Die nukleare Offensive der NATO

Atomare Muskelspiele

von Jürgen Wagner -
Informationsstelle Militarisierung

Anfang 2015 stellte der "Bulletin of the Atomic Scientists" seine berühmt berüchtigte "Doomsday Clock", die anzeigt, wie kurz die Welt vor einem Atomkrieg steht, auf drei Minuten vor zwölf nach vorne. Nach Auffassung der Atomwissenschaftler war die Welt nur einmal, 1953, näher an einem solchen Abgrund.

Aus einem gänzlich anderen Blickwinkel wird diese Ansicht auch von hohen Militärs geteilt: Im Mai 2016 veröffentlichte beispielsweise Richard Shirreff, zwischen 2011 und 2014 der stellvertretende NATO-Oberkommandeur in Europa, sein Buch "2017 War with Russia". In ihm warnte er, ein Atomkrieg zwischen dem Westen und Russland sei zwar nicht zwingend, aber "sehr wahrscheinlich". Dies könne nur verhindert werden, wenn Russland mittels einer entschiedenen Aufrüstung der NATO-Ostflanke entgegengetreten werde. Beunruhigend ist auch das Vorwort des Buches von James Stavridis, von 2009 bis 2013 NATO-Oberkommandierender in Europa, der offensichtlich derselben Auffassung ist: "Unter Präsident Putin hat Russland einen gefährlichen Kurs eingeschlagen. Sollte es ihm erlaubt werden, damit fortzufahren, wird dies zwangsläufig zu einer Kollision mit der NATO führen. Und das wird einen Krieg bedeuten, der schnell auch atomar geführt werden könnte."

Es ist allerdings nicht nur die aktuelle konventionelle Aufrüstung, sondern auch die an das US-Vorbild angedockte NATO-Nuklearstrategie, die hierzu massiv beiträgt. Sie zielt zwar schon immer darauf ab, auf allen erdenklichen Ebenen einen Atomkrieg "erfolgreich" führen zu können, neu ist in jüngster Zeit aber die Aggressivität und Offenheit, mit der dies betrieben wird. So wird in der NATO aktuell unter Berufung auf die dramatische Verschlechterung der Beziehungen zu Russland lautstark gefordert, die Rolle von Atomwaffen wieder deutlich aufzuwerten (Kapitel 1). Obwohl mit einer offiziellen Überarbeitung der NATO-Nuklearstrategie wohl nicht vor 2018 zu rechnen ist, lassen sich erste Elemente bereits jetzt anhand der diesbezüglichen Debatten erahnen oder sind teils sogar schon buchstäblich bereits in Angriff genommen worden. Was die taktischen Atomwaffen anbelangt, also diejenigen, die "nur" zum Einsatz auf einem begrenzten Gefechtsfeld "geeignet" sind, wird nicht nur die Modernisierung, sondern sogar die Nachrüstung von in Europa im Rahmen der nuklearen Teilhabe stationierten US-Nuklearwaffen gefordert. Als Rechtfertigung dient der – dürftig belegte – Vorwurf, Russland habe seine nukleare Einsatzschwelle so weit gesenkt, dass auch die NATO dementsprechend reagieren müsse (Kapitel 2). Auf strategischer Ebene, also bei Waffen, die die Arsenale der Gegenseite im jeweiligen Heimatland zerstören können, zielen USA und NATO immer deutlicher auf eine Erstschlagfähigkeit gegenüber Russland (und China ) ab. Durch die Modernisierung der US-Atomraketen in Europa, die hierdurch zu strategischen Waffen werden, sowie über die im Bau befindliche Raketenabwehr ist die NATO ein integraler Bestandteil dieser Versuche, die nukleare Vorherrschaft zu erringen (Kapitel 3 und 4).

Da die USA wie auch die NATO es ablehnen, verlässliche Garantien für die Zweitschlagfähigkeit Russlands (und Chinas) abzugeben, sehen sich beide Länder regelrecht dazu gezwungen, massiv in die Modernisierung ihres Atomwaffenarsenals zu investieren, um nicht "nuklear erpressbar" zu werden. Aufgrund der dem Atomwaffenbereich eigenen Dynamik sehen sich hierdurch wiederum eine Reihe anderer Länder bedroht und unternehmen ihrerseits verstärkte Rüstungsanstrengungen, weshalb aktuell eine "Lawine atomarer Nachrüstung" droht. Anstatt sich diesem Trend jedoch entschieden mit eigenen Abrüstungsinitiativen entgegenzustellen, wird die Rüstungskontrolle seitens hochrangiger NATO-Vertreter mehr oder weniger offen für tot erklärt (Kapitel 5).

