Zwischenlager, Atomtransporte und der Terrorschutz

Geheimsache SEWD

von Hubertus Zdebel

Neue Sicherheitsrichtlinien in Verbindung mit dem Terrorschutz sorgen dafür, dass frühestens 2019 Atomtransporte mit hochradioaktivem Abfall stattfinden könnten. Um was es genau geht, unterliegt strengster Geheimhaltung. Was staatliche Stellen an Informationen zum Terrorschutz bzw. "Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter" ("SEWD") sagen und vor allem: was sie nicht sagen, ist im Folgenden als Hintergrundinformation nachzulesen.

Ich meine: Den Atommüll bekommen wir nicht mehr aus der Welt. Die neuen Bedrohungslagen sind aber ein zusätzlicher Grund, die noch laufenden Reaktoren sofort vom Netz zu nehmen! Und: Wir müssen uns über die Sicherheit bei den Zwischenlagern mehr Gedanken machen. Da derartige Schutzmaßnahmen im Detail geheim bleiben, hat die Öffentlichkeit keinerlei Möglichkeit einer Prüfung mehr. Ein Problem, das zum Beispiel auch vor den Gerichten eine enorme Rolle spielt, wie das Urteil zur Aufhebung der Genehmigung für das Zwischenlager in Brunsbüttel gezeigt hat.

Bereits die "Endlager"-Kommission hat in ihrem Bericht darauf verwiesen, dass es vor dem Hintergrund zahlreicher Herausforderungen eine Auseinandersetzung über die Vor- und Nachteile einer "konsolidierten Zwischenlagerung" an mehreren größeren Standorten gebe müsse". Gemeint sind damit neue verbesserte Zwischenlager, die dann die bisherigen ersetzen könnten.

    "Störmaßnahmen oder sonstige
    Einwirkungen Dritter" (SEWD)

Zuständig für diese Richtlinien, die unter dem Begriff "Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter" (SEWD) laufen, ist das Bundesumweltministerium in Zusammenarbeit mit den Atombehörden der Bundesländer. Neue Sicherheitsrichtlinien gelten nicht nur für Atomtransporte, sondern auch für die Zwischenlager mit hochradioaktiven Abfällen. Hierbei geht es im Behördenjargon nicht um die Sicherheit im technischen Sinn, sondern um die Sicherung im Sinne der Gefahrenabwehr.

Alle Zwischenlager werden derzeit entsprechend den neuen Terrorschutz-Anforderungen nachgerüstet. Dazu werden innen und außen zum Beispiel neue Schutzmauern errichtet, die vor allem zur Abwehr panzerbrechender Waffen dienen. Auch an den noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerken sind in den letzten Jahren zusätzliche Schutzmaßnahmen ergriffen worden. Sichtbar davon sind Gerüste auf den Dächern rund um die Reaktorkuppeln der Atommeiler, die offenbar verhindern sollen, dass Hubschrauber dort landen. Konkrete Aussagen dazu machen die Behörden aber auch in diesem Fall nicht. In der Antwort auf die Kleine Anfrage von mir teilt die Bundesregierung mit: "Zusätzlich zu den vorhandenen Sicherungsmaßnahmen sind ergänzende Sicherungseinrichtungen auf den Dachflächen der Atomkraftwerke im Leistungsbetrieb notwendig. Weitere Details der Maßnahme können in dieser Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht genannt werden, um Rückschlüsse auf die Sicherungsmaßnahmen zu vermeiden."

    Willensgesteuerter Akt

Auf der Homepage des Bundesamts für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) ist zu lesen: "Willensgesteuerter Akt – Bei der Beurteilung der Gefahrenabwehr und Risikovorsorge ist die Frage der Eintrittswahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses von besonderer Bedeutung. Bei SEWD kann nicht auf die im Bereich der technischen Anlagensicherheit verwendeten Methoden zurückgegriffen werden, da es bei SEWD-Ereignissen nicht um objektiv, das heißt natur- und ingenieurwissenschaftlich ermittelbare Versagens- oder Fehlerwahrscheinlichkeiten technischer Komponenten geht, sondern um die Wahrscheinlichkeit einer Realisierung willensgesteuerter Ereignisse: Ob ein SEWD-Ereignis eintritt, hängt maßgeblich von den subjektiven Erwägungen und Entscheidungen des Störers ab.

Anstelle der objektiv ermittelten Versagenswahrscheinlichkeit ermitteln daher die zuständigen Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder in einem festgelegten Verfahren, mit welchen Ereignissen möglicher Störer (Tatszenarien) zu rechnen ist. In diese, einer ständigen Überprüfung unterliegenden Einschätzung gehen dabei die verschiedensten Aspekte ein, wie zum Beispiel erwartete Motivationslagen bei potentiellen Tätern, erwartete Größe einer Tätergruppe, Suizidbereitschaft von Tätern, mögliche Bewaffnung (objektiv erreichbar, verfügbar), mögliche allgemeine Hilfsmittel. Aus dieser Einschätzung werden konkrete Vorgaben abgeleitet und in der sogenannten SEWD-Richtlinie durch das Bundesumweltministerium (BMUB) festgelegt. Ihre wesentlichen Inhalte dürfen nicht bekannt gemacht werden, um potenziellen Tätern keine Anhaltspunkte zu geben. Das BfE hat diese Richtlinie in seinen Genehmigungsverfahren anzuwenden, legt sie jedoch nicht fest."


