Atomforschung am KIT Karlsruhe:
Unerkannter Weg zum atomwaffenfähigen Uran-233


Thorium: halbe Wahrheit ist größte Lüge!

von Dietrich Schulze (verantwortlich i.S.d.P.G. für eine Autorengruppe)

Im Kasseler Friedensratschlag am 3./4. Dezember an der Uni Kassel gab es einen bedeutenden Plenumsbeitrag von Erhard Crome unter dem Titel "Wer sind die Kriegstreiber?". Darin geht er auf die Folgen der Trump-Wahl ein und schildert die unvorstellbaren konventionellen und nuklearen Aufrüstungsabsichten für eine europäische Kriegsarmee nach US-Muster mit geforderter deutscher Eskalationsdominanz auch ohne die USA.

Diese Atomwaffen-Option durchzieht die Geschichte der Bundesrepublik wie ein roter Faden. Tatsächlich wird am KIT Karlsruhe mit anderen an Atomreaktoren der IV-Generation gearbeitet, die eine Parallel-Herstellung von hochreinem Atomwaffen-Material mit diesen "zivilen" neuen Reaktoren ermöglicht, wie mit dem nachfolgenden Beitrag im Detail nachgewiesen wird. Die Forderung des Friedensratschlags "Atomwaffen raus aus Deutschland" muss ergänzt werden um die Forderung "Atomwaffen-Optionsforschung raus aus dem KIT Karlsruhe". Damit muss sich die Antiatom-, Friedens- und Zivilklausel-Bewegung befassen, insbesondere in Karlsruhe.

Teil 1

Trotz Energiewende und Zivilklausel wird in KIT-Nuklear-Instituten und am Institut für Transurane (JRC-ITU) weitgehend unbemerkt an Technologien gearbeitet, die geeignet sind, aus Thorium das waffenfähige Uran-233 herzustellen. Dies geschieht unter anderem auf der Basis des EU - Projekts SAMOFAR, das mit Thorium betriebene Flüssigsalz-AKWs weiterentwickeln und ihnen zum Durchbruch verhelfen soll. Dieses Konzept wird von der europäischen Union u.a. mit dem Projekt SAMOFAR vorangetrieben.

Auf Arte -TV wurde dazu kürzlich eine Art Thorium-Werbe-Film ausgestrahlt und als Aufmacher auf der SAMOFAR-EU-Homepage verlinkt. Historisch ganz gut gemacht, auch was die verschiedenen Reaktor-Entwicklungen und die zivil-militärische Verbindungen angeht, ist der Film aber sehr unvollständig, einseitig und beschreibt nicht die Risiken, die mit dem Einsatz von Thorium als flüssigem Nuklear-Brennstoff einhergehen. Thorium kommt in der Erdkruste etwa viermal häufiger vor als Uran, ist ebenfalls radioaktiv und es ist auf nahezu allen Kontinenten vorhanden.

Der Hype um Thorium war in den letzten Jahren nur in Fachkreisen erkennbar, in Konferenzen, wissenschaftlichen Artikeln und Vorträgen. Mit diesem Arte-Film wird die Debatte um Thorium nun auf einseitige und desinformierende Weise in die Bevölkerung getragen, um offensichtlich wegbereitend eine positive Stimmung gegenüber dieser neuen Atom-Technologie zu erzeugen. Die eigentliche Motivation, warum gerade Flüssigsalzreaktoren von EU-Seite mit SAMOFAR bevorzugt gefördert werden, wird unterschlagen.

Die Thorium-Risiken dagegen und die zwei Wege, um fast reines atomwaffenfähiges Uran 233 zu erzeugen, zeigt ein Artikel aus dem Jahr 2012 von Stephen Ashley und vier weiteren Nuklearwissenschaftlern.

