Wie Baumbesetzer*innen einen Konzern in Schach halten

Der Hambacher Forst

von Hauke Benner

Der Hambacher Forst ist ein 12000 Jahre alter Wald und liegt zwischen Köln und Aachen im rheinischen Braunkohlerevier. Der 200 ha große Wald liegt am südöstlichen Rand einer riesigen Kraterlandschaft, des 7 mal 7 Quadratkilometer großen Tagebaus Hambach, mit einer Tiefe bis zu 300 Metern. Um die für den RWE-Konzern hochprofitable Braunkohleverstromung auch über das Jahr 2022 hinaus im Hambacher Tagebau fort zu setzen, will RWE jetzt die letzten Hektar Wald roden. Doch im Laufe des Sommers, der mit den sehr heißen Temperaturen für alle Menschen im Rheinland einen Vorboten des Klimawandels symbolisierte, verbreiterte sich der Widerstand in Windeseile.

Einige Bäume im Hambacher Wald sind schon seit sechs Jahren besetzt. Von Jahr zu Jahr hat sich die Zahl der Baumbesetzer*innen auf über 100 erhöht. Und auch aus der umliegenden Bevölkerung kommt seit diesem Sommer eine bisher nicht gekannte Sympathie- und Unterstützungswelle. Nachdem seit Anfang September der RWE-Konzern mithilfe von 4.000 Polizistinnen die besetzten Bäume räumen lies, ist der Hambacher Forst plötzlich Symbol und Fokus des Widerstandes gegen die Klimapolitik der Bundesregierung und der Landesregierung Nordrhein-Westfalen.

Alle wissen, die Braunkohle ist die klimaschädlichste Form der Erzeugung von Elektrizität. Jede Tonne verfeuerte Braunkohle erzeugt eine Tonne CO2. 20 % der CO2-Emission in Deutschland geht auf die Braunkohle zurück. Allein das Kraftwerk Neurath emittiert soviel CO2 wie Slowenien im einem Jahr. Doch RWE hält an der Braunkohle fest. 9000 Beschäftigte zählt die rheinländische Braunkohleindustrie und der CEO von RWE Schmitz hat vor kurzem der Presse vorgerechnet, wenn der Hambacher Forst nicht gerodet wird, entgehen dem Konzern Gewinne in der Höhe von 5 Milliarden Euro. RWE hat also ein sehr großes Interesse, solange wie möglich an der Braunkohleverstromung fest zu halten. Doch zumindest derzeit hat der Konzern durch seine Räumungsaktion einen gewaltigen Imageschaden erlitten und die Stromkunden der RWE-Ökostrom-Tochtergesellschaften kündigen massenhaft ihre Verträge. Die Regierung Merkel hat das Pariser Klimaabkommen von 2015 unterzeichnet und darin zugesichert, dass die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 % gesenkt werden. Aber da der dafür notwendige Ausstieg aus der Kohleverstromung nur sehr zögerlich voranschreitet, wird Deutschland das 40%-Ziel deutlich verfehlen. Der Druck der Lobbiisten aus den Energiekonzernen und den Gewerkschaften auf die Bundesregierung ist einfach zu groß. So ist der Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich abgebremst worden und die Drohung mit dem Verlust von 20.000 Kohlearbeitsplätzen hat vor allem die Sozialdemokraten aufgeschreckt. In der von der Bundesregierung eingesetzten Kohlekommission gibt es ein zähes Ringen um den möglichen Kohleausstieg. Die Gewerkschaften und RWE wollen die Braunkohle bis 2040 weiter verfeuern, obwohl alle in der Kommission wissen, dass dann die in Paris zugesicherten Reduktionsziele völlig verfehlt werden.

Der alte Konflikt in der Ökologiebewegung: Erhalt der Natur oder Erhalt der Arbeitsplätze, ist wieder brandaktuell. Wie verlogen dabei argumentiert wird, darauf hat kürzlich Joachim Schellnhuber, ehemaliger Präsident des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, hingewiesen: "Tatsächlich gab es im Braunkohlebereich der DDR 1969 an die 100.000 Arbeitsplätze. Jetzt gibt es weniger als 10.000 direkte Arbeitsplätze in der Kohle im Osten Deutschlands. Das heißt, der ganz normale Marktkapitalismus hat diese Arbeitsplätze abgeschafft, und es hat kein Hahn danach gekräht."

Die Klimabewegung hat also sehr mächtige Gegner, die eben auch mal 4.000 Polizisten einsetzt, um ein paar Baumhäuser zu räumen. Und doch lässt sich der Widerstand nicht unterkriegen. Auch nach der Räumung gehen die Kämpfe und Aktionen der vielfältigsten Art weiter. Am letzten Freitag hat RWE von den Richtern des Oberverwaltungsgerichts Münster erst einmal ein Stoppzeichen vor die Nase gesetzt bekommen: Keine Rodung, solange die Naturrechtsfragen, wie das Überleben der Fledermäuse im Hambacher Forst, ungeklärt sind. Das ist ein juristischer und politischer Erfolg für die Klimabewegung. Aber es ist nur eine Atempause. Denn die Bundesregierung sträubt sich mit Händen und Füßen, die notwendigen einschneidenden Maßnahmen zur CO2-Reduktion für die Industrie, Verkehr und Landwirtschaft per Gesetz zu sanktionieren.

Von daher bleibt die Parole der bekanntesten Klimagruppe in Deutschland, "Ende Gelände" weiter aktuell: "Kohleausstieg ist Handarbeit". Denn der Klimawandel findet schon jetzt statt und nicht erst, wie die Braunkohlelobby meint, vielleicht in 20 Jahren.

Schon jetzt hat sich die Erde um mehr als 1 Grad erwärmt und das in Paris beschlossenen 2 Grad-Ziel ist in weite Ferne gerückt. Wenn tatsächlich die Industrieländer bis 2050, wie in Paris vereinbart, ihre Treibhausgasemissionen um 85% reduzieren sollen, müssen alle fossilen Kraftwerke in Deutschland im nächsten Jahrzehnt abgeschaltet werden und der Autoverkehr mit Verbrennungsmotoren komplett eingestellt werden. Das ist schier utopisch und ohne einen grundlegenden Bewusstseinswandel und eben auch Systemwandel nicht zu haben. "Ende Gelände" trägt bei jeder Besetzungsaktion als Leittransparent: "System Change - not Climate Change". Angesichts der herrschenden Verhältnisse hört sich das verrückt an - und doch ist es die einzige Lösung, wenn wir verhindern wollen, dass Millionen in Bangladesch vor dem steigenden Meeresspiegel oder in Afrika wegen der Dürre fliehen müssen und an die Tore Europas klopfen.@

 

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