Psychische Deformation in der spätkapitalistischen Gesellschaft

Narzissmus als Norm

von Peter Samol, Herford

Jede Gesellschaft reproduziert die Voraussetzungen ihres Bestehens in den Menschen, die ihr angehören, und diese wiederum reproduzieren durch ihr Handeln die Struktur der Gesellschaft, in der sie leben. Gerät letztere in eine Krise, dann spiegelt sich das auch im Zustand der Individuen wider. Immer weniger Menschen arbeiten in so genannten Normal­arbeitsverhältnissen. Zugleich steigt der Bevölkerungsanteil, der in relativer Armut leben muss oder von Armut bedroht ist.

Je nach Untersuchung liegt die Zahl der prekär Beschäftigten - hier als Beispiel die Werte für die Exportnation Deutschland - zwischen 25 und 40 Prozent; neun von zehn Menschen fürchten sich dort vor sozialem Abstieg und Armut. Diese Bedrohung und die Angst vor ihr führen zu einer spezifischen Reaktionsform, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet. Bei dieser Reaktionsform handelt es sich um einen Narzissmus als Haltung, der in der spätkapitalistischen Gesellschaftsformation massiv gefordert und gefördert wird.

    Zunehmende Vereinzelung
    der bürgerlichen Individuen

Das neoliberale Credo, das in Politik und Wirtschaft die Richtlinien bestimmt, lautet: "Eine gute Gesellschaft ist eine Gesellschaft starker Einzelner". Diesen Einzelnen wird andauernd gesagt, dass sie um Jobs, Plätze im Bildungssystem und generell um Erfolg und Ansehen konkurrieren müssen. Dabei müssen sie Veränderungsbereitschaft, hohe persönliche Flexibilität und ein stetiges Verbesserungsstreben an den Tag legen. Im Kapitalismus werden die Menschen primär als isolierte Privatproduzent*innen, die miteinander über Geld- und Warenbeziehungen verbunden sind, angerufen. Andere Beziehungsformen gelten als minderwertig und werden entweder verdrängt oder soweit sie - wie etwa Kindererziehung - unverzichtbar sind, für die Bedürfnisse des allgemeinen Verwertungsgeschehens zurechtgestutzt und von diesem überformt.

Diese Entwicklung hat sich im Lauf der letzten Jahrzehnte weiter verschärft und die Isolierung der bürgerlichen Individuen noch weiter vorangetrieben. In diesem Zusammenhang hat der von Sigmund Freud geprägte Begriff des Narzissmus in den letzten Jahren eine steile Karriere zurückgelegt. So tauchen etwa in den Bestseller-Listen vermehrt entsprechende Titel auf. Beispielsweise das Buch Die narzisstische Gesellschaft des Psychoanalytikers Hans-Joachim Maaz im Jahr 2012, Generation Beziehungsunfähig des Publizisten Michael Nast oder Ich zuerst! Eine Gesellschaft auf dem EGO-Trip der Politologin Heike Leitschuh. Ferner wird das Thema in wachsendem Maße von der Tagespresse aufgegriffen; seit der Wahl des Parade-Narzissten Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA ist das fast täglich der Fall.

Das Hauptmerkmal des Narzissmus wird in der Ausbreitung eines ausufernden Selbstbezogenheitstrends gesehen, der sich bei den jeweils Einzelnen in Form eines grandiosen Gefühls der eigenen Wichtigkeit, Phantasien von grenzenlosem Erfolg und unbeschränkter Macht sowie dem Verlangen nach übermässiger Bewunderung äussert. Hinter dieser Oberfläche steckt jedoch ein ausgesprochen schwach ausgeprägtes Selbstwertgefühl. Narzisst*innen haben einen unstillbaren Hunger nach Anerkennung und Bestätigung von außen, was sie auch extrem anfällig für die neoliberalen Forderungen nach flexibler Anpassung macht. In diesem Zusammenhang sind viele von ihnen wahre Meister*innen der Selbstdarstellung und Selbstvermarktung.