Aus dem bestrahlten Thorium im flüssigen Brennstoff entsteht als Zwischenstufe Protactinium-233, das dann in sehr reiner Form extrahiert werden kann und nach einer vierwöchigen Ruhephase zu waffenfähigem Uran-233 zerfällt. Neben der Aufarbeitung mit Hilfe von Säuren ist eine Gewinnungsmöglichkeit dazu die "reduktive Extraktion in flüssigem Bismuth"

Beide Verfahren sind laut Ashley u. Kollegen mit Standard-Kernforschungsausrüstung in Heißen Zellen durchführbar und ein solches Equipment unterliegt nicht zwingend der Beaufsichtigung durch die Atomorganisation IAEO. Das bedeutet, daß das Weiterverbreitungsrisiko (Proliferation) enorm steigt.

Dieses Prinzip wird nun offensichtlich mit dem EU-SAMOFAR-Reaktorkonzept kombiniert und damit entsteht ein nie dagewesenes Atom-Reaktorsystem von höchster Brisanz:

Flüssigsalzreaktoren gehören zur geplanten vierten Generation von Atomkraftwerken und können v. a. in der Variante mit zwei Brennstoff-Kreisläufen ("Two Fluid") mit einer direkt angeschlossenen, quasi integrierten Wiederaufarbeitung des verbrauchten flüssigen Atombrennstoffs betrieben werden.

Im Brutbetrieb mit Thorium könnte das daraus extrahierte Uran-233 auch prinzipiell kontinuierlich abgezweigt werden, z.B. für Atomwaffen. Dieses Reaktorsystem ist auch besonders für Kleine Modulare Reaktoren (SMR) geeignet, die dann in großer Stückzahl in Serie gefertigt werden können. Mit der Realisierung dieses Reaktorkonzepts ist eine Trennung von militärischer und ziviler Nutzung und eine Kontrolle über die Mengen an damit erzeugtem atomwaffenfähigem Uran-233 nicht mehr möglich.

Die bisherigen Erfahrungen mit Thorium beruhen auf der Verwendung als Festbrennstoff in AKWs, in Form von Brennstäben oder als Kugelhaufenreaktor. Das vorgeschobene Argument von der weitgehenden Proliferationssicherheit von Waffenmaterial aus Thorium beruht nur auf dieser Festbrennstoff-Variante, denn die Abtrennung von relativ reinem Uran- 233 ist daraus viel schwieriger, als bei zirkulierendem Flüssigbrennstoff. Bei Flüssigsalzreaktoren ist durch die integrierte Wiederaufarbeitung die Proliferationsgefahr aber gerade sehr hoch, denn Uran-233 lässt sich im Brutbetrieb quasi kontinuierlich gewinnen. Daher ist dieser Reaktortyp auch vor allem für die Staaten interessant, die Atomwaffen herstellen wollen, denn es wird auch keine der bisher bei nuklearen Festbrennstoffen üblichen sehr großen, separaten Wiederaufarbeitungsanlagen mehr gebraucht . Gegenüber der Öffentlichkeit werden aber diese Zusammenhänge überhaupt nicht kommuniziert, obwohl die Forschungen dazu – auch SAMOFAR - aus Steuermitteln bezahlt werden. Hier existieren massive Transparenz- und Demokratiedefizite...

Am KIT forschen mehrere Nuklear-Institute an der vierten Generation von AKWs, die Bezeichnung wird auf den aktuellen Homepages aber weitgehend vermieden, es wird stattdessen verschleiernd von "innovativen", "fortgeschrittenen", zukünftigen", und "neuen" Reaktorsystemen oder "Anlagen" gesprochen. Die Arbeiten am KIT dazu beziehen sich auf Reaktor- und Brennstoffentwicklung, Computersimulationen sowie Materialwissenschaften.

    EU-Projekt SAMOFAR, Institut für Transurane (JRC-ITU) und KALLA

Das ITU (angesiedelt am KIT-Nord und dort umgeben von KIT-Nuklear-Instituten), ist ein Nuklear-Forschungsinstitut der europäischen Kommission und untersucht u.a. atomare Brennstoffe verschiedenster Art im Auftrag der assoziierten Mitglieder. Es wird jetzt in der Atomforschung deutlich gestärkt, die EU bündelt nun dort die europäische Atomforschung. Zudem verfügt das ITU u.a. über die Umgangsgenehmigung für 450 kg Thorium und 50 kg atomwaffenfähiges Uran-233, sie können aber für diese großen Mengen keine schlüssige Erklärung abgeben... Alles nur Zufall ?