    1. Die NATO und die Aufwertung von Atomwaffen

Wie bereits angedeutet, wird die Nuklearpolitik der NATO maßgeblich von den diesbezüglichen Überlegungen in den USA bestimmt. Denn obwohl auch Frankreich und Großbritannien über Atomwaffen verfügen, sind es die Vereinigten Staaten, die der Nuklearpolitik des Bündnisses von ihren Anfängen bis heute ihren Stempel aufgedrückt haben. Die "NATO-Atomwaffen-Hierarchie" wird im Strategischen Konzept des Bündnisses aus dem Jahr 2010 mehr als deutlich benannt: "Der oberste Garant für die Sicherheit der Bündnispartner sind die strategischen nuklearen Kräfte des Bündnisses, insbesondere die der Vereinigten Staaten; die unabhängigen strategischen nuklearen Kräfte des Vereinigten Königreichs und Frankreichs, die eine eigenständige Abschreckungsrolle wahrnehmen, tragen zur Gesamtabschreckung und Sicherheit der Bündnispartner bei." Gleichzeitig haben weder die NATO noch ihre Nicht-Atomwaffenstaaten reale Kompetenzen über die US-Atomwaffen – auch nicht über die im Rahmen der nuklearen Teilhabe in Europa lagernden Bestände: "Die NATO selbst hat keine Entscheidungsbefugnisse über den Einsatz von Atomwaffen [...] Die Entscheidung zum Einsatz kann nur in Washington, London und Paris durch die Anführer dieser Nuklearwaffenstaaten getroffen werden. Die NATO würde konsultiert und würde dem Einsatz möglicherweise zustimmen (im Konsens), aber sie kann einen Einsatz nicht blockieren. [...] Der Konsultationsprozess bezieht sich formal lediglich auf Waffen der NATO im Rahmen der Nuklearen Teilhabe."

Sowohl die Nuklearpolitik unter US-Präsident Bill Clinton (1993-2001) als auch die seiner Nachfolger George W. Bush (2001-2008) und auch Barack Obama basierten darauf, im Extremfall einen Atomkrieg führen und "gewinnen" zu können. Mit den Hauptgegnern Russland und China wurden zu diesem Zweck unter allen drei Präsidenten die Nuklearkapazitäten der USA kontinuierlich "verbessert". Auch wenn die Obama-Regierung auf den ersten Blick im Ton zunächst spürbar vorsichtigere Formulierungen wählte als ihre Vorgängerin, wurde auch in der Neufassung der Nuklearstrategie im Jahr 2010 das Ziel beibehalten, das "Abschreckungspotenzial gegenüber potenziellen Gegnern zu stärken" – ein wenig verklausulierter Verweis, der vor allem auf Russland und China deutet – und den "Einsatz von Atomwaffen unter extremen Umständen, wie die vitalen Interessen der USA und ihrer Verbündeten und Partner zu verteidigen, in Betracht zu ziehen."

Dementsprechend orientierte sich auch die NATO-Politik an diesem Ziel: "Im Strategischen Konzept 1999 und dem zugehörigen Militärausschuss-Dokument MC 400/2 verzichtete die NATO darauf, die Rolle nuklearer Waffen als ‚letztes Mittel‘ zu beschreiben, wie sie es 1990 in der Londoner Erklärung noch getan hatte. Ein Verzicht auf den Ersteinsatz dieser Waffen wurde ebenfalls nicht ausgesprochen, unter anderem, weil die USA sich einen nuklearen Ersteinsatz in ihrer nationalen Nuklearstrategie vorbehalten und so ein eklatanter Gegensatz zwischen U.S.- und NATO-Strategie vermieden werden konnte."

Das nächste Strategische Konzept wurde dann 2010 auf dem NATO-Gipfel in Lissabon verabschiedet. Darin wurden zwar vergleichsweise moderate Formulierungen gewählt und die Entschlossenheit betont, "eine Welt ohne Kernwaffen zu schaffen", andererseits aber unverbrüchlich an der fortgesetzten Bedeutung von Atomwaffen festgehalten: "Die Abschreckung auf der Grundlage einer geeigneten Mischung aus nuklearen und konventionellen Fähigkeiten bleibt ein Kernelement unserer Gesamtstrategie. Umstände, unter denen der Einsatz von Kernwaffen in Betracht gezogen werden müsste, sind höchst unwahrscheinlich. Solange es Kernwaffen gibt, wird die NATO ein nukleares Bündnis bleiben." Auf demselben NATO-Gipfel wurden auch der Aufbau eines NATO-Raketenabwehrschildes (s.u.) und die Überprüfung der NATO-Nuklearstrategie in Auftrag gegeben. Sie erschien in Form der "Deterrence and Defence Posture Review" vom Mai 2012, die aber im Wesentlichen den Status Quo fortschrieb, indem sie zu dem Ergebnis gelangte, es gebe keinen akuten Handlungsbedarf: "Die Überprüfung ergab, dass die nukleare Streitkräftezusammensetzung der Allianz die Kriterien für effektive Abschreckung und Verteidigung erfüllt."

All dies geschah, bevor die westlich-russischen Beziehungen infolge der Ukraine Krise ab November 2013 in offene Feindschaft umschlugen. Seitdem wird nicht nur in den USA, sondern auch in der NATO verbal wie real wieder massiv aufgerüstet – und zwar auch im Nuklearbereich. Dementsprechend äußerte sich NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2016: "Wir haben ein aggressiveres Russland erlebt. Ein Russland, das die europäische Sicherheitsordnung destabilisiert. [...] Unsere Abschreckung hat auch eine nukleare Komponente. Russlands Rhetorik sowie die Zusammensetzung und die Übungen seiner Nuklearkräfte zielen darauf, seine Nachbarn einzuschüchtern. Es untergräbt damit Vertrauen und Sicherheit in Europa."

