Auf dem prekär-camp standen auch Yomango-Workshops auf dem Programm. Durch die Initiative der Staatsanwaltschaft Lüneburg stellt sich jetzt für Interessierte die Frage, was es damit eigentlich auf sich hat. Wir sind nicht so die Yomango-ExpertInnen. Trotzdem schreiben wir auf, wie wir darüber denken. Ein Versuch über:

Yomango - weil man das Glück nicht kaufen kann

Beginnen wir mit einer Beschreibung: Menschen sehen sich gezwungen zu klauen, um zu überleben. Sie fahren schwarz, weil sie sich die Fahrkarte nicht mehr leisten können, um Freunde zu besuchen. Andere arbeiten illegal, weil sie den Zuverdienst unbedingt brauchen. Was tun, wenn der Schwimmbadbesuch das Alg2-Budget überstrapaziert? Menschen gehen nicht mehr zum Arzt, weil sie die 10 Euro Praxisgebühr für andere Dinge brauchen. Jede Rezeptgebühr ist ein tiefer Einschnitt ins Portemonnaie.

Bild: im Supermarkt

Die gesellschaftliche Entwicklung, die vom Diktat „Wachstum und Profit“ bestimmt wird, hat in den letzten Jahren zu zunehmender Verarmung und Unsicherheit in den Arbeits- und Lebensbedingungen vieler Menschen geführt. Selbst hier in einem Wohlstandsland leben Menschen unter dem Existenzminimum. Die Hartz-Gesetze zum Beispiel bringen Menschen in finanzielle und psychische Notsituationen.

Darüber zu reden ist immer noch ein Tabu. Die Betroffenen behalten es für sich, fühlen sich schuldig an ihrer Armut und schämen sich, wenn sie dabei erwischt werden, wie sie "Verbotenes" tun, um am Lebensnotwendigen teilzuhaben. Sie bekommen einen roten Kopf, wenn sie beim Schwarzfahren entdeckt werden, und die Umstehenden wenden sich peinlich berührt ab.

Wer nicht die Augen verschließt vor dem, was in der Bundesrepublik gerade so passiert, dem werden viele solcher Situationen begegnen. Und wer sich in der Welt ein wenig umschaut, kann ohne Anstrengung Beispiele aus anderen Ländern nennen, wo Menschen mit Elend und Armut kämpfen. Auf diesem Hintergrund werden Menschen politisch aktiv, um auf die ungerechte Verteilung gesellschaftlichen Reichtums aufmerksam zu machen und Möglichkeiten der Veränderung zu diskutieren.

Gleichzeitig erzeugt es Angst, wenn Normen ins Wanken geraten. "Du sollst nicht stehlen - wenn diese gesellschaftliche Regel aufgekündigt wird, wird vielleicht auch mir noch das weggenommen, was ich mir mühsam erarbeitet und erspart habe." Wer lebt schon gerne in einer Welt, in der alle ständig alles festhalten müssen, damit es nicht davongetragen wird?

Bild: im Supermarkt

Sozial engagierte Menschen in Spanien haben den Begriff Yomango kreiert. Yomango ist so etwas wie das Logo für eine künstlerische und politische Kampagne und steht für die Idee, die oben beschriebenen Momente des alltäglichen Lebens aus der Heimlichkeit zu holen. Menschen sollen sich nicht dafür schämen müssen, dass sie arm sind; dass sie Lücken suchen und andere Wege gehen, um sich das zu nehmen, was eigentlich jedem Menschen zustehen sollte: ein Leben in Würde und Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum. Das Problem öffentlich zu machen soll die Angst nehmen, die Leute in ihrer Not gefangen hält. Und es soll die Möglichkeit eröffnen, mit anderen darüber zu sprechen und nach solidarischen Lösungswegen zu suchen.

Yomango ist ein Wortspiel: yo mango heißt ich esse, ich nehme. Yomango sieht aus wie das Label einer Kleidermarke und einer Ladenkette. Yomango wird aber auch benutzt für ich klaue. Das ist eine Provokation, ist anstößig, weil es mit einem gesellschaftlichen Tabu bricht. Es gibt Anstoß zur Beschäftigung mit einem realen gesellschaftlichen Problem.

Wenn Menschen sich mit Yomango befassen, dann kann es in unseren Augen nicht darum gehen, Klauen als coolen Lebensstil zu propagieren. Es geht darum, einen gesellschaftlichen Missstand zum Thema zu machen und öffentlich zur Diskussion zu stellen. Klauen findet statt, tagtäglich, heimlich und anrüchig, ist gesellschaftliche Realität. Sich damit zu befassen, nach den Hintergründen und Zusammenhängen zu fragen, was Menschen in solche Situationen bringt, ist notwendig für eine kritische Öffentlichkeit.

Wir als Redaktion einer Bewegungs-Zeitung haben nicht zu "organisiertem Ladendiebstahl" aufgerufen, wie uns Gericht und Staatsschutz unterstellen, und wie das zum Teil in den Medien weitergegeben wurde. Wir setzen uns ein für eine Welt, in der es niemand nötig hat zu klauen; für ein lebenswertes Leben für alle, auch für die, die in der kapitalistischen Verwertungslogik keinen Platz haben.


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