Die Forschungen zum EU-Flüssigsalzreaktor-Projekt SAMOFAR sind in "Arbeitspaketen" auf elf Konsortiumpartner verteilt, darunter die französischen Staatskonzerne AREVA und EDF, das Paul-Scherer-Institut (PSI, Schweiz), das KIT und das ITU).

KIT und EDF werden dabei die Arbeiten zur numerischen Simulation des Fließverhaltens des flüssigen Salzes zugeteilt: "KIT and EDF will use the SIMMER code for the simulation of salt draining transients"

Dem ITU dagegen wird genau die oben von Ashley beschriebene "reduktive Extraktion" aus flüssigem Bismuth zugeteilt, also die Uran-233-Gewinnung aus Thorium. "...to demonstrate the proof of concept of the reductive extraction process between the Li-ThF4/Bi-Li."

Dies könnte am Flüssigmetall-Labor KALLA am KIT-Nord optimiert und durchgeführt werden, denn das ITU besitzt offensichtlich die dafür benötigten Flüssigmetalltechnologien nicht...

Das KALLA-Labor verfügt nach Eigenauskunft über europaweit einzigartige Anlagen für Experimente und arbeitet auch an "innovativen" Reaktorkonzepten. Es werden Experimente mit verschiedenen Flüssigmetallkreisläufen durchgeführt, auch mit Bismuth. Wurde die oben genannte "Reduktive Extraktion in flüssigem Bismuth", die Ashley beschreibt, am KALLA-Labor bereits durchgeführt, evtl. im Auftrag des ITU, oder ist dies geplant??

Das KALLA-Labor könnte offensichtlich für mindestens drei experimentelle Linien dienen:

1. Flüssigmetallkühlung für Reaktoren mit nuklearen Festbrennstoffen ("1:1-Modellversuche für die Stabbündelkühlung mit Blei-Bismuth")

2. Flüssige nukleare Brennstoffe wie für Flüssigsalzreaktoren, evtl. auch in zwei getrennten Kreisläufen wie bei "Two Fluid MSR"

3. Uran-233-Gewinnung aus bestrahltem Thorium über die Zwischenstufe Protactinium-233. ("Liquid bismuth reductive extraction"), unter Einbeziehung von flüssigem Bismuth, Lithium und Thorium.

Der erste Punkt wird praktiziert und entstammt ihrer eigenen Homepage, dieses Prinzip kann auch für U-Boot-Reaktoren genutzt werden. Die beiden anderen Punkte sind aus sehr vielen Gründen mehr als nahe liegend. Ob sie bereits angewandt werden, oder möglicherweise in Planung sind, kann zurzeit nicht beantwortet werden.

Wenn diese beiden fraglichen Punkte umgesetzt werden sollten, wird damit Vorschub geleistet, den Atomwaffensperrvertrag und das Kriegswaffenkontrollgesetz zu hintertreiben. Denn:

Wer kontrolliert, welche Gastwissenschaftler Zugang zu diesen Entwicklungen bekommen und was sie in ihren jeweiligen Heimatländern mit diesen höchst sensiblen Kenntnissen machen oder weitergeben?

Wer trägt die Verantwortung, wenn wie oben beschrieben, mit "standardisierter Kernforschungsausrüstung", mit relativ kleinen Brutreaktoren und quasi integrierter Wiederaufarbeitung des atomaren Flüssigbrennstoffs atomwaffenfähiges Uran-233 hergestellt werden kann? Und das, wie von Ashley u. Kollegen beschrieben, unter der offensichtlich möglichen Umgehung der IAEO-Genehmigungspflicht?

Wer kontrolliert, was generell mit möglichen Patenten und Lizenzen dieser Art geschieht, wenn die nur profitorientierte Atomwirtschaft darauf Zugriff erhält?

Wer denkt an das damit einhergehende potenzierte zusätzliche Terror- oder auch Hacker-Risiko? Dies betrifft besonders auch in Serie gefertigte Kleine Modulare Atom-Reaktoren, die - komplett montiert auf Schienen, Lkws oder Panzerfahrzeugen - mobil sind und relativ einfach zu verstecken sind, andererseits aber auch gekidnappt werden können.

