Kohlekommission: eine Bewertung der Ergebnisse

Mit Volldampf in die Klimakrise

von Philip Bedall und Franziska Buch, Umweltinstitut München

Am 26. Januar hat die "Kohlekommission" ihre Ergebnisse vorgelegt: Empfehlungen für einen Kohleausstieg bis 2038. In den meisten Medien ist die Rede von einem breiten gesellschaftlichen Konsens, ein historischer Kompromiss wird bejubelt. Doch 20 weitere Jahre Kohleverbrennung sind ein Schlag in die Gesichter der Kinder und Jugendlichen, die in Deutschland und anderen Ländern aktuell für ihre Zukunft auf die Straße gehen. Anders als die Mitglieder der Kohlekommission werden sie 2038 in der Mitte ihres Lebens sein und die Folgen einer verschärften Klimakrise tragen müssen. Klimaschutz? Aufgeschoben Die Empfehlungen der Kommission sind das Resultat einer Konstruktion, die von Anfang an darauf ausgelegt war, Klimaschutz weiter zu verzögern und zu verwässern. Und das, obwohl die Bundesregierung sich mit dem Pariser Klima-Abkommen zu höchst ambitionierten Zielen verpflichtet hat: der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5-Grad. Anstatt jedoch selbst einen Fahrplan für den Kohleausstieg zu beschließen, der es erlaubt, dieses Ziel zu erreichen, setzte die Bundesregierung eine Kommission ein. Indem sie diese mehrheitlich mit Profiteuren klimaschädlichen Wirtschaftens besetzte, schloss sie ambitionierten Klimaschutz von Anfang an aus. Und sie verschob die dringende Entscheidung um ein weiteres Jahr. Währenddessen zerstörte die Superdürre die Ernten und leerte die Grundwasserspeicher. "Heißzeit" wurde Wort des Jahres 2018.

Über ein halbes Jahr verhandelte die Kohlekommission, doch ihr eigentlicher Kern – nämlich der Klimaschutz und der Fahrplan für den Kohleausstieg – blieb bis in die letzten Stunden offen. Erst zwischen Mitternacht und den frühen Morgenstunden am Samstag zeichnete sich ein Minimalkompromiss ab. Um den bisherigen absoluten Stillstand beim Klimaschutz zu beenden, stimmten die an der Kommission beteiligten Umweltverbände zähneknirschend zu. Einstieg in den Ausstieg

So ist nun zumindest der Einstieg in den Ausstieg geschafft – noch vor wenigen Jahren undenkbar. Schon alleine das wäre nicht möglich gewesen ohne den jahrelangen Druck einer immer größeren und stärkeren Klimabewegung: die Demonstrationen zigtausender BürgerInnen, die beständige Kritik der Umweltorganisationen, die Besetzung des Hambacher Waldes und die bildgewaltigen Aktionen der AktivistInnen von "Ende Gelände".

Noch vor der Sommerpause sollen die Kommissions-Empfehlungen in ein Gesetz gegossen werden. RWE & Co. werden versuchen, in den nächsten Jahren so wenige Kohlekraftwerke wie möglich abzuschalten. Die Kohle-Lobby will weiter Dörfer für die Kohle zerstören und vielleicht sogar den Erhalt des Hambacher Forsts anfechten. Schon jetzt macht die Industrie Stimmung gegen den Kohleausstieg: Sie warnt vor angeblich steigenden Strompreisen – die sich aber nur in Studien realisieren, in denen die Kohle durch Gas ersetzt wird und die Gaspreise kräftig steigen. Wird stattdessen auf erneuerbare Energien gesetzt, was technisch machbar ist, steigen die Strompreise nicht. Kohlekonzerne lassen sich späten Ausstieg vergolden Teuer könnte es allerdings trotzdem werden, denn die Energiekonzerne wollen sich ihre uralten Klima-Killer noch mit milliardenschweren Abwrackprämien vergolden lassen. Wenn sich die Kohle-Lobby durchsetzt, dann zahlen wir SteuerzahlerInnen für jedes abgeschaltete Gigawatt Braunkohle Entschädigungen in der Größenordnung von einer halben Milliarde – unabhängig davon, dass die Kraftwerke bis zum Kohleausstieg größtenteils abgeschrieben sind. Und das, obwohl es mehrere Rechtsgutachten gibt, die zu dem Schluss kommen, dass Entschädigungen nicht nötig wären!

