Vielen geht es wahrscheinlich wie mir – ich kann es immer noch nicht richtig glauben, dass Willi nicht mehr unter uns ist. Willi war ein ganz besonderer Mensch: Er war ein tapferer und konsequenter Kämpfer für eine atomkraftfreie, solidarische und friedliche Welt. Es war eine große Ehre und ein großes Vergnügen so viele Jahre die anti-Atom-Arbeit im Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen mit ihm zusammen gestalten zu dürfen. Willis Freundlichkeit, seine menschliche Wärme, seine Fähigkeit zuzuhören und zu motivieren, seine klaren Gedankengänge, sein freundschaftlicher Rat – all das fehlt uns nun. Willi war immer bescheiden und zurückhaltend im Auftritt. Wenn er heute hier sein könnte, würde er bestimmt bald sagen: "Schön, dass ihr alle an mich denkt – aber jetzt lass uns mal über was anderes reden ... Denkt dran, die anti-Atom-Demo in Lingen muss noch vorbereitet werden ... und die Einladung an unsere russischen Freunde muss noch raus ..." In der Traueranzeige wird zurecht Violetta Parras und Stéphane Hessels Satz von der "Fähigkeit zur Empörung" zitiert – besonders wichtig ist dabei die Ergänzung "und damit zum Engagement". Denn Empörung ohne Engagement ist eine leere Geste. Und Willi engagierte sich vielfältig, nicht nur in der anti-Atom-Bewegung, sondern auch in Bleiberechtsinitiativen, in der Friedensbewegung und in Wohnprojekten. Dabei war er auch ein fest verankerter Familienmensch. Wer mit Willi zusammenarbeiten durfte, war schnell mit einer Grundfrage des menschlichen Seins konfrontiert: "Was kann ich persönlich tun, damit diese Welt ein besserer Ort wird?" Und deshalb machte sich Willi, dessen Körper immer schwächer wurde, unermüdlich für andere stark. Er, der mit dem Gehen Probleme hatte, ging mit aufrechtem Gang und starkem Rückgrat durchs Leben. Das habe ich immer an ihm bewundert. Willis Einsatz und Optimismus verdanken wir enorm viel: Wenn heute die Stilllegung der Urananreicherungsanlage Gronau noch immer, bzw. wieder, auf der politischen Tagesordnung steht – wenn es noch immer nicht selbstverständlich ist, dass Castor-Transporte ins Zwischenlager Ahaus rollen – wenn es am 29. Oktober endlich wieder eine große Demo zur Stilllegung der Brennelementefabrik und des Atomkraftwerkes in Lingen gibt, dessen Kühlturm von Willis Wohnort Emsdetten fast zu sehen ist – wenn AtomkraftgegnerInnen aus Russland, Frankreich oder Afrika oft im Münsterland zu Gast sind – dann ist dies in erheblichem Maße Willi zu verdanken. Willi fragte dabei nie, ob eine Aufgabe zu schwer oder gar unmöglich ist. Resignation, Zaudern oder Verzagtheit waren sein Ding nicht. Von Willi konnte man lernen, Dinge einfach anzupacken, erstmal das Mögliche zu tun, sich auf die nächsten Schritte zu konzentrieren – denn eine bessere Welt entsteht nur dann, wenn jedeR Einzelne von uns dafür seinen oder ihren Beitrag leistet und den ersten Schritt macht. Willi war klar: Verantwortung lässt sich nicht delegieren – weder an Freunde oder Nachbarn und schon gar nicht an Parteien. Und deshalb sah man Willi um 5 Uhr nachts vor dem Zwischenlager Ahaus, um gegen Castoren zu protestieren, oder sommers wie winters auf Sonntagsspaziergängen, Demos und Blockaden vor der Urananreicherungsanlage Gronau, oder aber mit Rollstuhl im Wald von Gorleben. Willi organisierte Demos und Bündnistreffen, hielt Reden, informierte die Presse, beobachtete an Bahnsteigen Uranzüge – er war immer mittendrin. Denn Willi war stets neugierig und