50 Jahre Urenco:
Auch nach dem Atomausstieg verdient der Konzern
Millionen mit Urananreicherung


Verharmloste Gefahr

von Reimar Paul

Gepflegte Parks und prächtige Kirchen, das pittoreske Künstlerviertel Doelenstraat, Kanäle und Flüsse, die sich mitten durch die Stadt ziehen: Das niederländische Almelo, gelegen in der Provinz Overijssel rund 30 Kilometer von der Grenze zu Deutschland entfernt, hat für Touristen einiges zu bieten. Die internationalen Gäste, die an diesem Sonnabend im örtlichen Theaterhotel erwarten werden, kommen mehrheitlich jedoch nicht wegen der Sehenswürdigkeiten nach Almelo. Sondern zum Zuhören und Diskutieren.

Atomkraftkritische Stiftungen und Verbände haben zur Konferenz "50 Jahre Urenco-Konzern" geladen. Das Unternehmen war am 4. März 1970 mit dem "Vertrag von Almelo" als Joint Venture von Unternehmen in den Niederlanden, Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland aus der Taufe gehoben worden. Ziel des Abkommens war, die Forschung an der Zentrifugentechnik zur Anreicherung von Uran für den Einsatz in Atomkraftwerken zu bündeln und in den drei Ländern entsprechende kommerzielle Fabriken zu errichten.

Die mehr oder weniger baugleichen Anlagen wurden ab Ende der 1970er Jahre sukzessive im britischen Capenhurst, in Almelo und im westfälischen Gronau in Betrieb genommen. 2010 folgte noch eine Anlage im US-Bundesstaat New Mexico. Mit seinen Fabriken hat Urenco am Weltmarkt für angereichertes Uran einen Anteil von etwa 30 Prozent. Für 2018 weisen die Geschäftszahlen einen Reingewinn von 511 Millionen Euro aus.

Großbritannien und die Niederlande halten je ein Drittel der Urenco-Anteile. Die deutschen Energieriesen RWE und Eon besitzen jeweils ein Sechstel, sie erwägen aber seit längerem einen Verkauf.

Natururan besteht zu etwa 0,7 Prozent aus dem spaltbaren Isotop U-235, der große Rest - U-238 - ist nicht oder nur sehr schwer spaltbar. Um in Atomkraftwerken genutzt werden zu können, muss der Anteil von U-235 auf - je nach Reaktorytp - drei bis fünf Prozent erhöht werden. Das geschieht mit Hilfe der Urananreicherung. Bei der von Urenco genutzten Technik wird das Uran zunächst in das gasförmige, giftige Derivat Uranhexafluorid (UF-6) überführt. Dieses wird dann in etlichen hintereinander geschalteten Zentrifugen so lange geschleudert, bis der gewünschte Anteil von U-235 erreicht ist. Bei entsprechend vielen Zentrifugen kann der U-235-Anteil auch auf atomwaffentaugliche 50 Prozent oder mehr angereichert werden.

Der Iran, dem unter anderem die USA den angestrebten Besitz von Atomwaffen unterstellen, betreibt seine unterirdische Anlage in Fordo übrigens auch nach dem Zentrifugenprinzip. Dass eine Umrüstung oder Erweiterung der Urenco-Anlagen auf militärischen Bedarf im Prinzip möglich ist, soll bei der Konferenz in Almelo thematisiert werden.

Ein weiterer Schwerpunkt des Kongresses ist der Export von abgereichertem Uranhexafluorid, das als Abfallprodukt bei der Anreicherung anfällt, durch Urenco nach Russland. Seit 1996 wird die giftige und strahlende Substanz auch aus der deutschen Fabrik in Gronau per Zug und Schiff in den Osten geschafft. 2009 aufgrund heftiger länderübergreifender Proteste vorübergehend eingestellt, rollen die Transporte seit dem vergangenen Jahr wieder. Insgesamt sollen bis 2020 rund 12 000 Tonnen UF-6 alleine aus Gronau ausgeführt werden.

Auf dem Gelände der Atomanlage Novouralsk bei Jekaterinenburg lagere das abgereicherte Uran unter freiem Himmel in teilweise rostenden Fässern, berichteten russische Umweltaktivisten unlängst. Seine Radioaktivität erhöhe das Krebsrisiko für die dortige Bevölkerung dramatisch. UF-6 sei zudem chemisch hochgradig gefährlich, da es mit Luftfeuchtigkeit zu ätzender, tödlich wirkender Flusssäure reagiere. Über die aktuelle Situation vor Ort will in Almelo Vladimir Slyviak von der russischen Umweltorganisation Ecodefense informieren. Die deutsche Bundesregierung sieht UF-6 dagegen offiziell als Wertstoff an und hat deswegen keine Einwände gegen die Transporte.

Und ebenso wenig gegen den Weiterbetrieb der Gronauer Anlage. Diese hat - wie die Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen - eine unbefristete Betriebsgenehmigung und ist damit vom deutschen Atomausstieg ausgenommen. Die Proteste gegen die Urananreicherung sollen deshalb auch nach der Konferenz in Almelo weitergehen, kündigte der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz an. Bereits am 1. März soll in Gronau demonstriert werden. Und am 4. März, dem Jahrestag des "Vertrags von Almelo", sind in Capenhurst, Almelo und Gronau Kundgebungen angekündigt.

www.neues-deutschland.de 27.2.20

 

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