In diesem Zusammenhang spielt nicht zuletzt Karl-Heinz Kamp, Chef der deutschen "Bundesakademie für Sicherheitspolitik" (BAKS), die Rolle des Einpeitschers. Die Grundlage, auf der der relativ zurückhaltende "Deterrence and Defense Posture Review” aus dem Jahr 2012 verfasst wurde, sei nicht mehr existent, so Kamp: "Russland hat sich endgültig aus der Partnerschaft zurückgezogen und definiert sich selbst als anti-westliche Macht. [...] Russland ist zwar konventionell insgesamt unterlegen, kann aber in zwei bis drei Tagen große Truppenstärken aus Übungen heraus konzentrieren. [Hieraus] ergibt sich die Forderung nach kürzeren Reaktionszeiten (was wiederum mit Kosten verbunden ist) und verstärkter Übungstätigkeit auch im Nuklearbereich." Unter anderem zusammen mit Pierre Vimont, dem Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes und mit Kurt Volker, dem ehemaligen US-Botschafter bei der Nato, war Kamp auch an der Erstellung eines im März 2016 veröffentlichten Berichts beteiligt, der forderte, die Rolle der Atomwaffen müsste in der NATO wieder "höher auf die Agenda".

Vorweggenommen laufen die aktuellen Debatten in den USA wie auch der NATO auf die Forderung hinaus, um eine Konfrontation mit Russland vermeiden zu können, müsste die Einsatzdrohung mit Atomwaffen wieder glaubhaft gestaltet werden – und das bedeutet wiederum, die Voraussetzungen zu schaffen, um "erfolgreiche" Atomkriege führen zu können. Wie gesagt: Hieran ist weniger die Strategie selbst neu, als die Tatsache, dass sie nun relativ offen propagiert wird. So schreibt etwa Claudia Major von der "Stiftung Wissenschaft und Politik": "Schutz bietet auch nukleare Abschreckung – aber nur, wenn Russland glaubt, dass die Nato tatsächlich Atomwaffen einsetzen würde."

    2. Nachrüstung für taktische Atomkriege in Osteuropa?

Das Bindeglied zwischen der US-Nuklearstrategie und derjenigen der NATO ist die nukleare Teilhabe. Mit ihr werden Nicht-Atomwaffenstaaten in die atomare Einsatzplanung einbezogen, wobei die Voraussetzungen für die Teilnahme die Lagerung von Atomwaffen auf eigenem Territorium sowie das Vorhandensein der technischen Voraussetzungen zum Einsatz von Nuklearwaffen sind – zum Beispiel über geeignete Flugzeuge zu verfügen. Dennoch verbleiben faktisch, wie bereits angedeutet, sämtliche realen Entscheidungsbefugnisse in den Händen der USA: "Die im Rahmen der nuklearen Teilhabe in den nichtnuklearen Staaten gelagerten Waffen bleiben im Frieden stets unter amerikanischer Hoheit. Auch im Kriegsfall bleiben sie dies bis zu ihrer Zündung. Über die nötigen Codes verfügt nur die US-amerikanische Führung; sie unterliegen strengster Geheimhaltung." Aktuell sind fünf NATO-Staaten – Deutschland, Italien, Belgien, die Niederlande und die Türkei – in die Nukleare Teilhabe eingebunden (in Polen wird dies gegenwärtig diskutiert ), wobei Schätzungen zufolge zwischen 150 und 200 taktische US-Atomwaffen in diesen Ländern lagern (siehe Tabelle).

Wie auch der eingangs zitierte ehemalige NATO-Oberkommandierende in Europa James Stavridis gehen die meisten NATO-Strategen aktuell von zwei neuen Voraussetzungen aus, an die sich die Bündnisstrategie anpassen müsste. Erstens, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit existiere, dass es in Osteuropa zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Russland kommen könnte. Und zweitens, dass Moskau in diesem Zusammenhang eine hohe Bereitschaft an den Tag lege, taktische Atomwaffen einzusetzen. Der Grund liege in der konventionellen Überlegenheit des Westens, die Russland durch sein größeres taktisches Atomwaffenarsenal konterkarieren wolle. Tatsächlich verfügen die USA lediglich über 760 nicht-strategische Atomwaffen, von denen, wie beschrieben, nur 150 bis 200 im Rahmen der nuklearen Teilhabe in Europa lagern. Demgegenüber wird bei Russland von – je nach Schätzung – 1.000 bis 6.000 – taktischen Atomwaffen ausgegangen.

Ob allerdings der Einsatz taktischer Atomwaffen von Moskau im Zusammenhang mit diesen Konflikten ernsthaft in Erwägung gezogen wird, ist doch recht fragwürdig, auch wenn dies aktuell stets unterstellt wird. Dagegen spricht vor allem, dass Russland die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen in den beiden jüngsten Versionen seiner in diesem Zusammenhang entscheidenden Militärstrategien (2010 und 2014) deutlich angehoben und nicht etwa gesenkt hat. Doch dies beeindruckt viele Russland-Hardliner wenig, sie argumentieren folgendermaßen: "Russlands intensive Manöver mit Atomwaffen, die sich auf den Übergang von konventionellen zu atomaren Einsatzszenarien konzentrieren und seine Nukleardoktrin in Kombination mit der zunehmend drohenden Rhetorik. All das zusammengenommen gibt Anlass zur Sorge, dass Russland bereit sein könnte, die Schwelle zum Einsatz von Atomwaffen zu senken oder ihn androhen könnte, um seine aggressiven Ziele zu unterstützen, und zwar ungeachtet der in der russischen Militärstrategie des Jahres 2014 zum Ausdruck gebrachten Position, dass Atomwaffen nur als Reaktion auf einen atomaren Angriff oder gegen eine konventionelle Attacke eingesetzt werden, die das Überleben des russischen Staates gefährdet."

