Das Ende der Zwischenlagerung, wie wir sie kannten

Atommüll "konsolidiert"

von Dirk Seifert

Die Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle steht vor gravierenden Veränderungen. Die heutigen Sicherheitsstandards dieser Zwischenlager reichen längst nicht mehr aus.

Das unterstreicht nicht nur das Urteil des OVG Schleswig, mit dem die Genehmigung für das Castor-Zwischenlager am AKW Brunsbüttel aufgehoben wurde. Auch die derzeit laufenden Nachrüst-Maßnahmen, mit denen der anti-Terrorschutz an allen bestehenden Zwischenlagern soweit möglich verbessert werden soll, machen klar: Es braucht neue Zwischenlager-Konzepte. Längst diskutieren die Entsorgungskommission der Bundesregierung und die Atomministerien in Bund und Ländern über "konsolidierte Zwischenlager". Gemeint sind 3 - 6 neue Zwischenlager, deren Konstruktion gegenüber den heutigen Zwischenlagern deutlich verbessert werden müsste. Nicht nur wachsende Terror-Gefahren sind dafür ausschlaggebend. Da sich die Zwischenlagerung vermutlich von geplanten 40 auf 80 und mehr Jahre verlängern könnte, besteht Handlungszwang. Das ist auch dem Entwurf des Berichts der "Endlager"-Kommission zu entnehmen.

"Die Bundesregierung sollte im Rahmen der nächsten Fortschreibung des Nationalen Entsorgungsprogramms das Zwischenlagerkonzept einschließlich des geplanten Eingangslagers auf notwendige Optimierungen und Veränderungsbedarf prüfen", heißt es lapidar im Berichtsentwurf vom 6. Mai 2016 auf S. 143. Zuvor ist zu lesen: "Eine Reihe von weiteren Entwicklungen ist zudem schwer vorhersehbar, etwa die Entwicklung hinsichtlich des Schutzes vor Einwirkungen Dritter, die in den letzten Jahren eine starke Dynamik entfaltet hat. All das spricht dafür, nicht nur die Endlagerung von HAW sondern auch dessen notwendige Zwischenlagerung auf den Prüfstand zu stellen."

    Abschied vom Konzept unanfechtbarer Behälter-Integrität

Still und Leise ist das bisherige Sicherheitskonzept bei der Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle beerdigt worden. Jahrzehntelang bestand dies darin, dass der Castorbehälter das Maß der Dinge war. Seine massiven Stahlwände sollten gegen alle Gefahrenszenarien ausreichend Schutz bieten. Vor allem die Zwischenlager in Gorleben und Ahaus basieren auf diesem Konzept. Die Hallen bieten kaum zusätzlichen Schutz gegen sogenannte Einwirkungen von außen. Doch auch die in der Mitte der 2000er Jahre an den AKWs errichteten Standort-Zwischenlager basieren noch wesentlich auf diesem Schutzprinzip basierend auf dem Castorbehälter. Zwar sind diese Lagerhallen – im Norden mehr als im Süden – gegenüber Ahaus und Gorleben verbessert und liefern einen erhöhten Schutz gegen diese Einwirkungen von außen. Aber ausreichend ist das bei weitem nicht.

Das geben die Atombehörden faktisch auch zu, ohne es allerdings an die große Glocke zu hängen. Derzeit werden alle Zwischenlager mit hochradioaktiven Abfällen nachgerüstet. Abflussrinnen für Kerosin, zusätzliche Schutzmauern außen und im Inneren sogenannte "Härtungen" sollen angesichts "neuer" Gefährdungspotentiale den Schutz der Castor-Lager verbessern.

Dass diese Nachrüstungen aber offenbar aus einer Vielzahl von Gründen nicht ausreichend sind, machen die Diskussionen um sogenannte "konsolidierte" Zwischenlager deutlich. Dass diese Debatte eher im Stillen läuft und der Eindruck vermieden wird, dass es hier um allzu gravierende Dinge geht, ist aus staatlicher Sicht vielleicht naheliegend. Denn einerseits geht es um die Anfälligkeit der bestehenden Zwischenlagerung und andererseits braucht es in jedem Fall Jahre, um Verbesserungen zu planen, zu genehmigen und zu errichten. Das betrifft die laufenden Nachrüstungen, die seit 2011/12 auf den Weg gebracht wurden und deren Umsetzung noch Jahre andauern wird.

Die Planung und Errichtung neuer "konsolidierter" verbunkerter Zwischenlager dürfte Jahrzehnte brauchen. Dabei wäre nicht nur die Konstruktion der möglicherweise nicht mehr oberirdischen, sondern "oberflächennahen" Gebäude eine Herausforderung. Zusätzlich wären die Standorte zu finden und möglicherweise bis zu 1.900 Atomtransporte mit hochradioaktivem Atommüll von den derzeitigen Zwischenlagern in die neuen "konsolidierten" Bunker erforderlich. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, welche Auswirkungen diese Maßnahmen und Notwendigkeiten in der Öffentlichkeit haben dürften.

In einem Entwurfspapier der AG3 der "Endlager"-Kommission heißt es unter anderem auch: "Vor dem dargestellten Hintergrund ist deshalb eine Überprüfung der Belastbarkeit des aktuellen Zwischenlagerungskonzepts zu empfehlen. Diese Überprüfung muss sich insbesondere auf folgende Aspekte erstrecken:

  • Sicherheit der Lagerung,
  • Gewährleistung der Transportfähigkeit
  • der Castor-Behälter,
  • Alterungsprozesse,
  • regelmäßige Prüfungen des
  • Inventarzustands,
  • Möglichkeit von Reparaturmaßnahmen und Umpacken,
  • Fachkundeerhalt des Personals,
  • Anlagensicherung,
  • Akzeptanz der Lagerung,
  • Entwicklung der KKW-Standorte,
  • Vorbereitung auf die Endlagerung (Konditionierung).

Gegebenenfalls sollten auch Aussagen dazu getroffen werden, wie lange das gegenwärtige Konzept unter diesen Gesichtspunkten noch tragfähig ist. Das impliziert eine Auseinandersetzung auch mit den Vor- und Nachteilen einer konsolidierten Zwischenlagerung an zwei bis drei größeren (bestehenden oder neuen) Standorten sowie mit einer Verbringung in ein Zwischenlager am Endlagerstandort in verschiedenen Varianten (Pufferlager für Teilmengen, Lager mit Kapazität für alle Behälter und Möglichkeit der parallelen Einlagerung)."

Weiter heißt es dann: "Einiges spricht dafür, dass derzeit noch die Vorteile des gegenwärtigen Konzepts überwiegen, irgendwann auf der nach oben offenen Zeitachse aber dessen Nachteile durchschlagen werden."@

 

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