suchte für sich und uns neue Wege. Einer dieser Wege führte ihn 2006 bis nach Russland, nachdem uns Vladimir Slivyak von der russischen Umweltorganisation Ecodefense im Münsterland besucht hatte. Nun wollten wir in Russland gemeinsam mit den russischen Umweltgruppen gegen die unverantwortlichen Uranmüllexporte von Gronau nach Russland protestieren. Willi wäre der erste gewesen, der einfach hätte abwinken können, "meine Lunge macht den Flug nicht mit". Aber sein Wille und seine Neugier waren stärker und so nahmen wir an sehr spannenden Gesprächen und Protesten in St. Petersburg und Moskau teil. Aus diesem ersten Besuch, der ohne Willi nicht stattgefunden hätte, entstanden langjährige Freundschaften und eine politische Erfolgsstory: Am Ende beschäftigte sich das Parlament in Estland mit dem Gronauer Atommüll, das finnische TV berichtete, die BBC kam nach Gronau, EON und RWE mussten auf ihren Hauptversammlungen Rede und Antwort stehen und "Eichhörnchen" Cécile Lecomte stoppte mit spektakulären Drahtseilaktionen diverse Uranmüllzüge aus Gronau. Und ich weiß, wie sehr Willi sich freute, als diese unsäglichen Uranmüllexporte 2009 tatsächlich eingestellt wurden. Mit diesem Erfolg im Rücken gelang es uns, 2010 weitere Atommüllexporte von Ahaus nach Russland zu verhindern und am Ostermontag 2011 forderten 15000 Menschen in Gronau die Stilllegung der Urananreicherungsanlage Gronau – eine erstaunliche Entwicklung. Politische Erfolge und gesellschaftliche Veränderungen fallen nicht vom Himmel, sondern sind das Ergebnis vieler kleiner Schritte von ganz normalen Menschen. Willi hatte dafür den nötigen langen Atem und die politische Weitsicht. Er konnte mit kleinen Schritten große Dinge bewegen. Ein anderer Weg führte Willi 2010 bei einem Autobahnaktionstag zu einer Demo nach Jülich, wo vom Atomforschungszentrum Jülich hochradioaktiver Atommüll in 152 Castoren ins Zwischenlager Ahaus gebracht werden sollte. Ganz nebenbei – diese 152 "Westcastoren" stehen dank des Protests noch immer in Jülich, doch der Transportdruck Richtung Ahaus nimmt derzeit wieder stark zu. Aber der Tag ist mir auch aus einem anderen Grund im Gedächtnis geblieben: Neben der Politik hegte Willi eine intensive Leidenschaft für den gelb-schwarzen Fußballklub aus Dortmund. Einst war er selbst begeisterter Fußballspieler, nun war er samstags oft im Westfalenstadion. An diesem speziellen Samstag waren wir aber in Jülich und irgendwann nachmittags fuhren wir zusammen im Auto zurück ins Münsterland. Doch was machte Willi? Er versuchte an jedem zweiten Autobahnkreuz vollautomatisch Richtung Dortmund abzubiegen ... Nun ist Willi jedoch viel zu früh selbst vom Platz gegangen. Er hat den Ball an uns weitergegeben, denn er würde uns rasch daran erinnern, dass das Spiel noch nicht vorbei ist, denn seine Ziele und Träume sind noch nicht verwirklicht. Es ist nun also an jeder/m Einzelnen von uns, uns ein Stückchen intensiver für einen solidarischen Umgang mit Flüchtlingen einzusetzen, ein Stückchen intensiver für eine gerechtere und friedliche Welt einzutreten und ein Stückchen intensiver für einen tatsächlichen und vollständigen Atomausstieg nicht nur in Gronau, Ahaus, Lingen, sondern überall, zu kämpfen. Wenn jedeR von uns ein kleines Stückchen von Willis Gepäck und Träumen weiterträgt, dann bin ich mir sicher, dass wir Willis Stimme noch lange laut und deutlich vernehmen werden.
Lieber Willi: | ||
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