Letztlich klären lässt sich die tatsächliche Haltung Russlands selbstverständlich nicht – die Aussagen in den Militärstrategien sind ebenso wenig ein glasklarer Beweis für eine hohe atomare Einsatzschwelle, wie Verweise auf Modernisierungen des Arsenals und diverse Übungen das Gegenteil schlüssig nahelegen. Für weitreichende Anpassungen der NATO-Nuklearstrategie sollten aber genau solche klaren Beweise auf dem Tisch liegen. Dennoch wurde die Sichtweise von einem zum Atomkrieg bereiten Russland mittlerweile bis in höchste Stellen übernommen. So warnte NATO-Generalsekretär Stoltenberg in seiner Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang 2016 Russland nur wenig verklausuliert vor einem Einsatz taktischer Atomwaffen: "Niemand sollte sich einbilden, Atomwaffen könnten Teil eines konventionellen Konfliktes sein. Dies würde den Charakter eines jeden Konfliktes grundlegend verändern." Im Mai 2016 zog dann auch ein weiteres Papier mehrerer hochrangiger NATO-Strategen, darunter der ehemalige Generalsekretär Wesley Clark, nach: "Die nukleare Abschreckung der NATO sollte dadurch verstärkt werden, dass Russland signalisiert wird, dass ein Einsatz sub-strategischer Atomwaffen zur Deeskalation eines Konfliktes eine großangelegte Eskalation zur Folge haben und eine nukleare Reaktion der Allianz rechtfertigen würde."

Für eine solche "nukleare Reaktion" auf einen hypothetischen taktischen Atomwaffeneinsatz Russlands würden den USA bzw. der NATO aber die "adäquaten" Mittel fehlen, so wird derzeit weiter argumentiert. Eine Eskalation auf strategischer Ebene würde die hohe Gefahr eines umfassenden Atomkrieges in sich bergen, an dem niemand gelegen sein könne. Aus diesem Grund würden wieder mehr taktische Atomwaffen benötigt, um Moskau etwas entgegensetzen zu können. Eine solche "zweite Nachrüstung" fordert etwa Matthew Kroenig, Politikprofessor an der Georgetown University und zwischenzeitlich auch im US-Verteidigungsministerium tätig: "Die Entscheidung der NATO, nahezu alle in Europa stationierten taktischen Atomwaffen zu eliminieren, hat Russland zu einer breiten Palette an Optionen auf der nuklearen Eskalationsleiter verholfen. [...] Die NATO muss die Entwicklung und Stationierung einer neuen Generation sub-strategischer Nuklearwaffen in Europa planen. Schließlich war es die Stationierung der Persing-II-Raketen in den 1980ern, die Moskau davon überzeugten, den INF-Vertrag [über Mittelstreckenraketen] zu unterzeichnen."

Ganz ähnlich äußerte sich etwa auch Elbridge Colby vom den US-Demokraten nahestehenden "Center for a New American Security" oder auch Stanislaw Marian Koziej, zwischen 2010 und 2015 Leiter des polnischen "National Security Bureau": "Eskalation [...] scheint gegenwärtig leider der wahrscheinlichste Verlauf in diesem Umfeld eines neuen Kalten Krieges zu sein. Die NATO könnte keine andere praktische Alternative haben, als ihr eigenes taktisches Nuklearpotenzial aufzustocken und ihre Einsatzregeln aufgrund der aggressiven Haltung Russlands zu ändern. [...] Ein breites Modernisierungsprogramm für diese Waffenklasse könnte ein logischer nächster Schritt sein; die Verbesserung ihrer Sicherheit, Überlebensfähigkeit, Reichweite und Genauigkeit wären die primären Ziele. Eine Überprüfung und Aktualisierung der Regeln, die die Beteiligung von nicht-nuklearen NATO-Staaten an der Atompolitik der Allianz definieren, könnte ebenfalls folgen."

Faktisch ist eine solche Aufrüstung des taktischen Atomwaffenarsenals allerdings bereits in vollem Gange. Bereits 2010 entschied sich die Obama-Regierung, ein Modernisierungsprogramm aufzulegen, das auch die in Europa stationierten Waffen mit einschließt – bis 2020 sollen die bisherigen Waffen durch zielgenauere und damit "besser" einsetzbare Typen ersetzt werden, wobei die Kosten auf 6 Mrd. Dollar geschätzt werden : "Die neue Variante der Atombombe, genannt B61-12, soll demnach nicht nur die älteren Typen 3, 4, 7 und 10 ablösen, sondern auch den nuklearen Bunkerknacker B61-11 und die strategische B83-Bombe überflüssig machen. Letztere besitzt eine Sprengkraft von bis zu 1,2 Megatonnen TNT, was mehr als dem 90-fachen der Hiroshima-Bombe entspricht."