Wenn dieser "Geist" erst einmal aus der "Flasche" und in der Welt ist, wird er sich nie mehr zurückholen lassen...

    IAEO

Wer nun allerdings auf die echte, unabhängige Unterstützung der internationalen Atomorganisation IAEO hofft, liegt völlig falsch, denn die IAEO ist Teil des Problems: Sie wurde 1957 als Organisation zur Verbreitung der zivilen Nutzung Atomenergie gegründet und dies ist immer noch ein zentraler Bestandteil ihrer Tätigkeiten. Die IAEO gilt als Lobby der Atomkonzerne, die kein Interesse an negativen Schlagzeilen und demzufolge auch nicht an Aufklärung hat. Es besteht z.B. seit 1959 ein Knebelvertrag mit der Weltgesundheitsorganisation WHO, der der WHO keine Äußerungen bezüglich gesundheitlicher Auswirkungen von Radioaktivität erlaubt, ohne sich vorher mit der IAEO abzustimmen. Das bedeutet, dass Einflussmöglichkeiten und Deutungshoheit der IAEO quasi vertraglich festgeschrieben sind...

Die IAEO wirbt massiv in Schwellen- und Entwicklungsländern um atomare Neueinsteigerstaaten und stattet sie mit Schulungsprogrammen und Lizenzen zum Kernenergieeinstieg aus. Darunter sind auch Staaten in Krisenregionen und mit teilweise massiven Demokratiedefiziten und Terrorgefahren. Des weiteren etablierte die IAEO kürzlich eine Plattform zur internationalen Zusammenarbeit bei Flüssigsalz-Reaktoren und forciert die Entwicklung der vierten Generation,, sowie von Kleinen Modularen Reaktoren (SMR)

Es ist gerade auch vor dem Hintergrund der massiven IAEO-Unterstützung für Flüssigsalz-Reaktoren und damit der integrierten und vereinfachten Gewinnung von atomwaffenfähigem Uran-233 nicht mehr hinnehmbar, dass ausgerechnet die IAEO auch noch selbst die Einhaltung des Atomwaffensperrvertrages kontrolliert.

Diese zutiefst widersprüchlichen und schizophrenen Interessenskonflikte können nur aufgelöst werden, indem eine von Atom-Lobby-Interessen wirklich unabhängige Kontrollbehörde ihre Arbeit aufnimmt.

    Wissenschaftskommunikation

In der deutschen "Spektrum der Wissenschaft"-Übersetzung des Ashley-Artikels fehlt übrigens der absolut entscheidende letzte Teil im grauen Kasten des englischen Originals: Die Beschreibung der "Reduktiven Extraktion" von Uran 233 aus Thorium über den Zwischenschritt Protactinium. Es ist genau der Teil des SAMOFAR-Arbeitspaketes, der dem ITU zugeteilt wurde, und für den das KIT-KALLA-Labor die benötigten Flüssigmetallkreisläufe hat... Eine weitere folgenreiche Halbwahrheit, denn so wird die offensichtliche Bedeutung von KALLA und ITU für die vierte Generation und die nahe liegende Verbindung von ziviler und militärischer Nutzung nicht so leicht erkannt. Rein zufälligerweise war der Chefredakteur von "Spektrum der Wissenschaft" zu dieser Zeit gleichzeitig Leiter des KIT-NaWik (Nationales Institut für Wissenschaftskommunikation) und ist heute in dessen Aufsichtsrat. Er ist außerdem tätig als Professor für Wissenschafts-kommunikation und Wissenschaftsforschung am KIT.

Die Kommunikation des KIT war und ist gerade im atomaren Bereich geprägt von strategisch-ambivalenten Formulierungen, Halbwahrheiten und dem Weglassen relevantester Fakten. Wahlweise wird offiziell mit den Umschreibungen "Grundlagen"- und "Sicherheitsforschung", "Unfall-Analysen", "Innovation" ect. operiert. Dadurch entsteht ein unvollständiges Bild des Sachverhalts mit manipulativer Wirkung. Öffentlichkeit und Politik werden somit hinters Licht geführt.

