Slowakei, AKW Mochovce: gravierende Sicherheitsmängel

Aus Tschernobyl und Fukushima
nichts gelernt?


In der Slowakei stehen zwei Atomreaktoren kurz vor der Fertigstellung. Das AKW Mochovce-3, ein Reaktor vom Typ VVER-213,.soll in diesem Jahr seinen Betrieb aufnehmen. Nun berichten Ingenieure, von groben Bau- und Sicherheitsmängeln.

    Ein Containment fehlt -
    trotz Tschernobyl

Der Grund liegt darin, dass diese Reaktoren nicht den sonst üblichen Primärkreislauf besitzen, der die freigesetzte Atomenergie von den Brennelementen aufnimmt und in Form von Wärme unter hohem Druck an einen Sekundärkreislauf weitergibt. Stattdessen wird im VVER jedes Brennstabsbündel durch ein separates Wasserrohr gekühlt; dieses System von Röhren erhitzt den Sekundärkreislauf. Dementsprechend ist der Druck auf viele einzelne Röhren verteilt.

Deshalb glaubten die Konstrukteure des VVER, auf ein Containement verzichten zu können. Um genauer zu sein, glaubten sie es anfangs. Nach Tschernobyl glaubten sie es nicht mehr. Aber das Modell 213 wurde vor dem SuperGAU von 1986 entworfen. Somit haben wir die befremdliche Situation, dass eine Achse Bratislava-Rom drei Jahrzehnte nach Tschernobyl die dort gemachten katastrophalen Erfahrungen bewusst ignoriert. Die EU-Kommission schaut aus sicherer Brüsseler Entfernung zu. Die Internationale Atomenergiekommission in Wien schweigt betreten.

Wie kann unter solchen Voraussetzungen eine atomrechtliche Genehmigung erteilt werden? In der Regel verlangen die nationalen Aufsichtsbehörden, dass die Sicherheitsvorkehrungen einer Nuklearanlage den neuesten Standards genügen müssten. Natürlich behaupten die Betreiber der slowakischen AKWs, sie hätten umfangreiche Nachrüstungen vorgenommen, wofür sie gern EU-Subventionen kassierten. Das Fehlen eines Containements lässt sich jedoch nicht dadurch kompensieren, dass man den Außenputz am Reaktorgebäude verbessert, feuersichere Türen anbringt oder die Fluchtwege besser ausschildert. Bau- und Sicherheitsmängel Über handwerkliche Improvisationen berichteten nun ehemalige Ingenieuren des Bauprojekts mit langjähriger Erfahrung im Bau und Betrieb von Akws. Ihre Aussagen und Fotos belegen, dass Tausende Löcher ohne Bewehrungs-Suchgerät in die Wände des Reaktorgebäudes und der hermetischen Kammern gebohrt worden sind, um Halterungen für Kabel, Rohre und Dampferzeuger zu befestigen. Die Aufsicht sei nicht eingeschritten. Die Zeugen sind einerseits Bauingenieure, und andererseits der Maschinenbauingenieur Mario Zadra, der in mehreren Dossiers unzählige Missstände auf der Baustelle an seine Vorgesetzten dokumentierte - bis er im April letzten Jahres gekündigt wurde.

Die Ingenieure sind erklärte Befürworter von Atomkraft, Mario Zadra war als leitender Ingenieur für die Inbetriebnahme des letzten in Europa in Betrieb gegangenen Atomkraftwerks (Cernavoda 2) verantwortlich, sie wenden sich also nicht aus atomkritischen Gründen an die Öffentlichkeit, sondern aus ihrer Überzeugung als Ingenieure und weil sie massive Sicherheitsbedenken haben.

Noch bedenklicher ist ein Schreiben der World Association of Nuclear Operators (WANO), das in die Hände der österreichischen Umweltschutzorganisation Global 2000 gelangte. Die WANO, ein absolut pro-nuklearer Verband, war offenbar gebeten worden, die Baustelle zu inspizieren und ein Statement abzugeben. Sie sah sich zu deutlichen Kritiken veranlasst und gab nicht weniger als 47 Empfehlungen ab.

"Aufgrund dieser uns anvertrauten Informationen müssen wir davon ausgehen, dass die Statik des Reaktorgebäudes geschwächt und die hermetischen Kammern, die im Falle eines schweren Unfalls den Austritt von radioaktiven Stoffen aufhalten sollten, beschädigt sind und im Fall eines Erdbebens oder einer Explosion im Zuge eines schweren Unfalls versagen könnte", sagt Uhrig von Global 2000.

Trotz der Berichte über grobe Mängel und massive Unzulänglichkeiten sollen die neuen Reaktorblöcke 3 und 4 in Mochovce in den kommenden Monaten in Betrieb gehen Gegen die Inbetriebnahme gibt es zwei Petitionen von Global 2000 (Österreich) und vom Umweltinstitut München (Deutschland).@

Quelle:www.heise.de

  

Geschichte:

Noch zu sozialistischen Zeiten beschloss die damalige CSSR, für ihre Stromerzeugung sowjetische Reaktoren zu erwerben. Jeweils zwei Blöcke à 440 Megawatt wurden an den Standorten Bohunice und Mochovce errichtet. Die Reaktoren in Bohunice, wo es schon zwei Vorgängermodelle gab, die übrigens erst vor zehn Jahren stillgelegt wurden, gingen 1984 ans Netz, die von Mochovce waren nach dem Zusamenbruch der Sowjetunion noch nicht fertig. Mit deutsch-französischer Hilfe - Siemens immer dabei - wurden sie schließlich zu Ende gebaut, um 1998 bzw. 1999 in Betrieb zu gehen. Die vier Meiler produzieren heute 46 % der slowakischen Elektrizität.

In Mochovce wurde bereits 1987 mit dem Bau zweier weiterer AKW-Blöcke begonnen worden. Der Bau wurde 1993 aus Geldmangel suspendiert und erst 2009, also nach 16 Jahren Unterbrechung, nach dem Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union und nach dem Einstieg von ENEL in die slowakische Energiewirtschaft wieder aufgenommen. Die italienische Elektrizitätsgesellschaft ENEL, ein hochangesehener global player, hält die Mehrheitsanteile an der slowakischen Gesellschaft Slovenské elektrárne. Der Konzern brennt darauf, endlich eigene Erfahrungen auf dem Nuklearmarkt zu sammeln, was ihm in Italien durch zwei Volksabstimmungen verwehrt ist.

Auch auf dieser Baustelle explodierten die Kosten auf mittlerweile 5,4 Milliarden Euro. Kein Problem, die Europäische Investitionsbank hilft und gibt damit "ein gutes Beispiel für die Kombination von EIB-Darlehen mit EU-Zuschüssen".



  
 

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