Dies hat auch Auswirkungen unter anderem auf Deutschland, denn die im Rahmen der Nuklearen Teilhabe zum Transport von Atombomben vorgesehenen Tornados sind ohne Modifikationen nicht mit den B61-12 kompatibel. Aus diesem Grund sollen auch sie ebenso wie der zugehörige Flughafen in Büchel "modernisiert" werden, wie im September 2015 berichtet wurde: "Deutsche Tornados sollen im Rahmen der Nuklearen Teilhabe auch mit den neuesten US-Atomwaffen angreifen können – das soll eine Modernisierung der Kernwaffen auf deutschen Stützpunkten ermöglichen. [...] Doch nicht nur US-amerikanische, auch deutsche Gelder fließen in die Modernisierung des Stützpunktes in Büchel. Während die USA die Integration der Waffen in deutsche Tornados zahlen, modernisiert das Verteidigungsministerium für 112 Millionen Euro die Landebahn und das Instrumentenanflugsystem in Büchel. Auch andere europäische Standorte für US-Atomwaffen, etwa im türkischen Incirlik und im italienischen Aviano sollen demnach modernisiert werden."

    3. Erstschlagfähigkeit: Nuklearschwert ...

Schon 2001 kam eine umfangreiche Studie zu dem Ergebnis, Washington stehe kurz vor der Erlangung einer Erstschlagfähigkeit gegenüber Russland. Hier dürfte auch der Grund liegen, weshalb Russland sein Arsenal in den Folgejahren modernisierte. Allerdings rüsteten die USA parallel dazu ebenfalls weiter auf, und zwar vor allem auch in Bereichen wie Zielgenauigkeit und Durchschlagskraft, was den Schluss nahelegt, dass eine solche Erstschlagfähigkeit tatsächlich angestrebt wurde. Im Jahr 2006 kam dann auch ein viel diskutierter Aufsatz in der "Foreign Affairs" mit dem bezeichnenden Titel "Der Aufstieg der USA zur nuklearen Vorherrschaft" zu genau diesem Ergebnis: "Streben die Vereinigten Staaten mit Absicht die nukleare Dominanz an? [...] Die Natur der vorgenommenen Veränderungen bezüglich des Arsenals und der offiziellen Politik und Rhetorik stützen diese Schlussfolgerung. [...] Mit anderen Worten, die gegenwärtigen und künftigen Nuklearstreitkräfte der USA scheinen dafür konzipiert zu sein, einen präemptiven Entwaffnungsschlag gegen Russland oder China zu führen." Im Jahr 2013 argumentierten dann die beiden Autoren, aufgrund massiver "Verbesserungen” bei der Durschlagsfähigkeit, der Zielgenauigkeit und der Aufklärung mobiler Ziele seien die USA näher an einer Erstschlagfähigkeit denn je zuvor , ein Befund, den auch andere Experten bestätigen.

Obwohl die Überprüfung der Nuklearpolitik unter Barack Obama ankündigte, keine neuen Atomwaffen entwickeln zu wollen, wurde unter seiner Ägide eine Generalmodernisierung des US-Arsenals beschlossen, die seinesgleichen sucht – nach gegenwärtigen Plänen sollen innerhalb der nächsten 30 Jahre, je nach Schätzung, zwischen 355 Mrd. und 1.000 Mrd. Dollar in die Modernisierung des Arsenals gesteckt werden. Hans Kristensen, einer der führenden Experten für die US-Nuklearpolitik, lässt keine Zweifel daran, gegen wen diese Anstrengungen vorrangig gerichtet sind: "Das finale Verteidigungsbudget [für das Haushaltsjahr 2017] der Obama-Regierung krönt diese Administration endgültig als Modernisierungsführer unter den Präsidentschaften nach dem Kalten Krieg. Während offizielle Stellungnahmen diese massive nukleare Modernisierung bislang lediglich als die Verlängerung der Lebensdauer vorhandener Kapazitäten rechtfertigten, beschreibt das Pentagon sie nun explizit als eine gegen Russland gerichtete nukleare Modernisierung."

In diesem Zusammenhang erachtet Russland es für besonders problematisch, dass die Beschränkungen strategischer atomarer Trägersysteme und Sprengköpfe zeitlich befristet sind. Denn der am 8. April 2010 von Russland und den USA unterzeichnete Neue-START-Vertrag, mit dem die Sprengköpfe von 2.200 auf je 1.550 und die Anzahl der Trägersysteme von 1.600 auf 800 reduziert werden müssen, gilt lediglich bis 2020. Ungeachtet russischer Bemühungen weigerten sich die USA zudem, Raketenabwehrsysteme irgendwelchen Restriktionen zu unterwerfen und es gibt auch keine Automatismen, die eine Fortsetzung der Beschränkungen über den Geltungszeitraum hinaus garantieren würden. Im Extremfall könnten die USA also bei einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen völlig legal nach Auslaufen des Vertrages wieder massiv nuklear aufrüsten, zumal sie über 5.080 gegebenenfalls schnell hierfür verwendbare eingelagerte Sprengköpfe verfügen, als "Rückversicherung [hedge] gegen technische oder geopolitische Überraschungen."

