Problemverschiebung mit Risiken

Niemand weiß, wie sich Atommüll so handhaben lässt, dass er für Mensch und Umwelt weder heute noch in ferner Zukunft eine Gefahr darstellt. Auf einen ganz besonderen Teil dieses großen Komplexes aus Problemen machen Castortransporte aufmerksam: auf die Brennelemente nach ihrem Einsatz im Reaktorkern eines Atomkraftwerks. Von ihnen geht eine immense radioaktive Strahlung aus. Darüber hinaus entwickeln sie für lange Zeit eine enorme Hitze.

Dieses strahlende Problem wurde lange Jahre buchstäblich verschoben: Aus den Atomkraftwerken wanderte es in die deutschen Zwischenlager Ahaus/Gorleben, vor allem aber in die Wiederaufarbeitungsanlagen (WAA) in La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien). Durch diese Transporte ließ sich der Betrieb der AKW aufrechterhalten; die Lagerbecken in den Reaktoren waren übervoll. Durch das Wegschaffen auf Zeit konnte der ansonsten unvermeidliche Entsorgungsnotstand immer wieder hinausgeschoben wurde. Seit 1973 wurden Transportbehälter in die Anlagen zur Plutoniumabtrennung in Frankreich und England gebracht – bis zum Ende der Transportgenehmigung am 30. Juni 2005 waren es insgesamt etwa 2.000 Transporte.

Mit "Wiederaufarbeitung" im Sinne von resourcenschonendem Weiterverwerten kostbarer Rohstoffe hat die Bearbeitung von Brennstoffen aus den Atomkraftwerken in den WAAs nichts zu tun: Zweck des aufwendigen Prozesses ist die Extraktion des Plutoniums, das während des Einsatzes im Reaktor aus dem ursprünglich eingesetzten Uran entstanden ist. Die zerschnittenen und mit aggressiven Chemikalien zu Brei aufgelösten Abfälle werden am Ende in eine Glasmasse eingeschmolzen. Nach dem Prozedere liegt der Gefahrstoff in einer anderen Form vor – die offenen Fragen, wie es damit weitergeht, bleiben!

    Völkerrechtliche
    Verpfichtungen?

Es ist richtig, dass Atommüll aus deutschen AKW nicht mehr exportiert werden darf. Den, der in anderen Ländern lagert, müssen die Betreiber wieder zurückzunehmen. Auch wenn nach der Gesetzesänderung von 2005 keine weiteren Transporte aus Deutschland in die Plutoniumfabriken stattfanden, verblieb und verbleibt das dort gelagerte und inzwischen bearbeitete Gefahrgut im Besitz der AKW-Betreiber. (In der politischen Debatte wird dieser Sachverhalt gerne fälschlicherweise verkürzt auf die Formulierung, "wir" seien für "unseren Müll" verantwortlich.) Gemäß ihren vertraglichen Verpflichtungen müssen sie als die Abfallbesitzer dies zurücknehmen. Es wäre falsch, sie auch daraus noch zu entlassen. Doch die Rückführung sollte erst dann passieren, wenn klar ist, wo das Gefahrengut dauerhaft gelagert wird. Denn sonst verdoppelt sich die Zahl der gefährlichen Castor-Transporte – erst zum Zwischenlager und danach wieder weiter.

Die bis 2011 fast jedes Jahr rollenden Atommüll-Züge ins Wendland begründete die Bundesregierung regelmäßig mit dem Verweis auf völkerrechtliche Verpflichtungen, die einen längeren Verbleib des Mülls im Ausland angeblich nicht zuließen. Nun jedoch ist seit mehr als acht Jahren kein Castor mehr zurückgenommen worden – offensichtlich ohne dass es deshalb Ärger mit den Vertragspartnern gab. Das spricht dafür, dass auch eine längere Lagerung in Sellafield und La Hague weder ein völkerrechtliches noch ein diplomatisches Problem darstellt.