Sehr praktisch ist ein Vorgehen dieser Art natürlich auch bei Evaluierungen der essentiellen Nuklear-Anlagen und so durfte selbst der als Thorium-Übervater bekannte Carlo Rubbia vor einem Jahr die angeblichen Vorzüge des KALLA – Labors beim Methan Cracking preisen. Die europaweit einzigartige Bedeutung von KALLA für die Atomforschung wurde auch von der KIT-Presseabteilung mit keinem Wort erwähnt. Offensichtlich sollten auch hier keine schlafenden Hunde geweckt werden.

    Zivil-militärische Durchlässigkeit

In Großbritannien und darüber hinaus befasst sich zur Zeit die Öffentlichkeit mit der Frage, woher das starke Engagement der Politik für Atomkraft herrührt. Dort soll von EDF unter chinesischer Beteiligung das energiepolitisch völlig unsinnige AKW Hinkley Point entstehen, die Regierung garantiert über 35 Jahre hinweg einen Strompreis daraus, der fast dreimal so hoch ist wie derzeit dieselbe Einheit an europäischen Strombörsen.

Ein Bericht der Universität Sussex legt nahe, dass es bei diesem ersten neuen Atomkraftwerk seit über 20 Jahren nur nebenbei um die Stromversorgung geht. Tatsächlich sei Hinkley Point ein militärisches Projekt, das für die Erneuerung der Atom-U-Bootflotte Trident wichtig ist.

Den Berichten zufolge wurden das militärische und das zivile Programm bislang weitgehend isoliert voneinander entwickelt, doch dazu fehlten mittlerweile die Ressourcen.

"Ein Dokument aus dem britischen Verteidigungsministerium zieht sogar offen die Möglichkeit in Betracht, manche Kosten der atomaren U-Boot-Kapazitäten zu "maskieren", indem man sie hinter den Kosten für die zivile Atomkraft verbirgt... Es stellen sich ernste Fragen nach der Transparenz und Verantwortlichkeit bei der Entscheidungsfindung".

Parallelen zu dieser Strategie lassen sich auch am Arte-Thorium-Film, SAMOFAR, KIT, ITU u.a. erkennen... Offensichtlich soll auch dort der Eindruck erweckt werden, es ginge bei Thorium um Energie...

Gerade die "Sicherheitsforschung" ist aber das Zauberwort, mit dem offensichtlich auch jede Atomforschung am KIT an der vierten Generation legitimiert werden kann. Das sie zugleich eine militärtechnische und ökonomische Verwertung auch im internationalen Rahmen der neu entwickelten Reaktoren überhaupt erst ermöglicht, ist eine weitere der offenbar gezielt-strategisch eingebauten Ambivalenzen. Es wird deshalb allerhöchste Zeit, die Machenschaften hinter den Kulissen zu beleuchten und die Dinge beim wahren Namen zu nennen.

Die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft lebt von der ehrlichen, vollständigen Offenlegung beider Seiten einer Medaille. Das bedeutet, alle Risiken und Probleme eines Sachverhalts müssen genauso schonungslos, eindeutig und vollständig benannt werden, wie die erhofften Vorteile und zwar nach dem neuesten Kenntnisstand.

    Was folgt daraus?

Bisher äußerten sich vom KIT weder das ITAS, das am Regierungssitz in Berlin ein Büro zur Technikfolgenabschätzung (TAB) unterhält, noch die Ethik-Kommission oder Juristen öffentlich zu all diesen enormen Problemfeldern und Gefahren. Verdrängen, Totschweigen oder Laufenlassen können aber darauf keine Antwort sein. Die bisher bundesweit beispiellos weit reichende Autonomie des KIT verliert angesichts der oben beschriebenen Situation jede Legitimation.