    Narzissmus im Postfordismus

Sigmund Freud war der erste, der sich mit dem Phänomen des Narzissmus befasst hat. Um ein reifes und selbstbewusstes Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft zu werden, muss laut Freud Jeder im Alter von drei bis fünf Jahren den von ihm so genannten Ödipuskomplex durchlaufen und überwinden. Dieser Prozess findet im Rahmen der bürgerlichen Kleinfamilie statt. Dabei vollzieht der junge Mensch den entscheidenden Schritt zur Entwicklung einer eigenen bürgerlichen Persönlichkeit und zur Fähigkeit, an der materiellen und symbolischen Reproduktion der Gesellschaft teilzunehmen. Ergebnis ist unter anderem eine allgemeine Aufstiegsorientierung, wie sie in typischen kleinbürgerlichen Familien gepflegt und tradiert wird. Die mit der ödipalen Orientierung verbundenen Anpassungsleistungen - vor allem allgemeine Arbeitsbereitschaft, Fleiss und Selbstdisziplinierung - wurden in früheren Zeiten damit belohnt, dass zum Ausgleich ein vorgezeichneter Lebensweg, klare Strukturen und insgesamt eine gesicherte berufliche Zukunft winkten.

Während des Durchlaufens der ödipalen Phase in der Kindheit ereignet sich zugleich noch etwas anderes. Indem die Sozialisation des jungen Menschen zum bürgerlichen Subjekt in Gang gesetzt wird, wird er nämlich auch mit der grundlegenden Gefahr des Scheiterns in der Gesellschaft konfrontiert. Der junge Mensch reagiert auf diese mögliche Gefahr mit der Imagination eines Zustands vollkommener Unabhängigkeit und dem Verleugnen seines Angewiesenseins auf Andere. Während sich der ödipale Anteil des Subjekts als gestandener Mann den äusseren Bedingungen nicht nur klaglos unterwirft, sondern künftig auch aktiv zu ihrer Aufrechterhaltung und Reproduktion beiträgt, wehrt der narzisstische Anteil die eingrenzende und bedrohliche äussere Realität ab und flüchtet sich in eine Innerlichkeit, in welcher er der absolute und allmächtige Herrscher ist.

Diese zweite psychische Tendenz wird im Postfordismus - sprich seit den 1970er Jahren - enorm gefördert, was dazu führt, dass sie mittlerweile das ödipale Geschehen in die zweite Reihe gedrängt hat. Heute ist berufliche Sicherheit nämlich zum Luxus geworden. Damit wird "korrektes" ödipales Verhalten immer weniger belohnt. Niemand hat mehr Ruhe vor den Launen des "freien Marktes". Kaum ein Arbeitsplatz ist heute mehr sicher, sondern kann jederzeit ausgelagert, restrukturiert oder einfach gestrichen werden. Jede und Jeder kann heute plötzlich aufgrund von unberechenbaren Entwicklungen wie etwa einer plötzlichen Änderung des Massengeschmacks oder einer neuen Produktionsmethode, deren Einführung niemand vorausahnen konnte, nutzlos werden. Es ist eine zunehmend unverlässliche und existenzbedrohende Welt, in der die Individuen völlig auf sich selbst zurückgeworfen sind. Der ödipale Persönlichkeitsanteil findet somit immer weniger Bezugspunkte, auf die hin er sich orientieren kann. Dagegen wächst das Gefühl, schutzlos ausgeliefert zu sein. Die Individuen tun alles, um dieses Gefühl zu verdrängen beziehungsweise zu überspielen, denn es fühlt sich an wie ein Todesurteil.