Dem rot-grünen Atomkonsens aus dem Jahr 2000 folgend wurden standortnahe Zwischenlager neben den AKW errichtet. Schon die Vereinbarung damals zielte darauf ab, den großen Aufmerksamkeitswert, den die Gorleben-Transporte dem Entsorgungsdesaster bescherten, zu verringern. Aber erst mit dem sogenannten Atomausstieg im Jahr 2011 wurden Castortransporte in die zentralen Lager in Ahaus, Gorleben und Lubmin konsequent reduziert. Seitdem ist der Weg der Castoren kurz: er führt nun vom Reaktorgebäude in die danebenstehende Halle. Der öffentlichen Wahrnehmung ist dieses Transportgeschehen somit weitgehend entzogen. Eine Lösung für die Entsorgung des Atommülls sind diese Standort-Zwischenlager allerdings nicht.

Für eine kommende Generation wird es eine Schwemme von Castoren geben: in einigen Jahrzehnten wird es Transporte aus den Zwischenlagern in ein "End"-lager geben – wo immer das errichtet, und wie endgültig die Aufbewahrung dort dann tatächlich auch sein wird.

    Sicherheitsrisiko Castor

Castortransporte stellen ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar, weil die Atommüllbehälter bei einem schweren Unfall so stark beschädigt werden können, dass es zu einer radioaktiven Verseuchung der Umgebung kommt. Sicherheitstests werden zwar durchgeführt, allerdings nicht mit allen verwendeten Castortypen. Die getesteten Castoren halten einen Sturz aus neun Meter Höhe aus, bei einem Unglück auf einer der vielen deutlich höheren Brücken könnten sie zu Bruch gehen.

Zudem wird die Hitzebeständigkeit der Castoren nur bei einem Feuertest mit 800 Grad Celsius über eine Dauer von 30 Minuten geprüft, während bei Zugunglücken Brandentwicklungen mit Temperaturen bis zu 2.000 Grad Celsius denkbar sind. Realistische Szenarios werden also schlicht ignoriert. Ebenso stillschweigend übergangen wird vonseiten der Verantwortlichen die Tatsache, dass auch Castoren zu einer Zielscheibe terroristischer Angriffe werden könnten. In allen Fällen ist mit erheblichen Strahlenbelastungen zu rechnen.

Hauptgegenstand der durchgeführten Tests war die Beständigkeit der Wandung. Die zeigte sich in der Tat zunächst recht robust gegen Einwirkung von außen. Aber was ist mit den selbstzerstörenden Wirkungen von innen? In übler Erinnerung sind zum Beispiel die massiven Schwierigkeiten der Betreiber von Philippsburg, beim ersten Gorleben-Castor die dauerhafte Korrosionsbeständigkeit des Deckeldichtungssystems zu garantieren. In den Hallen wird die Dichtigkeit zwar überwacht; für den Fall, dass Undichtigkeiten auftreten, gibt es allerdings keine wirkliche Reparaturmöglichkeit.

Ohnehin ist dieses Dichtungssystem darauf ausgelegt, dass das Material eine Höchsttemperatur nicht dauerhaft überschreitet. Bleibt ein Behälter für längere Zeit verschüttet und damit ohne Kühlung, heizt er sich aber über dieses Maximum auf und zerstört die Dichtung.

Eine weitere Gefahr zeigen aktuelle Studien auf: bisher galt die Annahme, dass nach der Verglasung die radioaktiven Stoffe unverrückbar in die Matrix der Kristallstruktur eingebunden sind und nicht mehr entweichen können. Neuere Untersuchungen belegen nun, dass es eine Wechselwirkung zwischen Glaskokillen und dem sie umschließenden Eisen gibt. Die Folge sind Auflösungserscheinungen sowohl am Behälter wie am Glaskörper.

Neben der Unfallgefahr gehen von den Castor-Transporten Gesundheitsrisiken aus. Insbesondere die Gefahren der Neutronenstrahlung, die die Behälterhülle durchdringt, wurden jahrelang unterschätzt. Das Begleitpersonal bei Polizei und Bahn sowie die Anwohner*innen an den Strecken sind daher bei jedem Transport einem hohen Risiko ausgesetzt @

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