Grafik aaa - Zeitung für die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen
2005-08-27

Zu den politischen Verfolgungen zweier RedakteurInnen der Zeitung Anti-Atom-Aktuell
von Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz (MAUS)

Am 11. 08.05 wurden die Redaktionsräume der Anti-Atom-Aktuell (aaa) und die Privaträume zweier RedakteurInnen im wendländischen Tollendorf von der Polizei durchsucht und Rechner, Datenträger und sonstiges Material, mit der Begründung beschlagnahmt, es hätte auf der Website zum Prekärcamp in Lüchow eine "Aufforderung zu strafbaren Handlungen" stattgefunden.

Dabei ging es um den Begriff "yomango", der im Spanischen so etwas wie "ich stehle" bedeutet und der von linken Gruppen aus der sozialen Bewegung im Zusammenhang mit der Thematisierung von unsicheren Lebensumständen durch Sozialraub verwendet wird.

Doch diese Begründung erscheint reichlich dürftig und ist nur, in Anbetracht dessen, dass der Staatsschutz nun endlich mal eine günstige Gelegenheit sah, in den Redaktionsräumen der aaa herumzuschnüffeln, zu verstehen.

Die Verbindung von verschiedenen Widerstandsformen und -bereichen, wie sie mit dem Camp gegen Prekarisierung zum Ausdruck kam, scheint dem Staatsschutz ein Dorn im Auge zu sein. Die Verhältnisse sind bekannt.

Menschen, die ohne Lohnarbeit sind, werden einer sicheren Existenz beraubt, zu Zwangsarbeit verpflichtet und sie sollen sich dafür auch noch selbstverantwortlich und schuldig fühlen. Aber die ständige Rationalisierung, Technisierung und Auslagerung der Produktion in "Billiglohnländer", um eine führende Stellung auf dem Weltmarkt zu behaupten, führen dazu, dass immer weniger Arbeit notwendig ist. Doch anstatt sich zu freuen, dass jetzt nicht mehr so viel gearbeitet werden muss und so die Arbeitszeit für alle verringert werden kann und endlich mehr Zeit für die schönen Dinge des Lebens da ist, wird den Menschen eingepredigt: "wer nicht arbeitet soll auch nicht essen!"

Solidarität und Kollektivität stören den Ablauf der Geschäfte, Konkurrenz belebt den Markt, alle sollen glauben, sie seien für ihr Schicksal selbst verantwortlich. Doch in Wirklichkeit, in der Wirklichkeit des Neoliberalismus, sind viele Menschen längst überflüssig geworden und sie gehen ausschließlich als Kostenfaktoren in die politischen und ökonomischen Bilanzen ein. Die allen zustehenden existenzsichernden Mittel werden nun bis an den Anschlag gekürzt, d.h. das was jeder und jedem für ein würdiges Leben zusteht wird gestohlen, auf ein Überlebensminimum in Armut reduziert.

Wenn das im Rahmen der herrschenden Verhältnisse passiert, gilt es als "legitim", während all das als "kriminell" denunziert und verfolgt wird, was über ein "sich Abfinden mit den schlechten Zeiten" hinausgeht.

So sehen sich immer mehr Menschen gezwungen, sich Dinge anzueignen, um zu überleben: ohne Fahrkarten, öffentliche Verkehrsmitteln zu benutzen, ohne Steuerkarte zu arbeiten, Strom- und Gaszähler zu überbrücken, umsonst "einzukaufen". Sie gehen nicht mehr zum Arzt und holen sich nicht mehr die benötigten Medikamente, weil sie die 10 Euro Praxisgebühr und die Rezeptgebühren nicht mehr aufbringen können; wenn sie sich überhaupt noch krankschreiben lassen, obwohl sie Angst haben, dadurch ihren Arbeitsplatz zu verlieren, usw.

Verantwortlich dafür ist eine Politik, die die ökonomische Rationalität in den Mittelpunkt allen Denkens und Handelns stellt und die Begriffe von "Menschlichkeit", "Gleichberechtigung" und "Solidarität" höchstens in ihrer Wahlkampfpropaganda nutzt. Dieses zeigt sich sehr deutlich auch in der menschenverachtenden Atomtechnologie. Dabei geht es ausschließlich um Macht und Profit. Tod und Leiden unzähliger Menschen und die über Jahrtausende währende radioaktive Verseuchung großer Gebiete, wird billigend in Kauf genommen.

Angebliche "Sachzwänge" werden vorgeschoben und dienen als Legitimation dieser menschenverachtenden Technologie, wie: "Atomenergie ist die billigste Energie und macht uns unabhängig von den ölproduzierenden Ländern" oder "nur über die Atomenergieproduktion lässt sich die CO2-Belastung der Umwelt wirkungsvoll reduzieren".

Doch wenn der Mensch im Mittelpunkt von Denken und Handeln stehen soll, spielen diese Sachzwänge" keine Rolle. Die Atomanlagen müssen sofort und weltweit stillgelegt werden - das ist immer möglich. Doch das widerspricht dem besagten Prinzip der ökonomischen Rationalität. Und eben dieses Prinzip findet auch einen Ausdruck in der herrschenden Eigentums- und Besitzideologie, die Ungleichheit und Ungerechtigkeit produziert und auch benötigt.

Sie ist aber keine absolute "Wahrheit" oder "Zwangsläufigkeit", sondern aus Machtinteressen der Menschen entstanden, und somit veränderbar.

Das bedeutet auch, der Widerstand gegen Atomtechnologie sollte sich nicht nur gegen die "Maschinen " (wie: Atomkraftwerke, End- und Zwischenlager, Atomtransporte, Atombombe) richten, sondern besonders auch gegen die herrschenden Verhältnisse, die diese "Maschinen" erst ermöglichen.

Wenn es uns um eine Welt geht, in der Gleichberechtigung und ein wirkliches Miteinander aller Menschen im Mittelpunkt steht, in der Rassismus, Ausbeutung von Mensch und "Natur", Effizienz- und Leistungsdenken usw. nicht vorkommen, sollten wir uns hier und jetzt dafür einsetzen.

Erwähnt sei noch, dass dieser Angriff gegen die RedakteurInnen der aaa auch im Zusammenhang mit dem vermutlich im November dieses Jahres stattfindenden CASTOR-Transport nach Gorleben und mit dem zur Zeit international diskutierten Ausbau von Atomtechnologie (Atomenergie, Atombombe) zu sehen ist.



In diese Zusammenhänge ordnen wir auch die Hausdurchsuchung ein. Es sollen Menschen daran gehindert werden zu diesen Fragen, kollektiv eigene Vorstellung zu entwickeln und praktisch umzusetzen. Somit richtet sich dieser Angriff auch gegen uns und wir sollten ihn deshalb auch gemeinsam zurückweisen und daraus neue Kraft für unseren Widerstand und für unser Leben schöpfen.

Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz (MAUS), Bremen, 27.08.05

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