Die deutsche Sektion der Internationalen Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) macht auf die enge Verzahnung von militärischer und ziviler Atomindustrie aufmerksam

Technologietransfer ohne 'Gold-Standard'

Nuklear ambitionierte Staaten wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, die Türkei oder der Iran stehen immer wieder im Verdacht, zivile Atomprogramme nur mit dem Ziel zu verfolgen, nach der Bombe zu greifen. Dieser Verdacht scheint sich im Falle von Saudi-Arabien zu erhärten. Das US-Energieministerium räumte gegenüber dem Kongress ein, US-Unternehmen sieben Ausfuhrgenehmigungen für den Verkauf sicherheitsrelevanter Nukleartechnologie erteilt zu haben.

Laut dem Zwischenbericht des Vorsitzenden des Aufsichtsausschusses, Elijah E. Cummings, zeigen Dokumente, dass das US-Unternehmen IP3 die Trump-Administration dazu drängte, Saudi-Arabien nicht zu verpflichten, dem "Gold Standard" zuzustimmen. Er stellt eine Verpflichtung dar, keine US-Atomtechnologie zur Herstellung von Atomwaffen einzusetzen. Beamte der Regierung Trump hätten wiederholt gefordert, den "Gold Standard" in einem künftigen Abkommen mit Saudi-Arabien aufzugeben. In einem Interview mit Reuters hatte der saudiarabische Kronprinz Mohammed bin Salman 2018 verkündet: "Wenn der Iran eine Atombombe besitzt, so werden wir so schnell wie möglich ebenfalls eine Atombombe entwickeln". Saudi-Arabien will 2020 sein erstes Atomkraftwerk in Betrieb nehmen.

Besorgniserregend sind ebenfalls die jüngsten Entwicklungen des deutsch-niederländisch-britischen Konzerns Urenco. Der Konzern liefert zehn Prozent des angereicherten Urans für den Weltmarkt. Kürzlich verkündete Urenco, dass am US-Standort Eunice Uran nun auf 19,25 Prozent angereichert werden soll statt wie für die zivile Atomkraftnutzung notwendig auf lediglich drei bis fünf Prozent. "Ist es Firmenpolitik der Urenco, jetzt angesichts des Niedergangs der zivilen Atomindustrie Schritt für Schritt in die militärische Nutzung einzusteigen?" fragt Angelika Claußen, Europapräsidentin der IPPNW. "Die Erzeugung von Strom durch Atomkraft ist die wichtige Triebkraft für die Proliferation beziehungsweise Verbreitung von Atomwaffen und radioaktivem Material", bekräftigten die Energiexperten Ben Wealer, Simon Bauer, Christian von Hirschhausen und Claudia Kemfert Ende Juli in einem Aufsatz für den DIW-Wochenbericht.

Ohne eine zivile Atomindustrie und die damit einhergehende nukleare Infrastruktur wären Atomwaffenprogramme aufgrund der hohen Kosten, Risiken und des Bedarfs an ausgebildetem Fachpersonal nicht mehr tragbar. Das Militär bedient sich in allen Atomwaffenstaaten in Form versteckter Quersubventionen aus Personalmitteln, Forschungsgeldern und der nuklearen Infrastruktur der zivilen Atomindustrie. Von 25 Staaten, die derzeit Atomreaktoren bauen oder dies offiziell vorhaben, besitzen 23 entweder Atomwaffen, besaßen diese oder haben zumindest Interesse an deren Entwicklung gezeigt. Führungspersönlichkeiten aus Politik und Industrie in den USA geben inzwischen offen zu, dass man auf die zivile Nutzung der Atomenergie angewiesen ist, um Atomwaffen bauen zu können. Fazit: Atomkraft ist zu teuer, zu gefährlich und keine Option für eine klimafreundliche Energieversorgung.

in: www.jungewelt.de am 14.8.2019

 

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