ausgreifende Außen- und Militärpolitik betreibt; eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) kam unlängst zu dem Resultat, das Land sei dabei, mit Militärstützpunkten im Ausland "ein kleines Seereich" am Golf von Aden sowie am Eingang zum Roten Meer zu schaffen und sich damit eine partielle Kontrolle über die wichtigen Seewege zwischen dem Mittelmeer und dem Indischen Ozean zu sichern. Die Emirate sind der bedeutendste Waffenlieferant des libyschen Warlords Khalifa Haftar; Recherchen des Journalisten Hans-Martin Tillack konnten auch die Nutzung deutschen Kriegsgeräts im Libyen-Krieg belegen.
Zu den Schwerpunktregionen der deutschen Rüstungsexporte gehört weiterhin auch das Umfeld Chinas. Platz sechs auf der Liste der wichtigsten Bestimmungsländer nimmt mit Genehmigungen im Wert von mehr als 372 Millionen Euro Südkorea ein. In dem Land sind aktuell rund 26.000 US-Soldaten stationiert; es zählt zu den Staaten, auf die - trotz deren Widerstrebens - der Westen im Machtkampf gegen China setzt. Auf Platz zehn findet sich mit Genehmigungen im Wert von mehr als 200 Millionen - es handelt sich weitestgehend um Marinegerät - Indonesien. Das Land steht aktuell im Konflikt mit Beijing um Inseln in Südchinesischen Meer. Vor allem aber hat die Bundesregierung die Lieferung von Rüstungsgütern im Wert von mehr als 300 Millionen Euro an Australien genehmigt. Canberra hat sich in den vergangenen Jahren als der schärfste Parteigänger Washingtons im Machtkampf gegen China profiliert; es beteiligt sich am Versuch, ein asiatisch-pazifisches Militärbündnis gegen die Volksrepublik zu schmieden - das sogenannte Quad. Australien hat sich bereits in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Kunden deutscher Waffenschmieden entwickelt.
Im Aufschwung befindet sich schließlich auch der deutsche Kleinwaffenexport. Er ist besonders umstritten, weil an Schusswaffenverletzungen außergewöhnlich viele Menschen sterben - jährlich mehr als eine Viertelmillion. Hatte die Bundesregierung nach jahrelangen Protesten schließlich im Jahr 2015 nur noch die Ausfuhr von Kleinwaffen im Wert von 32,5 Millionen Euro erlaubt, so stieg der Wert der Exportgenehmigungen für Kleinwaffen im vergangenen Jahr wieder an - auf stolze 69,5 Millionen Euro. Zwar gibt die Bundesregierung an, ihre Genehmigungen für die Ausfuhr von Kleinwaffen in Drittländer seien auf beinahe Null gesunken; man habe fast nur noch Lieferungen in EU-, NATO- und wenige der NATO gleichgestellte Länder erlaubt, wo die Waffen durchweg in sicheren Händen seien. Die Argumentation führt allerdings in die Irre. Denn die deutschen Schusswaffenhersteller haben schon vor Jahren begonnen, aus der Bundesrepublik fast nur noch EU- und NATO-Staaten zu beliefern, andere Kunden hingegen über US-Standorte zu versorgen. Der Schusswaffenhersteller Sig Sauer (Eckernförde bei Kiel) etwa wickelte bereits im Jahr 2016 rund 90 Prozent seines gesamten Umsatzes über seine Schwesterfirma in Newport (US-Bundesstaat New Hampshire) ab. Dort hat das Unternehmen zum Beispiel die Erlaubnis erhalten, Schusswaffen im Wert von mehr als einer Viertelmilliarde US-Dollar nach Mexiko zu liefern; die Genehmigung ist bis 2024 gültig. Zu Monatsbeginn wurde bekannt, dass Sig Sauer seine Produktion vollständig in die USA verlegen wird; der Standort in Eckernförde soll noch in diesem Jahr geschlossen werden. Freilich verbleibt die US-Schwesterfirma Sig Sauer Inc. auch künftig in der deutschen Dachgesellschaft, der L&O Holding mit Sitz in Emsdetten (NRW).@
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