Das FeigenblattWarum das Nationale Begleitgremium mehr schadet als nutztEine Bewertung von Jochen StayIm Standortauswahlgesetz (StandAG) ist das Nationale Begleitgremium (NBG) festgeschrieben. Die Medien lieben das NBG, weil es "innovativ" ist. Doch was bewirkt es wirklich? Es kann viel reden - wird aber nicht gehört. So wird das Begleitgremium zum Puffer zwischen Betroffenen und Entscheider/-innen, zu einem PR-Instrument, um einen schlecht gemachten Suchprozess besser ausschauen zu lassen, als er ist. Mit echter Partizipation hat das alles nichts zu tun. Wer sich mit dem Suchverfahren für ein tiefengeologisches Atommüll-Lager in Deutschland näher beschäftigt, stößt früher oder später auf ein Gremium, das es in dieser Form bisher nicht gegeben hat: das Nationale Begleitgremium (NBG). Im November 2016 benannten Bundestag und Bundesrat sechs "anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens" für das NBG. Ergänzt werden sie durch drei sogenannte Bürgervertreter/-innen, gewählt aus einer Gruppe von 120 per Zufall aus dem Telefonbuch ermittelten Menschen. Vorsitzende des insgesamt neunköpfigen Gremiums sind der ehemalige CDU-Umweltminister Klaus Töpfer und die Politikwissenschaftlerin Miranda Schreurs. Weitere neun Mitglieder kommen in diesem Sommer dazu, wenn Bundesrat und Bundestag noch einmal sechs Personen benennen und weitere drei Zufallsbürger/-innen ausgewählt werden. Das NBG ist angeblich unabhängig, aber Zweidrittel der Mitglieder werden von Bundestag und Bundesrat ausgewählt, was im Falle von Konflikten auch schnell dazu führen kann, dass Einzelne nach Ablauf von drei Jahren nicht bestätigt werden. Es besteht also direkter politischer Einfluss auf die Zusammensetzung des Gremiums. Für die jetzt anstehende Erweiterung werden hinter den Kulissen bereits Namen gehandelt, die darauf deuten, dass einzelne Bundesländer sich eine direkte Interessenvertretung im NBG installieren wollen. Das Gremium wurde vom Stand AG nicht bestellt, um die Standortsuche durch ein kritisches Element zu bereichern - denn das würde Mitbestimmungsrechte und ein unabhängiges Wahlverfahren voraussetzen. Seine Funktion ist die Legitimation des Suchverfahrens in der Öffentlichkeit. So schreibt das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE): "Das NBG hat die Aufgabe, die Standortsuche und den Beteiligungsprozess konstruktiv zu begleiten und somit zusätzlich Vertrauen in das Auswahlverfahren zu fördern. Es kann Fragen stellen und Stellungnahmen abgeben." Auch im Gesetz steht als ausdrückliches Ziel des NBG, "Vertrauen in die Verfahrensdurchführung zu ermöglichen". Die Gesetzesbegründung ergänzt noch, dass das Gremium die "Umsetzung des Beteiligungsverfahrens im Standortauswahlverfahren bis zur Standortentscheidung unterstützen" solle. Das NBG hat also streng genommen nicht einmal das Mandat, das Beteiligungsverfahren zu kritisieren, denn es soll ja nur dessen Umsetzung unterstützen. Ein Gremium, das Vertrauen in ein ungeeignetes und unfaires Verfahren schaffen soll und will, ist nichts anderes als ein Feigenblatt oder eine PR-Maßnahme. Das NBG dient auch als Puffer möglicher Konflikte zwischen den staatlichen Institutionen auf der einen und der Bevölkerung auf der anderen Seite. Statt dass sich Betroffene direkt an die Behörden oder die Politik wenden, hoffen sie nun möglicherweise, dass sich das NBG ihrer Anliegen annimmt. Doch selbst wenn das passiert, versandet es am Ende, weil das Begleitgremium keinen echten Einfluss hat. Das Ergebnis bereits der allerersten öffentlichen NBG-Veranstaltung vom 11. Februar 2017 mit dem Titel "Bürger/-innen-Anhörung zum Standortauswahlgesetz" ist unter Effizienz-Gesichtspunkten - nicht unter Propaganda-Gesichtspunkten! - äußerst dürftig und daher möchte ich das prototypisch beleuchten. Man halte sich vor Augen: Für die Veranstaltung kamen 170 Menschen mit entsprechendem organisatorischen Vorbereitungs- und individuellem Reiseaufwand aus ganz Deutschland nach Berlin, um sechs Stunden lang den Gesetzesentwurf zum neuen StandAG zu diskutieren und mit dem NBG Empfehlungen an den Gesetzgeber für sinnvolle Abweichungen von diesem Gesetzesentwurf zu erarbeiten. Am Ende der Veranstaltung stand ein Papier mit neun Änderungsempfehlungen für den Gesetzesentwurf. Aber: Von diesen neun Empfehlungen übernahm der Gesetzgeber schließlich gerade mal eine einzige wie vorgeschlagen und eine zweite in lediglich stark verwässerter Form; die anderen sieben schlug er alle restlos in den Wind. Im NBG-Bericht liest sich das hingegen so:"Einen Teil der