KoSiKern

Zur Festlegung dieser Maßnahmen berichtet auch das BMUB: "Inhaltlich werden Änderungen bestehender Richtlinien oder neue Vorgaben von Bund-Länder-Arbeitsgruppen unter Leitung des Bundesumweltministeriums erarbeitet und dann im Konsens in den übergeordneten Gremien sowohl der atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden als auch der Innenbehörden behandelt und verabschiedet.

Die unmittelbar beteiligten Bund-Länder-Gremien im Bereich der Sicherung sind der Arbeitskreis Sicherung und die Kommission `Sicherung und Schutz kerntechnischer Einrichtungen´ (KoSikern). Beim Arbeitskreis Sicherung handelt es sich um einen Arbeitskreis des Fachausschusses Reaktorsicherheit des Länderausschusses für Atomkernenergie. Die KoSikern ist eine Kommission des Unterausschusses Führung, Einsatz, Kriminalitätsbekämpfung des Arbeitskreises II der Innenministerkonferenz."

    Grundsätzlich gilt laut BMUB für diese Schutzmaßnamen:

"Die Gewährleistung des erforderlichen Schutzes gegen SEWD ist Genehmigungsvoraussetzung gemäß Atomgesetz, für Zwischenlager im § 6 (2) Nr. 4. Der erforderliche Schutz ist erfüllt, wenn die allgemeinen Schutzziele und die speziellen Schutzziele der jeweiligen kerntechnischen Anlage auch bei SEWD-Ereignissen erfüllt werden. Zum Erreichen dieser Schutzziele sind anlagentypspezifische Sicherungsmaßnahmen notwendig, die in SEWD-Richtlinien festgelegt sind. Die für alle Gegenmaßnahmen zu Grunde zu legenden Annahmen sind in einer separaten Richtlinie festgelegt. Die Lastannahmen sind das Ergebnis einer Bedrohungsanalyse.

Der Betreiber erfüllt den erforderlichen Schutz, wenn er durch die von ihm getroffenen Maßnahmen für die Dauer bis zum wirkungsvollen Eingreifen der staatlichen Schutzkräfte die Schutzziele erfüllt. Für technische Einrichtungen, welche in unterschiedlichen Anlagentypen genutzt werden wie z.B. die Beleuchtung, gibt es übergeordnete generische Regelungen. Die sogenannten Rahmenpläne sichern eine schnelle Reaktion auf Ereignisse und die Anordnung zusätzlicher Maßnahmen bei veränderter Bedrohung oder akuter Gefahrenlage. Alle deutschen Regelungen entsprechen den oder übertreffen die derzeitigen internationalen Empfehlungen."



    Als Schutzziele werden benannt:

Alle Maßnahmen der Sicherung kerntechnischer Anlagen und Einrichtungen stellen für die unterstellte Bedrohung die Einhaltung zweier allgemeiner Schutzziele sicher:

    Eine Gefährdung von Leben und Gesundheit infolge erheblicher Direktstrahlung oder infolge der Freisetzung einer erheblichen Menge radioaktiver Stoffe muss verhindert werden können.

    Eine einmalige oder wiederholte Entwendung von Kernbrennstoffen in Mengen, mit denen ohne Wiederaufarbeitung und Anreicherung die Möglichkeit der unmittelbaren Herstellung einer kritischen Anordnung gegeben ist, muss verhindert werden können."

Um diese zu erreichen gibt es laut BMUB ein "Integriertes Sicherungs- und Schutzkonzept: Maßnahmen des Betreibers und Maßnahmen des Staates sind aufeinander abgestimmt und eng verzahnt; dies ist seit 1977 bewährte Praxis. Eckpunkte des Konzepts sind:

  • Der Betreiber einer kerntechnische Anlage oder Einrichtung hat eine ausreichende Sicherung seiner Anlage nach dem Stand von Technik und Erkenntnislage der Sicherheitsbehörden zu gewährleisten und nachzuweisen.
     
  • Das Sicherungskonzept des Betreibers umfasst bauliche und sonstige technische, personelle und administrativ-organisatorische Sicherungsmaßnahmen, wird regelmäßig analysiert und begutachtet.
     
  • Sicherungsmaßnahmen des Betreibers sichern den Schutz nur für eine begrenzte Zeit, die sog. Verzugszeit, bis zum Eintreffen der Polizeikräfte.
     
  • Ergänzende Schutzmaßnahmen der Polizei sind erforderlich, um im Ereignisfall Einwirkungen Dritter wirkungsvoll beenden zu können."
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