Indem zugleich zunehmend bedingungslose Flexibilität und die Fähigkeit zur Selbstanpreisung gefordert werden, wird der narzisstische Persönlichkeitsanteil massiv befördert. Dabei wird aus dem Verkauf der Arbeitskraft zunehmend der Verkauf der eigenen Persönlichkeit, als ob diese ein Gebrauchsgut wäre. Stets muss man selbst die Version dessen darstellen, was in der Arbeitswelt gerade nachgefragt wird. Mit der Frage im Hinterkopf, wie man den eigenen Marktwert steigern oder zumindest vor dem Verfall bewahren kann, gibt man dabei nach und nach alles preis, was die eigene Persönlichkeit bisher ausmachte; es ist eine ständige Übung der Selbstverleugnung, die um so leichter fällt, je mehr man bereits von sich selbst preisgegeben hat. Ein solches Leben korrespondiert mit intensiven Gefühlen von Leere und von fehlender Authentizität. Wer kann schon bei der ständigen Anpassungsbereitschaft im Job und nach etlichen Partnerwechseln noch sagen, was für ein Mensch sie oder er eigentlich ist und welcher nicht? Genau dieser Prozess führt in eine narzisstische Persönlichkeit, die alles sein kann, weil hinter ihr ein grosses Nichts steckt.

    Die allgemeine Entwicklung
    erfasst Frauen

Lange Zeit galt die allgemeine ökonomiekonforme Prägung junger Menschen fast ausschliesslich für männliche junge Menschen. Bis etwa in die 1970er-Jahre hinein machten weibliche Heranwachsende eine von ihnen unterschiedene Entwicklung durch. Seinerzeit lief "das weibliche Kind in den Ödipuskomplex ein wie in einen Hafen", indem es nicht auf die Rolle als Konkurrentin, sondern auf eine fürsorgende weibliche Rolle als künftige Ehefrau und Mutter vorbereitet wurde. Damals dominierte eine Arbeitsteilung der Geschlechter, die verbunden war mit der Ausbildung einer primär männlich besetzten öffentlichen Sphäre, in der das allgemeine Konkurrenzgeschehen dominierte, einerseits und einer primär weiblich besetzten privaten Sphäre des innerfamiliären Raums andererseits. Hier fiel der Frau unter anderem auch die Zuständigkeit für die Fürsorge und Erziehung der Kinder zu. In den letzten fünf Jahrzehnten hat jedoch eine gewisse Angleichung der Geschlechter stattgefunden. Trotzdem entspricht es noch immer dem Bild typischer Männlichkeit, beruflich erfolgreich zu sein und den Grossteil des Familieneinkommens zu bestreiten. Frauen stecken fast immer als erste zurück, wenn es darum geht, Zeit für die Familie zu erübrigen. Zwar sind ihnen die Männer bei der Hausarbeit ein wenig entgegen gekommen, aber noch immer wenden Frauen jeden Tag circa anderthalb Stunden mehr für innerhäusliche Tätigkeiten auf als ihr männliches Pendant.

Außerdem bleibt vielen Familien aufgrund der erzwungenen Berufstätigkeit beider Partner gar nichts anderes übrig, als ihre Sprösslinge so früh wie möglich an professionelle Erziehungsinstitutionen, sprich Kinderkrippen und -gärten zu übergeben. Dort werden die Kinder zunehmend mit Fördermassnahmen und Entwicklungsstanderhebungen traktiert. Beides geschieht vor allem als Vorbereitung für das Bildungssystem und damit mittelbar auf die - wenn auch noch in weiter Ferne liegende - Berufstätigkeit. Hinzu kommt, dass Eltern ihre verbleibende Zeit und Kraft zunehmend darauf verwenden, die Kinder so früh wie möglich auf das allgemeine Konkurrenzgeschehen vorzubereiten. Viele versorgen ihre Kinder schon kurz nach der Geburt mit Lernspielzeug, "Baby-Einstein"-Videos et cetera oder beschallen sogar schon den Fötus mit vermeintlich förderlicher klassischer Musik. Immer mehr Kinder leben in einem an Leistung orientierten Elternhaus. Ergebnis ist die zunehmende Erfahrung von tiefer Einsamkeit schon in der Kindheit. Aufgrund der oben beschriebenen allgemeinen Verunsicherung des Lebens im Postfordismus wirken die gesellschaftlichen Zwänge immer früher und unvermittelter, während zugleich Erfahrungen von persönlicher Bindung und Zuwendung beiseite gedrängt werden.