Erschwerend kommt noch hinzu, dass die USA seit vielen Jahren unter dem Stichwort "Prompt Global Strike" an der Möglichkeit arbeiten, strategische Schläge mit konventionellen Waffen durchführen zu können. So heißt es in einer Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses: "Ein rascher Schlag [prompt strike] gegen die ballistischen Raketen eines Gegners oder Lagerstätten von Massenvernichtungsmittel könnte es den USA erlauben, diese Waffen zu zerstören, bevor ein Feind sie nutzen könnte." Besonders an neuen Hyperschallwaffen wird derzeit in diesem Zusammenhang gearbeitet, die sowohl konventionell als auch atomar bestückt werden könnten. Die naheliegendste Funktion dieser Waffen beschreibt der Physiker Mark Gubrod folgendermaßen: "Ich betrachte Überschallwaffen als Instrumente, deren einzige plausible Einsatzmöglichkeit eine Nischenrolle in einem strategischen Erstschlag gegen Russland oder China wäre. [...] Selbst nicht-nukleare Überschallwaffen wären primär dafür gedacht, strategische Ziele, inklusive von Atomwaffen und der Infrastruktur für Atomkriege zu attackieren." Zwar scheint der Entwicklungsstand von einer solchen Fähigkeit noch etwas entfernt zu sein, aber in absehbarer Zeit könnte sich hierdurch die Zahl der in die Berechnung von Erstschlagfähigkeitspotenzialen einzubeziehenden Waffen sprunghaft erhöhen, zumal die USA bislang mögliche Begrenzungen weitreichender konventioneller Systeme ebenfalls kategorisch ablehnen.

Und auch in diesem Zusammenhang könnte den im Rahmen der nuklearen Teilhabe in Europa stationierten US-Atomwaffen künftig eine Rolle zukommen. Bislang waren sie zu ungenau und zu wenig durchschlagskräftig, um als strategische Waffen eingesetzt zu werden. Mit der B61-12-Modernisierung können sie künftig aber flexibel entweder als taktische oder eben strategische Waffen eingesetzt werden – sie könnten somit also zu integralen Bestandteilen amerikanischer Erstschlagpläne und möglicher russischer Gegenstrategien werden: "Rüstungsexperten bestätigen, dass die neuen taktischen Nuklearwaffen vom Typ B61-12 wesentlich zielgenauer sind als die Atombomben, die bislang in Büchel lagern. Im Kriegsfall sollen deutsche Tornado-Piloten im Rahmen der NATO-Strategie der ‚Nuklearen Teilhabe‘ Angriffe mit den US-Bomben fliegen. ‚Mit den neuen Bomben verwischen die Grenzen zwischen taktischen und strategischen Atomwaffen‘, kritisiert Hans Kristensen vom Nuclear Information Projects (Atomic Scientists) in Washington D.C.." In diesem Zusammenhang besonders beunruhigend ist eine AP-Meldung vom Juni 2015, in der es heißt, die Obama-Regierung plane neue landgestützte Raketen in Europa zu stationieren, um damit unter Umständen präventiv russische Atomwaffen zerstören zu können. "Die Optionen reichen so weit, implizierte einer [der Beteiligten] – ohne es direkt auszusprechen –, dass sie die US-Fähigkeiten atomarer US-Waffen, militärische Ziele auf russischem Territorium zu zerstören, verbessern würden."

    4. ... und Raketenschild

Glaubt man den USA, so richtet sich der seit der Aufkündigung des ABM-Vertrages zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen im Juni 2002 im Aufbau befindliche Schild nicht gegen Russland und China, sondern primär gegen den Iran (wahlweise auch Nordkorea). Gleiches wird selbstredend auch für die diesbezüglichen Überlegungen im NATO-Rahmen behauptet. So heißt es in der Abschlusserklärung des Wales-Gipfels vom September 2014: "Raketenabwehrsysteme könnten die abschreckende Funktion von Atomwaffen ergänzen, sie aber nicht ersetzen. Die Kapazitäten sind rein defensiv."

Seit eh und je wird mehr oder minder offen eingestanden, der eigentliche "Sinn" eines Raketenschildes sei primär die Abwehr russischer und eventuell chinesischer Raketen. Dies gilt auch für die aktuelleren Pläne: So berichtete etwa die Moscow Times im Februar 2013 von einem Briefing des US-Verteidigungsministeriums, nach dem der angeblich nur gegen den Iran gerichtete US-Raketenabwehrschild für exakt diesen Zweck vollkommen nutzlos sei. Auch das Fazit einer Untersuchung des Konfliktforschungsinstituts HSFK fiel ähnlich aus: "Es gibt keine überzeugenden Iran-bezogenen Bedrohungsszenarien, die sowohl die gegenwärtigen Programme der USA als auch die derzeit zusätzlich vorhandenen Abwehrsysteme europäischer NATO-Mitglieder rechtfertigten."