Autonomie – weitreichende Selbstkontrolle – wem nützt die derzeit praktizierte Definition und Auslegung am KIT eigentlich? Mit der "Freiheit der Wissenschaft" und dem Versuch, das Dogma der individuellen Verantwortung des einzelnen Wissenschaftlers angesichts dieser enormen Risiken als ausreichend zu installieren, kann niemand - keine Institution und kein Staat - der Dimension dieser Gefahren gerecht werden... Fragwürdige, korrupte, geltungssüchtige Charaktere gibt es auch unter Wissenschaftlern und es kann niemals ausreichen, hier die "individuelle Verantwortung des einzelnen Wissenschaftlers" als Legitimation für ethisch-juristische Grauzonen hochzuhalten. Die derzeitige KIT-Praxis ist offensichtlich eine gewünschte Möglichkeit, juristische Konsequenzen oder Haftungsfragen wenn nötig, auf Einzelpersonen abzuwälzen...

Die Zusammenlegung der Universität Karlsruhe mit dem Kernforschungszentrum (heute KIT-Nord) diente bei genauer Betrachtung anscheinend hauptsächlich dem Zweck, die Atomforschung zu stärken und eine daran anschließende (militärisch-)industrielle Verwertbarkeit zu ermöglichen.

Terror- und Hackerangriffe mit oder auf kleine modulare Atomreaktoren? Nahezu unkontrollierbare Uran-233- Gewinnung im Kleinformat mit Nuklear-Standardausrüstung ? Ob dies in naher Zukunft weltweit einmal möglich sein wird – die Weichen dazu werden jetzt gestellt, denn Forschung und Entwicklung dazu laufen bereits, auch am KIT und am ITU.

Es ist daher ebenfalls an der Zeit, über die Trennung der Universität vom früheren Kernforschungszentrum intensiv nachzudenken. Damit aus Wissenschaftlern keine instrumentalisierten Werkzeuge einer militärtechnisch-dominierten Forschungsindustrie werden.

Alle verantwortlich denkenden Menschen sind daher hiermit dazu aufgerufen, nach ihren jeweiligen Fähigkeiten und Talenten Licht in dieses Gespinst zu bringen – ein offensichtlich strategisch gewolltes und interessengeleitetes Gespinst, in dem man es mit der Wahrheit längst nicht mehr genau nimmt und damit den Weg zu Lügen und Katastrophen ebnet.

Denn es gilt damals wie heute: "Alle Kriegsherren haben einen gemeinsamen Feind: Die Wahrheit" (Tucholsky)

Teil 2:

a) GIF und Prinzip der Flüssigsalzreaktoren

b) Beschreibung einiger Nuklear-Institute des KIT-Nord mit deren Tätigkeitsfeldern in Bezug auf die vierte Generation und möglicher Flüssigsalzreaktor-Technologie

c) Offene technische und juristische Fragen

    a) GIF

GIF ist ein internationaler Forschungsverbund (=Generation IV International Forum), der zur gemeinsamen Erforschung und Entwicklung der vierten Generation Kernkraftwerke gegründet wurde, dazu gehören auch Flüssigsalzreaktoren, die als eine von sechs Reaktorbaureihen bevorzugt entwickelt werden sollen. Prinzipiell gehören auch Kleine Modulare Reaktoren (=SMR) zur vierten Generation.

    Prinzip der Flüssigsalzreaktoren

Sie können als "Brutreaktor" betrieben werden, mit einem oder zwei Kreisläufen (MSR oder Two Fluid MSR).

Im "Two Fluid MSR" zirkulieren zwei verschiedene Flüssigsalz-Mischungen in getrennten Behältern. Von beiden Salzmischungen wird kontinuierlich ein Teil in einer an den Reaktor angeschlossenen Anlage aufgearbeitet. Aus dem aktiven Kern werden Spaltprodukte entfernt, aus dem Umhüllungssalz wird erbrüteter Kernbrennstoff, z.B. Uran-233, extrahiert und dem aktiven Kern zugeführt.

Das bedeutet, das dieser Reaktortyp über eine Art integrierte Wiederaufarbeitung verfügt. Im Brutbetrieb könnte das extrahierte Uran-233 auch prinzipiell abgezweigt werden, z.B. für Atomwaffen.

Des weiteren ... entsteht beim Two Fluid MSR die Zwischenstufe Protactinium-233 im Umhüllungssalz, .... dadurch sind auch relativ kleine Brutreaktoren möglich.

