Grönland: Das „ewige Eis“ schwindet. Atommüll unterm Eis von aaaRed Mithilfe von Satellitenmessungen der Eisdicke wurde das Gletscher-Gesamtvolumen der Erde neu berechnet - mit einem erschreckenden Ergebnis. Dachte man vor Jahrzehnten noch, dass der Atommüll im ewigem Eis für immer verschwunden bleibt, kann er in naher Zukunft wieder auftauchen. Zu Zeiten des Kalten Krieges, in denen Russland und die USA sich ein Wettrüsten lieferten, baute die USA unter dem Eis von Grönland militärische Anlagen und Abschussbasen für Atomraketen.
Camp Century ist eine verlassene Militärbasis der USA in Grönland. Sie befindet sich 240 km östlich der Thule Air Base und wurde ab Ende 1958 im Rahmen des Projekts „Iceworm“ errichtet. Offiziell ging es dabei um die Erforschung des arktischen Eises. Der erste Bohrkern des grönländischen Inlandeises stammt daher. Außerdem sollten Tests zur Errichtung eines mobilen Atomreaktors durchgeführt werden. Das eigentliche Ziel aber war, im Eis Abschussrampen für 600 Atomraketen mit dem Ziel Sowjetunion anzulegen Tatsächlich sollten Ingenieure hier erforschen, ob und wie sich Atomraketen unter dem Eis in Stellung bringen und abschießen lassen. Auf der 55 ha grossen Anlage betrieb das US-Militär nicht nur geheime Flugplätze und Radarstationen. 600 US-Atomraketen sollten unter dem ewigen Eis bereit liegen, um sie möglichst ungesehen - und möglichst zügig - nach Osten abschießen zu können. Die Basis bestand aus 21 Tunneln 8m unterm Firneis mit einer Gesamtlänge von 3000 m. Für den Strom sorgte ein mobiler Kernreaktor. Die 0,5 Quadratkilometer große Anlage wurde 8 Meter unter dem Firneis gebaut und bekam unerwartete Probleme mit dem Fließen des Eises und dem Absinken des Abfalls wegen der entstandenen Abwärme bei Außentemperaturen von durchschnittlich minus 23 Grad Celsius. Aufgrund der Bewegungen verformten sich die Stahlkonstruktionen, die Abwärme des Betriebs löste das Schmelzen der Umgebung aus. Die Station wurde 1966 aufgegeben. Zurückgelassen wurden die gesamte Infrastruktur in 21 Tunneln, mit zirka 9200 Tonnen Baumaterial, 200 m³ Diesel und polychlorierte Benzole (PCB), 240 m³ Abwasser und radioaktivem Kühlwasser des Kernreaktors. Erst 1995 erfuhr Dänemark vom Camp Century. Der Öffentlichkeit wurde das Projekt erst 1997 bekannt
Grönland verlor gigantische 1 Billionen Tonnen Eis in nur vier Jahren. Eine Studie veröffentlichte Zahlen, die zeigen, wie gravierend seine Probleme sind. Der größte Anteil der Eisschmelze stammt von nur fünf Gletschern. Der kanadische Klimawissenschaftler William Colgan und der Glaziologe Horst Machguth von der Universität Zürich machten 2016 darauf aufmerksam, dass die Anlage infolge Eisschmelze verursacht durch die Klimaerwärmung in 70 Jahren an die Eisoberfläche kommen könnte. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die Schadstoffe zu tauen beginnen und ins marine Ökosystem gelangen. Dann besteht das Risiko, dass belastetes Schmelzwasser das Meer mit seinen Ökosystemen nachhaltig verschmutzt und schädigt. Eigentlich war alles schon seit Ende der siebziger Jahre bekannt, wie interne Dokumente belegen, doch der Konzern Exxon wollte nicht, dass es publik wird. Exxon-Wissenschaftler warnten bereits ab 1977 vor den Gefahren des Klimawandels. Doch ihr Konzern ignorierte sie - und verlegte sich aufs Täuschen und Verwirren. Aber dafür hat Exxon bereits schnell die Rechte erworben, dort nach Öl zu bohren, wo eigentlich das Eis nie schmelzen würde. Die Grönländer sind besorgt. Denn Camp Century ist nicht die einzige Station der Amerikaner, die im Eis schlummert. In Grönland gibt es mehr als 30 aufgegebene amerikanische Militärinstallationen, bei denen die ökologischen und gesundheitlichen Auswirkungen von zurückgelassenem Abfall nicht ermittelt wurden. Zwischen 21. Juli und 8. August 2017 installierten sechs Forscher bei denkbar schlechten Wetterbedingungen nun Messstationen vor Ort, die die dänischen Wissenschaftler seither laufend mit neuen Daten über das Wetter, Firn- und Eistemperaturen sowie die Bewegungen des Gletschers versorgen Zusätzlich nahm das Team Bohrkerne vom Stationsareal und der Umgebung. Mittels Bodenradar werden unter anderem die mittlerweile 30 bis 40 Meter tief eingeschneiten Relikte der Station untersucht. Schon im Feld lassen die Daten vermuten, dass dort noch viel Material unten drinnen ist. Die Forscher wollen nun auch herausfinden, wie stark radioaktiv das einstige Kühlwasser des Reaktors ist. Aufgrund der laufenden Messungen erhofft man sich mehr Klarheit über die Zukunft dieses problematischen Relikts aus der Vergangenheit. Was dann im drohenden Ernstfall tatsächlich getan werden könnte, ist jedoch eine große offene Frage, die vor allem die dänischen Behörden beschäftigen wird.@ |
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