Mahnwache mit klarem Blick und Zorn: Schluss mit Lügen, Pfuschen und Vertuschen! Wissen um die Solidarität Interview mit Herbert Schaper-Biemann Mahnwache Dannenberg Magst Du zunächst die Mahnwache in Dannenberg vorstellen? Als immer neue Hiobsbotschaften über die atomare Katastrophe in Japan am 11. März 2011 bekannt wurden, versammelten sich am darauf folgenden Montag auf dem Marktplatz in Dannenberg weit mehr als 100 Menschen. Unser spontanes Anliegen war es, Mitgefühl auszudrücken, Informationen auszutauschen und vor allem: Da nach Tschernobyl wieder bewiesen war, dass die Atomkraft nicht beherrschbar ist: Stopp der unsinnigen Castortransporte, sofortiger Ausstieg aus der Atomkraft in Deutschland und weltweit! Seitdem treffen sich bis heute an jedem Montag 10-30 Menschen , um an die Katastrophe zu erinnern. Noch nie ist dieser Termin ausgefallen, egal ob bei Regen oder Schnee, ob zu Weihnachten oder Silvester. Du bist einer von denen, die sehr oft zur Mahnwache kommen. Was bewegt Dich dazu? Die Teilnahme an der Mahnwache ist mir tatsächlich ein Anliegen. Die Katastrophe dauert ja an, das japanische Volk, das die Hölle von Hiroshima und Nagasaki durchleiden musste, ist wieder von Krankheit und Tod durch atomare Strahlung bedroht. So spricht etwa ein IPPNW-Report von 2016 von bis zu 66000 zusätzlichen Krebstoten. Wichtig ist mir auch der Austausch mit den anderen TeilnehmerInnen. Besonders aber geht es mir um die Forderung einer radikalen Änderung der deutschen Atom- und Umweltpolitik, weg von den Interessen der Wirtschaft, hin zu den Interessen der Menschen! In der Bezeichnung ‚Mahnwache‘ steckt das Wort 'mahnen'. (Wie stark) geht es bei der Veranstaltung darum, andere Menschen anzusprechen, ihnen etwas vorzuhalten? Heutzutage bombardieren uns die Medien täglich mit immer neuen (Katastrophen-)Meldungen. Unsere Aufmerksamkeitsspanne sinkt, die Halbwertzeit einer Nachricht sinkt rapide. Da ist die Mahnwache ein Mittel um zu einem Innehalten und teilnehmenden Erinnern beizutragen. Wenn sich die Veranstaltung (auch) an uns Beteiligte selbst richtet: was gilt es zu bewahren? Bewahren sollten wir zunächst unser Mitgefühl, aber auch das Bewusstsein, dass trotz des deutschen Atomausstiegsszenarios und der erfolgreichen BürgerInnenbewegung das Ziel einer nuklearfreien und klimagerechten Welt noch in weiter Ferne liegt. Antrieb bleiben das Wissen um unsere Solidarität, ein klarer Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse und ein Zorn, der seinen Ausdruck findet in unserem Motto : Schluss mit Lügen, Pfuschen und Vertuschen! Spielt vielleicht auch eine Rolle, dass uns im Wendland die Nachricht vom Beginn der Katastrophe in Fukushima zu einer Zeit erreicht hat, in der Castor-Transporte nach Gorleben prägendes Thema waren? Dieser Zusammenhang war anfangs sicherlich stark gegeben. Heute richtet sich die Aufmerksamkeit – neben dem Gedenken an das Schicksal der Menschen in Japan - eher auf die gegenwärtige Atompolitik mit ihrer wohl verlogenen "ergebnisoffenen" Endlagersuche in Deutschland oder dem zögerlichen Ausstieg aus Atom und Kohle. Wie verbindet sich im Kopf das Schicksal von Menschen in Japan mit den Sorgen und Ängsten hier? Was in Japan geschehen ist, kann – sicher mit anderen Ursachen – überall und so auch hier jederzeit passieren. Schauen wir nur etwa auf den Schrottreaktor im französischen Cattenom. Und so, wie in Japan die Regierung an den Menschen vorbei die Interessen der Atomwirtschaft bedient, sind auch bei uns offenbar die Sicherheit und Gesundheit der Bevölkerung nachrangig. "Wer aus der Geschichte nichts lernt, ist verdammt, sie nochmals zu erleben!" Wir sehen die Folgen der bisherigen, andauernden Katastrophen und müssen schauen, was zur Vermeidung neuer Katastrophen notwendig ist. Und das bedeutet eben den Einsatz für eine wahrhaftig weiße Landkarte bei der Endlagersuche unter Ausschluss Gorlebens; es bedeutet unter anderem die Forderung nach Einstellung der Brennelementeproduktion in Lingen, nach Stilllegung europäischer Schrottreaktoren und damit verbunden natürlich die Forderung nach konsequenterem Ausbau regenerativer Energie. Die Mahnwache in Dannenberg ist Teil des Kampfs gegen Atomanlagen - im Wendland und weltweit. Weshalb ist das Gedenken an Fukushima *keine* Instrumentalisierung? Aus dem eher rückwärts gewandten Erinnern muss sich der Blick nach vorn entwickeln. Dieses aktive Erinnern bedeutet auch, sich für Veränderungen/Verbesserungen einzusetzen. Um die zu erreichen, braucht es den Zusammenschluss mit ähnlich gesinnten Menschen, etwa in Bürgerinitiativen, Aktionsgruppen und/oder eben Mahnwachen.@ |
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