Deswegen dürfen wir in unserem Kampf gegen die Kohle nicht nachlassen! Wir haben gezeigt: Gemeinsam sind wir stark und konnten die Abholzung des Hambacher Forsts verhindern. Wir werden es auch schaffen, die von der Abbaggerung bedrohten Dörfer zu retten und Kohlekraftwerke schneller abzuschalten!

Schon in den kommenden Tagen wird es bundesweit Proteste geben. SchülerInnen und Studierende kündigen unter dem Motto "Fridays for Future" auch für die kommenden Freitage Schulstreiks für das Klima an. Das Aktionsbündnis "Ende Gelände" organisiert eine bundesweite Aktionswoche. Protestiert werden soll unter anderem in Berlin, Hamburg, Köln und München. Und auch vor Ort in den tagebaubedrohten Dörfern organisiert sich der Widerstand. Bleiben wir also dran. Die Klimakrise wartet nicht!@





Das sind die wichtigsten Ergebnisse der Kohlekommission
  • Kohleausstieg erst 2038: Noch weitere 19 Jahre soll Kohle verbrannt werden. Doch um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müsste der Kohleausstieg bis spätestens 2030 abgeschlossen sein.
     
  • Stilllegung von 12,5 Gigawatt Kraftwerkskapazität bis 2022: Zieht man die 4 Gigawatt (GW) Kohlekraftwerke, die bis dahin sowieso vom Netz gehen und das Kraftwerk Datteln, das noch gar nicht im Betrieb ist, ab, bleiben 7 GW zusätzliche Stilllegungen in den nächsten drei Jahren. Mit ihrem Fahrplan verbleibt die Kommission damit hinter den Ergebnissen der Jamaika-Verhandlungen (7 GW bis 2020). Um das Klimaziel bis 2020 einzuhalten, müssten bis dahin Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von 20 GW stillgelegt werden.
     
  • Ausstiegsfahrplan ab 2022: Konkrete Schritte nach 2022 schlägt die Kommission nicht vor. Im Jahr 2030 sollen noch 17 GW der aktuell 45 GW Kohlekapazitäten am Netz sein. In den Jahren 2023, 2026 und 2029 soll überprüft werden, wie der Ausstiegspfad angepasst werden muss.
     
  • Rettung des Hambacher Forsts ist "wünschenswert": Mit der Empfehlung zur Stilllegung von 3,1 GW Braunkohlekapazität im rheinischen Revier kann der Hambacher Forst grundsätzlich erhalten werden. Seine tatsächliche Rettung bleibt jedoch Feld der politischen Auseinandersetzung.
     
  • Keine neuen Tagebaue und Kohlekraftwerke.
     
  • Erhalt der von Abbaggerung bedrohter Dörfer unklar: Die Kommission empfiehlt lediglich, dass die Landesregierungen mit den Betroffenen vor Ort in einen Dialog um die Umsiedlungen treten sollen, um soziale und wirtschaftliche Härten zu vermeiden.
     
  • Förderung für die Kohle-Regionen: Es sollen 20 Jahre lang 1,3 Milliarden Euro jährlich an Mitteln für Projekte in die Reviere fließen. Darüber hinaus sollen 0,7 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich und haushaltsunabhängig über den Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden. Diese Mittel sind zwischen Bund und Ländern bereits vereinbart. Über einen Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern sollen die Vorhaben zusätzlich abgesichert werden.
 

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