Auch mit dem defensiven Charakter von Raketenabwehrsystemen ist es nicht sonderlich weit her, wie unter anderem in dem bereits oben zitierten Artikel in der Foreign Affairs beschrieben wird: "Die Art von Raketenabwehr, die von den USA wahrscheinlich zum Einsatz gebracht werden wird, wäre primär in einem offensiven Kontext sinnvoll – nicht in einem defensiven – als Ergänzung einer amerikanischen Erstschlagfähigkeit, nicht als Schutzschild an sich. Wenn die Vereinigten Staaten einen Nuklearangriff gegen Russland (oder China) führten, bliebe dem angegriffenen Land nur ein kleines Arsenal übrig – wenn überhaupt. Dann wäre sogar ein relativ bescheidenes oder wenig wirksames Raketenabwehrsystem zur Verteidigung gegen Vergeltungsschläge ausreichend, denn der schwer angeschlagene Feind hätte nur noch wenige Sprengköpfe und Ablenkungsattrappen. [...] Washingtons konsistente Weigerung, einen Erstschlag auszuschließen und die Entwicklung einer begrenzten Fähigkeit zur Raketenabwehr bekommen so eine neue, möglicherweise weit bedrohlichere Bedeutung."

In den USA hat die Forschung an einem Raketenabwehrschild schon lange eine hohe Priorität – schon vor Ronald Reagans berühmt berüchtigter "Strategic Defense Initiative" (SDI) hat Washington dafür Schätzungen zufolge rund 150 Mrd. Dollar ausgegeben und seither sind noch einmal über 165 Mrd. Dollar hinzugekommen. Auch in der NATO werden seit einiger Zeit Überlegungen konkretisiert, einen Schild zur Abdeckung der EU-Staaten aufzubauen, der eng mit dem der USA verzahnt sein soll. Schon beim Prager NATO-Gipfel 2002 wurde der Auftrag für eine Machbarkeitsstudie ("Missile Defense Feasibility Study") erteilt. Ergebnis der geheimen über 10.000seitigen Studie war, dass ein solcher flächendeckender Schild prinzipiell technisch realisierbar sei und Kosten zwischen 27,5 und 30 Milliarden Euro, mit den notwendigen Frühwarnsatelliten 40 Milliarden oder mehr, verursachen werde. Beim NATO-Gipfel im April 2008 wurde dann beschlossen, "Optionen für eine umfassende Raketenabwehrarchitektur zu entwickeln, um den Abdeckungsbereich auf das gesamte Bündnisgebiet und alle Bevölkerungen zu erstrecken, die nicht anderweitig durch das US-System abgedeckt sind". Auf dem NATO-Gipfel in Lissabon im November 2010 folgte schließlich die endgültige Entscheidung: "Wir werden daher [...] die Fähigkeit entwickeln, unsere Bevölkerungen und Gebiete gegen einen Angriff mit ballistischen Flugkörpern als ein Kernelement unserer kollektiven Verteidigung zu verteidigen [...] Wir werden aktiv die Zusammenarbeit mit Russland und anderen euro-atlantischen Partnern in der Raketenabwehr anstreben", hieß es im dort verabschiedeten neuen Strategischen Konzept.

Da Russland – zumindest offiziell – erklärtermaßen ins Boot geholt werden sollte, wurden die bisherigen von Moskau scharf kritisierten Pläne abgeändert und am 2. Februar 2012 ein "European Phased Adaptive Approach" (EPAA) offiziell bekanntgegeben, der über verschiedene Ausbaustufen verfügt: "In Phase 1 des EPAA hatten die USA 2011 ein erstes Schiff im Mittelmeer stationiert, das mit dem Aegis-System zur Raketenabwehr ausgestattet war. Im türkischen Kürecik wurde ein mobiles AN/TPY-2-Radar stationiert, das Informationen über angreifende Raketen gewinnen und an Feuerleitstellen übermitteln soll. Ende 2015 wurde Phase 2 von EPAA abgeschlossen, als im rumänischen Deveselu eine landgestützte Raketenabwehrbasis ihre technische Funktionsfähigkeit erlangte und dem Betreiber für Test- und Trainingszwecke zugeführt wurde. Überdies sind mittlerweile vier mit SM-3-Abfangraketen ausgestattete US-Schiffe im spanischen Rota stationiert [...] Die letzte und dritte Phase des Aufbaus von EPAA soll 2018 erreicht sein, sobald im polnischen Redzikowo eine landgestützte Raketenabwehrbasis einsatzfähig ist."

Spätestens die ursprünglich geplante vierte EPAA-Ausbaustufe wäre selbst nach Angaben einer Studie der Generaldirektion für Außenbeziehungen des EU-Rates zumindest potenziell in jedem Fall in der Lage gewesen, russische Interkontinentalraketen abzufangen. Nach scharfer russischer Kritik wurde auf diese vierte Phase im März 2013 verzichtet, was die NATO zu der Behauptung veranlasst, nun sei allen Vorbehalten Moskaus entsprochen worden. Doch so einfach ist es nicht – einmal argumentiert Russland, auch Teile der zu den ersten drei Phasen gehörenden Kapazitäten könnten gegen Russland gerichtet werden. Viel schwerer wiegt aber noch das "Aufwuchspotenzial" des Schildes: Da weder USA noch NATO irgendwelche verlässlichen Limitierungen akzeptieren, könnten bestehende Elemente einer Raketenabwehr als eine Art "Brückenkopf" dienen, der im Bedarfsfall weiter ausgebaut werden kann. Oder, in den Worten der "Stiftung Wissenschaft und Politik": "Sorgen bereitet Russland vor allem die globale, flexible und offene Architektur der geplanten amerikanischen Raketenabwehr." Die Art und Weise, wie in jüngster Zeit nun auch offen gefordert wird, den Raketenabwehrschild gegen Russland auszurichten, bestätigt in diesem Zusammenhang sämtliche Befürchtungen auf russischer Seite: "In der Nato gibt es Überlegungen, die gegen potenzielle Angriffe aus dem Nahen Osten geplante Raketenabwehr auch gegen Russland auszurichten. Solche Forderungen, unterstützt von den USA, kommen nach SPIEGEL-Informationen aus den baltischen Mitgliedsländern und Polen."