Der vom Oak Ridge National Laboratory (ORNL) vorgestellte Entwurf eines TWO Fluid MSR sah einen Verbund von vier relativ kleinen Reaktoreinheiten von jeweils ca. 3m Durchmesser und ca. 6m Länge vor, die pro Einheit ca. 250 MW leisten sollen.....

Am KIT-Nord fanden in den letzten zwei Jahren bereits Kolloquien und Seminare mit Vortragenden des ORNL statt und zwar zu Reaktortechnik und Flüssigsalzreaktoren.

Auch das Konzept des beschleunigergetriebenen Rubbiatron-Reaktors basiert auf Thorium, es wird auch für die Transmutation herangezogen.

    b) Nuklear-Institute des KIT-Nord:

Institut für Kern- und Energietechnik (IKET) : U.a. numerische Simulationen für Brennstoffzyklen

Angeschlossen an das IKET ist die AREVA-Nuklear-Schule ANPS mit Lehrvorträgen zu Reaktortechnik, numerischen Simulationen u. Brennstoffentwicklung , sowie das Flüssigmetall-Labor KALLA.

Institut für Neutronenphysik und Reaktortechnik (INR) , u.a. "Strömungssimulation eines bleigekühlten Kernreaktors", "Methodenentwicklung für innovative Reaktorsysteme"

Institut für Fusionstechnologie und Reaktortechnik (IFRT), der Leiter des Bereichs "Innovative Reaktorsysteme, INS" ist Prof. Xu Cheng. Experimentelle Untersuchungen sowie numerische Simulationen "fortgeschrittener und innovativer Reaktorsysteme" werden durchgeführt.

Institut für Angewandte Materialien (IAM)

Ein Schlüsselbereich auch für die vierte AKW-Generation sind gerade die Materialwissenschaften, da um die oben beschriebenen chemisch-physikalischen Abläufe über den Labormaßstab hinaus jahrzehntelang "sicher" betreiben zu können, extrem korrosions- und hitzebeständige Stähle und Keramiken entwickelt werden müssen. Außerdem erreicht Thorium seine "erwünschten" Eigenschaften erst bei deutlich höheren Betriebstemperaturen als bei bisherigen Atomkraftwerken üblich. Dies belastet wiederum zusätzlich die eingesetzten Materialien...

Des weiteren gehören zum IAM ein Brennstabsimulator und Untersuchungen an Zirkonium-Hüllrohrlegierungen. Die Bezüge zur vierten Generation werden am IAM kaum genannt, sind aber aufgrund der Bedeutung der Materialwissenschaften dafür mehr als naheliegend.

    c) Offene technische und juristische Fragen:

1. Welche genauen Voraussetzungen werden für das chemische Protactinium-233- Extraktionsverfahren "Acid-media techniques" benötigt? Wäre so etwas prinzipiell z.B. im INR (Institut für Neutronenphysik und Reaktortechnik) des KIT-Nord möglich?

2. Die Zellengrößen aller Heißen Zellen am KIT-Nord (Institut für Transurane und alle Nuklear-Institute des KIT) müßten auf folgenden Umstand geprüft werden: Welche Heißen Zellen unterliegen aufgrund Ihrer evtl. einen Grenzwert der IAEO unterschreitenden Größe nicht der Genehmigungspflicht durch die IAEO, wie im Ashley-Artikel beschrieben? Wie genau ist dieser Größen-Grenzwert zur Genehmigungspflicht definiert und wer gewährleistet die Einhaltung? Könnte hier evtl. eine Grauzone ausgenutzt werden, um z.B. die Thorium-Protactinium-Uran233-Umwandlung ohne ausreichende Kontrolle voranzutreiben? Diese Fragen gelten sowohl für die bereits im Bestand vorhandenen Heißen Zellen, ebenso wie für die geplanten Neubauten.