Empfehlungen machte sich der Gesetzgeber zu Eigen. So strich er das Wort ‚insbesondere' aus dem Gesetzestext. Die Aufgaben des Nationalen Begleitgremiums erweiterte der Gesetzgeber durch die Formulierung: ‚Es kann dem deutschen Bundestag weitere Empfehlungen zum Standortauswahlverfahren geben." Dem Bundestag Empfehlungen geben - das kann eigentlich jede und jeder; dazu braucht man kein aufwändiges Gremium. Es kommt vielmehr darauf an, was der Bundestag daraus macht. Die Änderungsempfehlung aus der NBG-Veranstaltung war übrigens deutlich weitgehender als der Satz, der dann im Gesetz landete. Die letztlich zugestandene Formulierung besagt nicht viel, wahrt aber durch ihre bloße Existenz immerhin das Gesicht der NBG-Vorsitzenden, die ja sonst an diesem Veranstaltungstag so gut wie gar nichts erreicht gehabt hätten. Das ist also der Effekt der vielbeschworenen "umfassenden Öffentlichkeitsbeteiligung" bei dem Thema: Man kann sich zwar, wenn man den Aufwand nicht scheut, punktuell "kontrolliert einbringen", wenn man das aber nicht tut, kommen trotzdem keine wesentlich anderen Ergebnisse heraus - außer Spesen nichts gewesen! Wozu also sich beteiligen lassen? Doch halt, zwei Gründe dafür gibt es: Erstens mögen die Teilnehmer/-innen der Veranstaltung nach dem altbewährten Motto "Brot und Spiele" einen interessanten Tag mit anregenden Gesprächen und sicherlich auch leckerer Tagungsbewirtung auf Staatskosten verlebt haben, zunächst verbunden mit dem guten Gefühl, für unser Land etwas Konstruktives geleistet zu haben - bis sie merken, was von ihrem Engagement übrig bleibt. Und zweitens denken sich vor allem die vielen Konsument/-innen der entsprechenden schönen Medienberichte, die nicht selber dabei waren, Ähnliches: Dass die Bürgerinnen und Bürger sich doch offenbar wirklich breit einbringen können und Gehör finden! Pustekuchen - einbringen in Grenzen vielleicht, aber Gehör finden? Von den Inhalten der Impulse, die die beteiligten Bürger/-innen einbringen, und dem, was von ihnen später übrig bleibt, erfahren die medialen Zaungäste ja normalerweise nichts. Aber dass die Bürger/-innen irgendwie (egal wie!) beteiligt wurden, dieser Eindruck schließlich ist für die Politik und die Regierung schon alleine Gold wert, wenn er so hängen bleibt. Ein weiterer Anschauungstest für den Einfluss des NBG war eine Veranstaltung zur Zwischenlagerung im Januar 2018 in Karlsruhe: Auf der einen Seite profilierte sich das Gremium auch in der atomkritischen Öffentlichkeit damit, das Thema anzupacken. Auf der anderen Seite holte es sich beim zuständigen Atommüll-Bundesamt und beim Chef der neuen Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ), Staatssekretär Jochen Flaßbarth, einen Korb. Das BfE sprach dem NBG schlicht die Zuständigkeit für das Thema ab und Flaßbarth weigerte sich sogar, an der Veranstaltung überhaupt nur teilzunehmen. Inzwischen hat das BfE seine Vorstellungen für die Zukunft der Zwischenlagerung öffentlich vorgestellt. Von den Anregungen des NBG ist darin nichts zu finden. Die Selbstcharakterisierung im Internet-Auftritt des NBG, es sei "eine gegenüber Behörden, beteiligten Unternehmen und Experteneinrichtungen unabhängige gesellschaftliche Instanz, die "über dem Auswahlverfahren steht", ist vor diesem Hintergrund ein grandios überzogener Euphemismus. Es steht mitnichten über dem Auswahlverfahren, sondern, wenn es hart auf hart kommt,allenfalls daneben. Im ersten Bericht des NBG heißt es: "Unser Ziel ist es, Vertrauen in das Verfahren der Standortauswahl zu vermitteln. Das setzt selbstverständlich voraus, dass das Verfahren auch tatsächlich Vertrauen verdient, ..." Tja, und was, wenn nicht? Wird das NBG das dann anprangern, wird und kann es darüber hinaus Druck machen, oder wird es, wenn das aussichtslos erscheint, die Situa - tion schön reden, um nicht eingestehen zu müssen, das es halt doch nichts ausrichten kann? Und wird das NBG das alles überhaupt erkennen (können)? Wie will das NBG gegenhalten, wenn die Kontroversen zwischen den Akteuren stärker werden? Das einzige "Argument", das das NBG in diesem Verfahren hat, ist die Öffentlichkeit. Das ist im Zweifel die gleiche Öffentlichkeit, bei der das NBG zuvor Vertrauensaufbau für das Verfahren geleistet hat. Wer also möchte, dass es ein faires und gerechtes Standortsuchverfahren gibt, sollte nicht auf das NBG setzen, sondern fordern, dass das StandAG gründlich überarbeitet wird - hin zu tatsächlichen Mitbestimmungsrechten der Betroffenen - von Anfang an. @ | ||
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