Im Augenblick übernehmen die USA den Löwenanteil der Kosten, was ihnen aber auch die Verfügungsgewalt über die Raketenabwehr einbringt. Doch auch andere Länder und nicht zuletzt Deutschland sind substanziell beteiligt: "Erstens befindet sich das Kontroll- und Führungszentrum im deutschen Ort Ramstein. Zweitens hat Deutschland ein Einsatzkontingent Patriot-Flugabwehrraketen mit bis zu drei Feuereinheiten als Beitrag zum Nato-Raketenabwehrsystem gemeldet [...] Drittens unterstützt Deutschland das deutsch-niederländische Kompetenzzentrum zur Verbesserung der Luft- und Raketenabwehr (Competence Centre for Surface Based Air and Missile Defence) in Ramstein, indem es Personal bereitstellt."

    5. Rüstungsspirale statt Rüstungskontrolle

Faktisch machen die von den USA und der NATO in den Nuklearbereich investierten Milliardenbeträge und die dazugehörigen Projekte nur im Kontext einer Atomkriegführung gegen Russland und China Sinn. Mit diesbezüglichen Verdächtigungen aufzuräumen wäre relativ simpel, Washington müsste nur klar vertraglich fixierten und zeitlich unbefristeten Begrenzungen von Offensivsysteme (nuklear wie konventionell) und Raketenabwehrsystemen zustimmen – doch dazu ist es nicht bereit. Die US-Pläne vor allem im strategischen Bereich zwingen Russland und China regelrecht dazu, ihrerseits aufzurüsten , wodurch jedoch ein neues "Wettrüsten 2.0” droht, nur mit ungleich mehr Akteuren, als dies früher der Fall war: "Washington erwägt, für die nächsten Jahrzehnte eine umfassende Modernisierung der amerikanischen Nukleartriade (luft-, see- und bodengestützte Systeme) für rund eine Billion US-Dollar vorzunehmen. Zur gleichen Zeit erwägen chinesische Strategen, ihr Nukleararsenal in einen Modus rascherer Abschussbereitschaft umzustellen (‚hair trigger alert‘) und träumen von einer eigenen Triade und sogenannten Mehrfachsprengköpfen für ihre Raketenprogramme. Wer asiatische Rüstungsdynamiken kennt, weiß, dass eine indische Antwort nicht lange auf sich warten lassen wird. Und damit ist auch für die weitere pakistanische Aufrüstung gesorgt.”

Die Alternative zu solch einem kostspieligen und hochriskanten Rüstungswettlauf läge auf der Hand – verstärkte Anstrengungen zu Abrüstung und Rüstungskontrolle. Doch derlei Überlegungen wird seitens der NATO derzeit mit einem Federstrich eine Absage erteilt, wenn etwa Matthew Kroenig schreibt: "Natürlich sollte die NATO weiter Rüstungskontrollmaßnahmen in Erwägung ziehen, die im Interesse der Allianz sind. Aber solche Vorschläge sollten sich hinter den Anfordernissen der NATO an die Abschreckung einordnen.” In eine ähnliche Richtung äußert sich die oben bereits zitierte Studie mehrerer hochrangiger NATO-Strategen, darunter BASK-Präsident Karl-Heinz Kamp: "Angesichts der aktuell in Moskau angestellten Überlegungen zu Nuklearfragen ist die nukleare Rüstungskontrolle in Europa – das heißt die beiderseitige Reduzierung von nicht-strategischen Atomwaffen – nicht mehr länger eine Option."

In einem weiteren Artikel brachte Kamp schließlich die derzeit leider dominierende Position folgendermaßen auf den Punkt: "Unter den aktuellen konfrontativen Bedingungen ist eine gemeinsame Reduzierung der Atomwaffen in Europe kaum noch vorstellbar. [...] Damit ist nukleare Rüstungskontrolle nicht grundsätzlich ausgeschlossen sie bleibt integraler Teil westlicher Sicherheitspolitik. Allerdings ist sie dem Zweck der Sicherheitsvorsorge eindeutig nachgeordnet. Es ist nicht der primäre Daseinszweck einer Nuklearwaffe, abgerüstet zu werden. Zweck einer Kernwaffe – wie auch jeder anderen Waffen – ist es, zur Sicherheit und Verteidigung beizutragen." @

externer Link http://www.imi-online.de/2016/06/20/atomare-muskelspiele-die-nukleare-offensive-der-nato

 

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