    Kapitalismus und
    psychische Verfasstheit

Der Wesenskern kapitalistisch verfasster Gesellschaften ist der sich selbst verwertende Wert, also das Geld als Kapital, dessen einziger Zweck darin besteht, sich über den Umweg einer produzierten Ware (oder verrichteten Dienstleistung) und deren Verkauf in noch mehr Geld zu verwandeln: "Kapital wird eingesetzt um Kapital hervorzubringen, um Kapital hervorzubringen, um Kapital hervorzubringen" –­ ein endloser und vollkommen sinnloser Zirkel, der alles um sich herum einsaugt. Im Zentrum dieser Bewegung ist nichts als die Leere der endlosen Selbstvermehrung, ein leeres Nichts. Diese Bewegung unterminiert Schritt für Schritt jedes andere Bedeutungsverhältnis, indem sie alles in ihre leere Tautologie hineinzieht.

In der Spätmoderne stehen die Menschen in einem noch höherem Maß miteinander im Wettbewerb als je zuvor. Wie oben beschrieben, erscheint die Arbeitswelt heute nicht mehr als verlässliche, wenn auch hohe Anforderungen stellende Struktur, in die man sich nur bereitwillig einzufügen hat, um ein sicheres und angenehmes Leben führen zu können. Stattdessen drohen heute jederzeit und von allen Seiten einschneidende Veränderungen. Das zeigt sich unter anderem in der Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse, dem Abbau und der zunehmenden Repressivität des Wohlfahrtstaats und in der Rückkehr der Armut. Die Angst vor dem Scheitern im Kapitalismus ist allgegenwärtig. Auch persönliche Beziehungen werden zusehends der allseitigen Flexibilität geopfert und degenerieren entweder zu Partnerschaften auf Zeit oder zu "Netzwerken", die vor allem dazu dienen, sich durch möglichst viele "Kontakte" im Spiel zu halten und die beruflichen Optionen zu mehren. Empathie für andere Menschen ist in diesem Umfeld ein Luxus, den mensch sich immer weniger erlauben kann.

    Allgemeine Erwünschtheit narzisstischer Verhaltensweisen

Narzisstische Verhaltensweisen gelten mittlerweile nahezu überall als erwünscht und führen zum Erfolg: In der Arbeitswelt, in den Medien, in der Politik und an vielen anderen Orten werden sie mit Anerkennung, Bewunderung und Aufstieg honoriert. Angesichts dieser Umstände wird in Fachkreisen ernsthaft diskutiert, ob der Narzissmus in neueren psychiatrischen Diagnosestandards nicht mehr als Persönlichkeitsstörung gelten solle. Heutzutage sind nicht nur die eigenen Fähigkeiten, sondern auch die eigenen Gefühle, persönlichen Eigenschaften und Beziehungen zum Nebenprodukt des allgemeinen Vermarktungsgeschehens geworden. Nicht mehr fest gebunden und jederzeit bereit, sich selbst neu zu erfinden, stellt der Narzissmus in der total flexiblen und allgemein verunsicherten Leistungsgesellschaft des neuen Jahrtausends die passende Subjektform für den Krisenkapitalismus dar.