3. Das KALLA-Labor, das zum KIT-IKET gehört, hat laut Homepage mehrere Flüssigmetallkreisläufe, auch im Maßstab 1:1. Darin zirkulieren die Arbeitsmedien Blei, Blei-Wismuth, Natrium und Indium-Gallium-Zinn.
a) Werden damit auch Versuche mit flüssigem Atom-Brennstoff durchgeführt, oder ist dies geplant?
b) Werden auch andere Arbeitsmedien eingesetzt, evtl. mit Beimischung von atomarem Brennstoff, oder ist dies geplant?
c) Werden Experimente zum Liquid-Fluorid-Thorium-Reaktor (LFTR) oder anderen Flüssigsalzreaktoren durchgeführt, oder ist dies geplant?
d) Werden am KALLA-Labor Versuche durchgeführt, bei denen zwei Kreisläufe im Sinne eines Two Fluid Flüssigsalzreaktors (Two Fluid MSR) kombiniert werden, oder ist dies geplant?
e) Werden dort Versuche zu natrium-gekühlten Reaktoren durchgeführt oder ist dies geplant?

4. Wurde die "Reduktive Extraktion in flüssigem Wismut" des Ashley-Textes zur Protactinium-233 und dann Uran-233-Gewinnung bereits durchgeführt oder ist dies geplant?

5. Welche der folgenden externen Strahlenquellen wären geeignet, um Thorium so zu bestrahlen, daß das Zwischenprodukt Protactinium 233 entsteht, das dann zu Uran-233 zerfällt?
a) Large Hydron Collider (LHC) am CERN
b) Synchrotronstrahlenquelle ANKA am KIT-Nord
c) in Belgien geplanter multidisziplinärer Forschungsreaktor MYRRHA, hierfür ist ein externer Beschleuniger vorgesehen (ADS)?
d) In Caen, Frankreich, findet sich die weltweit größte Forschungseinrichtung im Bereich Kernphysik. Dort befinden sich der Schwerionenbeschleuniger GANIL, sowie der neue Teilchenbeschleuniger "SPIRAL2". Dieser wird die Erzeugung von schwierigeren und protonreicheren Kernen durch zehnmal intensivere Strahlen als die heute leistungsstärksten Beschleuniger ermöglichen.
e) In Deutschland sind zurzeit drei Forschungsreaktoren in Betrieb: BER II in Berlin, der Forschungsreaktor München II in Garching sowie der Forschungsreaktor Mainz. Darüber hinaus unterhält das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt drei Beschleuniger-Anlagen. Kann mit diesen Strahlenquellen Protactinium aus Thorium erzeugt werden? Können am 2016 am GSI eingeweihten Hochleistungsrechenzentrum "Green IT Cube" numerische Simulationen dazu durchgeführt werden?

6. Rechtsfragen:

a) Bestehen Kooperationen zwischen dem ITU und Nuklear-Instituten des KIT-Nord, insbesondere zu Technologien für die vierte Generation, evtl. auch auf Mietbasis für Anlagen des KIT? Wenn ja, auf welcher rechtlichen Basis geschieht dies? Für das KIT-Nord besteht eine gültige Zivilklausel und Deutschland hat den Atomausstieg beschlossen.
b) Wie sieht es mit der mengenmäßigen Dokumentations-, Nachweis- und Publikationspflicht bei der möglichen Umwandlung von Thorium in Uran-233 aus?
c) Wer bekommt Einsicht und kontrolliert nach welchen Kriterien dieses offenbar von interessierten Kreisen angestrebte technische und juristische Neuland und
d) Wer trägt die Verantwortung bei möglichen Unfällen und Terroranschlägen?
e) Wer kontrolliert wirklich unabhängig Patente, Lizenzen, und den offenbar jederzeit möglichen Wissenstransfer von (Gast-) Wissenschaftlern, die mit dem gesamten Thorium-U-233-Prozeß in Verbindung stehen können, auf eine möglicherweise daraus folgende Verletzung des Atomwaffensperrvertrags oder des Kriegswaffenkontrollgesetzes?
f) Wie ist die rechtliche Situation, wenn Staaten, die nicht zum Assoziierungsabkommen des ITU gehören, über "befreundete" Staaten Nuklearbrennstoff- oder Materialproben zur Untersuchung einreichen?@

nrhz.de 22.1.17

 

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