Hier werden gnadenlos anpassungsbereite Selbstdarsteller*innen ohne starke Bindungen (weder an andere Menschen noch an ihren Betrieb oder Beruf) hervorgebracht und gefördert. Was die Menschen dieser Leere und Beziehungslosigkeit entgegensetzen, ist die Überzeugung, etwas Besonderes zu sein. Dabei pflegen sie die Imagination von eigener Grösse, Stärke und Brillanz. Selbst wenn sie nur ein Praktikum oder einen schlecht bezahlten Job mit miesen Arbeitsbedingungen und ohne Zukunftsaussichten haben, biegen sie sich die Wahrheit zurecht, um besser dazustehen und sich besser zu fühlen. Während sie ständig am Rand des Nichts stehen, machen sie sich zugleich vor, wirklich alles erreichen zu können. Im Inneren entspricht das dem Gegensatz zwischen ihren Allmachtsphantasien, das heißt der Illusion der absoluten individuellen Freiheit und Unabhängigkeit einerseits und dem Ohnmachtsgefühl angesichts der wachsenden Unsicherheit und Fremdbestimmtheit der eigenen Existenz andererseits. Dieser Gegensatz entsteht nicht erst in der familiären Konstellation, sondern ist in der bürgerlichen Gesellschaft angelegt. Wie das zum Kapital gewordene Geld, das nach seiner gelungenen Vermehrung sofort wieder nach der nächsten Investitionsmöglichkeit suchen muss, so müssen sich auch die Individuen sofort wieder auf die Suche nach dem nächsten Erfolg machen, damit innere Leere und massive Ängste nicht überhand nehmen. Sowohl das Kapital wie auch die narzisstische Persönlichkeit befinden sich somit in einer unendlichen, leeren und tautologischen Bewegung – und deswegen ergänzen und befördern sie sich gegenseitig so gut.

    Ausblick

In Gestalt des sich selbst ständig anpreisenden, dabei maßlos überschätzenden und bindungsunfähigen Narzissten, der sein eigenes Selbst in der Gestalt als hochflexible Arbeitskraft jeden Tag verkaufen muss, gelangt der vom Kapitalverhältnis geforderte isolierte Privatproduzent zu seiner vollendeten Form. Innerlich leer, rastlos nach äußerlicher Bestätigung und oberflächlicher Anerkennung für seine Persönlichkeit strebend, verhält es sich kongenial zur inhaltsleeren, unendlichen und letztlich sinnlosen Bewegung der Kapitalverwertung. Das hat auch schreckliche Schattenseiten. Scheitern Narzissten an den Anforderungen der Gesellschaft, dann neigen sie zu Ersatzhandlungen, in denen ihre narzisstisch überformten Triebenergien sich alternativ ausagieren können. Die mit Abstand zerstörerischste ist der Amoklauf. Hier agiert sich ein narzisstischer Grössenwahn aus, der sich auf dem Weg der Selbstvernichtung und der Vernichtung anderer vollzieht.

Es dürfte klar sein, dass es kein Zeichen seelischer Gesundheit sein kann, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein. Die Aufhebung der narzisstischen Subjektform ist jedoch unter den herrschenden Verhältnissen ausgeschlossen. Ein Leben ausserhalb der narzisstischen Selbstregulation sähe vollkommen anders aus: Ohne Arbeitswahn, ohne Konkurrenzkampf und Leistungsstress, ohne Einzelkämpfertum und ohne den Druck zur permanenten Selbstdarstellung und Selbstbehauptung. So lange diese Zwänge vorherrschen, fehlen die Grundvoraussetzungen für die Entwicklung freier gesellschaftlicher Individuen jenseits der warenförmigen Subjektivität.

Die Hoffnung liegt darin, zu erkennen dass wir als Menschen Gattungswesen sind, die vielfältiger und nicht bloss eindimensionaler Beziehungen zueinander bedürfen. Die materiellen Voraussetzungen hierzu sind in unserer von Überproduktion gekennzeichneten Welt längst gegeben. Dazu dürfen wir die Vergesellschaftung aber nicht länger dem unbewussten Prozess der Wertverwertung überlassen, der uns als Zwang gegenübertritt, und den wir unsererseits tagtäglich exekutieren und reproduzieren. Dieser Prozess wird zwar zunehmend dysfunktional, aber daraus folgt leider kein Automatismus, der uns in eine befreite Gesellschaft führt. Es ist daher keinesfalls ausgemacht, dass es gelingen kann, den destruktiven Gesellschaftsprozess aufzuheben und durch eine Vergesellschaftung zu ersetzen. Eine grundlegende Kritik der Subjektform im Kapitalismus und ihrer inneren psychosozialen Logik und Dynamik ist ein erster notwendiger Schritt in diese Richtung.@

aus: Widerspruch. Beiträge zu
sozialistischer Politik, Nr. 73/2019 (Zürich)

 

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